Trikuspidalinsuffizienz
Synonyme: Trikuspidalklappeninsuffizienz, TKI
Definition
Die Trikuspidalinsuffizienz, kurz TKI, ist ein Herzklappenfehler, bei dem durch einen unzureichenden Schluss der Trikuspidalklappe während der Systole ein pathologischer Rückfluss (Regurgitation) aus dem rechten Ventrikel in den rechten Vorhof des Herzens erfolgt. Man unterschiedet die sekundäre Insuffizienz von der deutlich selteneren primären Insuffizienz.
Ätiologie
In der Regel ist die Ursache der Trikuspidalinsuffizienz sekundär bzw. funktionell. Hierbei kommt es über eine Dilatation des rechten Ventrikels zu einer Überdehnung des Klappenringes. Ursachen sind unter anderem:
- pulmonale Hypertonie
- Pulmonalstenose
- Rechtsventrikuläre dilatative Kardiomyopathie
- Rechtsventrikulärer Myokardinfarkt
- Mitralklappenstenose
- Rechtsherzinsuffizienz
- Lungenembolie
Selten kann auch eine primär organische Insuffizienz vorliegen, die durch eine Klappenerkrankung hervorgerufen wird. Ursachen hierfür sind unter anderem:
- Infektiöse Endokarditis
- Rheumatisches Fieber
- angeborene Bindegewebserkrankungen, z.B. myxomatöse Degeneration
- angeborene Klappenfehler, z.B. Marfan-Syndrom oder Ebstein-Anomalie
- Karzinoidsyndrom
- Trauma
- einliegender ICD-Schrittmacher
Pathophysiologie
Eine relevante Trikuspidalinsuffizienz liegt bei einem Durchmesser des Klappenringes von ≥ 40 mm vor, gemessen zum Zeitpunkt der Enddiastole im echokardiographischen apikalen Vierkammerblick.[1]
Bei einer primären Insuffizienz mit normalen Druckverhältnissen im Lungenkreislauf kommt es zu einer reinen Volumenbelastung mit relativ kleinem Pendelvolumen. Diese wird oft auch langfristig gut toleriert.
Die sekundäre Insuffizienz führt zu einer chronischen Druck- und Volumenbelastung des rechten Atriums, die wiederum den Druck in der Vena cava superior und inferior erhöht. Konsekutiv kommt es zu einem venösen Rückstau in die Pfortader sowie in die Halsvenen.
Besteht die Insuffizienz über einen längeren Zeitraum, werden Kompensationsmechanismen angestoßen, die eine Dilatation des rechten Atriums und des rechten Ventrikels bewirken. Das Vorhofvolumen kann dadurch im Krankheitsverlauf um das Drei- bis Vierfache zunehmen. Durch die zunehmende Dilatation des rechten Ventrikels wird die Klappeninsuffizienz im Sinne eines Circulus vitiosus weiter verstärkt.
Diagnostik
Körperliche Untersuchung
Bei der Auskultation hört man einen leisen ersten Herzton, eine laute pulmonale Komponente des zweiten Herztons sowie ein holosystolisches Decrescendogeräusch mit Punctum maximum im 4. ICR rechts parasternal. Letzteres nimmt inspiratorisch zu (Carvallo-Zeichen). Gelegentlich ist ein dritter Herzton rechtsventrikulär auskultierbar.
Bei fortgeschrittenem Krankheitsverlauf finden sich in der klinischen Untersuchung gestaute Halsvenen. Bei der Palpation der Leber kann man eine Vergrößerung des Organs und ggf. eine systolische Pulsation ertasten. Sie zeigt sich ebenfalls in einer prominenten V-Welle in der Venenpulskurve.
Apparative Diagnostik
Die apparative Diagnostik umfasst:
- Echokardiographie: Sie ist das Mittel der Wahl und ermöglicht die Bestimmung des Schweregrads. Charakteristisch ist eine systolische refluxbedingte "Wolke" im rechten Vorhof beim Farbdoppler, die auch als Insuffizienzjet bezeichnet wird. Der systolische pulmonalarterielle Druck (sPAP) ist erhöht.
- EKG: Das EKG zeigt einen Rechtstyp, eine rechtsventrikuläre Hypertrophie sowie eine P-Welle mit hoher Amplitude im Sinne einer P-dextroatriale.
- Röntgen-Thorax: Das rechte Herz ist sichtbar vergrößert.
- Herzkatheteruntersuchung: Der enddiastolische Druck ist erhöht. Ein Wert < 40 mmHg deutet meist auf eine primäre, ein Wert > 60 mmHg auf eine sekundäre Trikuspidalinsuffizienz hin.
Diagnosekriterien
Nach den Leitlinien der ESC gelten folgende Diagnosekriterien für eine fortgeschrittene Trikuspidalinsuffizienz:
- Breite des Insuffizienzjets ≥ 7 mm
- EROA ("effective regurgitant orifice area") ≥ 40 mm2
- Dilatation des rechten Ventrikels, des rechten Vorhofs und der Vena cava inferior
- dilatierte Lebervenen
Klinik
Die klinische Symptomatik einer Trikuspidalklappeninsuffizienz ist durch die Symptome der Rechtsherzinsuffizienz geprägt. Charakteristisch sind:
- Müdigkeit
- Leistungsabfall
- Gastrointestinale Symptome: Appetitlosigkeit, Übelkeit, Erbrechen, Aufstoßen, Gewichtsverlust
- Hepatomegalie und Leberkapselschmerz
- Beinödeme
- Halsvenenstauung
- Herzrhythmusstörungen
- Dyspnoe und Zyanose
Im fortgeschrittenen Stadium erfolgt ein fibrotischer Umbau des Leberparenchyms mit der Ausbildung einer Cirrhose cardiaque, die von Ikterus und Aszites begleitet ist.
Therapie
Die Therapie der Trikuspidalklappeninsuffizienz besteht aus der Behandlung der auslösenden Grunderkrankung sowie der Herzinsuffizienz.
In frühen Stadien kann die Therapie medikamentös erfolgen. Geeignet sind vor allem Schleifendiuretika, um die Volumenbelastung und damit die Vorlast des dilatierten rechten Herzens zu senken. Der Grad der Trikuspidalinsuffizienz kann dadurch reduziert werden. Essenziell ist die einschleichende Dosierung. Bei zu starkem Senken der Vorlast kann es zu einem akuten Rechtsherzversagen kommen.
Bei einer isolierten Trikuspidalklappeninsuffizienz wird die Indikation zu einer operativen Therapie selten gestellt. Eine Korrektur erfolgt in der Regel im Zuge anderer operationspflichtiger Vitien.
Gängige chirurgische Verfahren umfassen die Rekonstruktion der Klappe durch Raffung oder Implantation eines Ringes im Sinne einer De-Vega-Plastik. Ein Klappenersatz sollte vermieden werden, da im Bereich des Klappenringes das Reizleitungssystem verläuft. Eine Klappenersatztherapie ist in der Regel nur bei schwerer Insuffizienz indiziert. Bei Versagen des rechten Ventrikels ist nur eine Herztransplantation lebensverlängernd.
Literatur
- Duale Reihe Innere Medizin (4. Auflage, 2018, Thieme)
- Herold Innere Medizin 2020
- Kurzlehrbuch Pathologie (3. Auflage, 2019, Thieme)
- Checkliste innere Medizin (8. Auflage, 2018, Thieme)
- Duale Reihe Chirurgie (4. Auflage 2013, Thieme)
Quellen
- ↑ Mani Arsalan, Thomas Walther, Robert L. Smith, Paul A. Grayburn, Tricuspid regurgitation diagnosis and treatment, European Heart Journal, Volume 38, Issue 9, 1 March 2017, Pages 634–638, https://doi.org/10.1093/eurheartj/ehv487