Hunger
Synonym: Hungergefühl
Englisch: hunger
Definition
Hunger ist das physiologische Verlangen nach Nahrungsaufnahme. Das Hungergefühl ist Teil der Triebsteuerung des Menschen und basiert auf komplexen Prozessen, die das Hungergefühl auslösen, damit das Essverhalten steuern und schließlich das Hungergefühl wieder aussetzen lassen.
Im übertragenen Sinn kann Hunger auch generell das Verlangen nach einer Sache oder nach sozialer Zuwendung bedeuten (z.B. "Hunger nach Liebe").
Den Zustand reduzierter Nahrungsaufnahme und bei gleichzeitiger Präsenz eines Hungergefühls zeichnet man als Hungern oder Fasten.
Das Korrelat des Hungers im Bereich der Flüssigkeitsaufnahme ist der Durst.
Physiologie
Übersicht
Da die regelmäßige Nahrungsaufnahme ein determinierender Faktor für das Überleben eines Organismus ist, hat Hunger eine wichtige Bedeutung für die Verhaltenssteuerung. Die physiologischen Prozesse im menschlichen Körper zur Steuerung der Nahrungsaufnahme sind entsprechend komplex. Sie basieren vor allem auf hormonellen Regelkreisen, die sich zwischen dem Verdauungsapparats und dem ZNS abspielen. Dabei kommt bestimmten Hirnarealen eine besondere Bedeutung zu. Das Hungergefühl entsteht vor allem in den lateralen Teilen des Hypothalamus, während das Gefühl, satt zu sein, wahrscheinlich über den Nucleus ventromedialis generiert wird.
Abläufe
Direkt nach der Nahrungsaufnahme wird in der Leber aus Glukose Glykogen aufgebaut. Dieses Glykogen ist der Kurzzeit-Energiespeicher des Körpers. Einige Zeit (je nach Aktivität und Nahrungsmenge, meist einige Stunden) nach der Nahrungsaufnahme sinkt der Glykogenspiegel in der Leber, weshalb nun zur Aufrechterhaltung des Blutglukosespiegels Fett- und Proteinreserven verstoffwechselt werden müssen. Verschiedene Rezeptoren in der Leber und im Magen lösen über das vegetative Nervensystem im Hypothalamus schließlich das als unangenehm empfundene Hungergefühl aus.
Vom Gehirn wird außerdem der Insulinspiegel und die Menge der im Körper vorhandenen Fettreserven registriert, was ebenfalls Auswirkungen auf das Hungergefühl hat. Das Fettgewebe sezerniert permanent das Hormon Leptin, welches das Hungergefühl dämpft. Bei adipösen Patienten wirkt der hohe Leptinspiegel jedoch nicht mehr auf das Hungergefühl, sondern die Zielneuronen zeigen eine Resistenz gegenüber Leptin.
Vor einigen Jahren entdeckte man ein weiteres Hormon, welches Einfluss auf den Appetit nimmt: Ghrelin. Dieses vor allem von der Magenschleimhaut produzierte Hormon setzt Wachstumshormone frei und wirkt appetitanregend. In Hungerphasen ist der Hormonspiegel im Blut erhöht, nach der Nahrungsaufnahme ist er erniedrigt. Eine Wirkung von Ghrelin auf das Hungergefühl ist nachgewiesen, allerdings noch nicht vollständig geklärt. Kommt es beim Hungerzustand zur Nahrungsaufnahme werden zunächst Mechanorezeptoren des Magens aktiv, die die Füllung registrieren. Diese Signale wirken im Hypothalamus dämpfend auf den Hungerreiz. Das Sättigungsgefühl tritt jedoch erst vollständig ein, wenn bestimmte Chemorezeptoren im Dünndarm und Leber aktiviert werden und den Nährstoffgehalt der Nahrung an das Gehirn melden.
Theorien zur Regulation der Nahrungsaufnahme
Man unterscheidet Theorien, die vor allem die kurzfristige Entstehung des Hungergefühls erklären von solchen, die eine Erklärung für die Regulation des Nahrungsaufnahmeverhaltens über einen längeren Zeitraum liefern.
Kurzfristige Entstehung des Hungergefühls
- Glucostatische Theorie: Diese Theorie geht davon aus, dass die Konzentration von Glucose im Blut über spezielle Sensoren gemessen wird und ein Mangel an Glucose zum Hungergefühl führt.
- Thermostatische Theorie: Nach dieser Theorie führt eine verminderte Entstehung von Wärme im Körper zu Hunger.
Langfristige Nahrungsaufnahmeregulation
- Lipostatische Theorie: Nach dieser Theorie wird das Körpergewicht vom Liporezeptoren erfasst, die daran beteiligt sind, das Gewicht auch über einen bestimmten Zeitraum konstant zu halten. Kommt es zu einer Erhöhung des Körpergewichts wird vermehrt das Peptidhormon Leptin von den Adipozyten freigesetzt, welches eine Hemmung des Hungerzentrums des Hypothalamus bewirkt: der Nucleus arcuatus schüttet weniger Neuropeptid Y aus, was zu Inappetenz führt. Bei Verminderung des Körpergewichts wird dementsprechend weniger Leptin ausgeschüttet.
Abgrenzung
Besondere Hungerformen
Heißhunger
Heißhunger zeichnet sich durch einen plötzlich auftretenden Drang nach sofortiger Nahrungsaufnahme aus. Oft drängt es die betroffene Person nach bestimmten Nahrungsmitteln, wie etwas Süßem oder etwas Salzigem.
Heißhunger kann physische oder psychische Ursachen haben. Heißhunger auf Süßes kann durch einen kurzzeitig abgesunkenen Blutglukosespiegel (Hypoglykämie) bedingt sein - zum Beispiel bei Vorliegen eines Insulinoms. Heißhunger auf etwas Salziges tritt hingegen bei einem gesteigerten Bedarf an Elektrolyten auf, zum Beispiel nach exzessivem Schwitzen.
Bei psychisch verursachtem Heißhunger sind die Gründe anderswo zu suchen, beispielsweise in starken Emotionen oder Stress. Regelmäßige Heißhungerattacken sind in der Regel Symptome von Essstörungen wie Adipositas oder Bulimie.
siehe auch: Sättigungsgefühl, Ernährung, Unterernährung
Unterdrückung des Hungergefühls
Im Gegensatz zu Tieren ist der Mensch in der Lage, sein Hungergefühl zu unterdrücken und anderen psychischen Zielen unterzuordnen. Dadurch erklärt sich die teilweise extreme Gewichtsabnahme trotz beständigen Hungers bei Anorexie oder im Hungerstreik.