Ghrelin
Akronym für: Growth Hormone Release Inducing
Synonym: Lenomorelin
Englisch: ghrelin, lenomorelin
Definition
Ghrelin ist ein gastrointestinales Hormon, das an der Steuerung von Hunger- und Sättigungsgefühl beteiligt ist. Es hat einen appetitsteigernden (orexigenen) Effekt.
Genetik
Ghrelin wird durch GHRL-Gen auf Chromosom 3 (Genlokus 3p25.3) kodiert.
Biochemie
Ghrelin ist ein Peptidhormon mit einer Molekülmasse von ca. 3,5 kDa. Es wird zunächst in Form des Prohormons Preproghrelin synthetisiert, das aus 117 Aminosäuren besteht. Danach wird es zu Proghrelin und schließlich zum aktiven Peptid Ghrelin gespalten, das nur noch 28 Aminosäuren enthält. Obestatin ist ein zweites Produkt des Prohormons mit unklarer Wirkung. Für die Aktivierung von Ghrelin wird im Rahmen der posttranslationalen Modifikation Octansäure an Serin auf Position 3 gebunden. Das katalysierende Enzym ist die Ghrelin-O-acyltransferase (GOAT). Die nicht octanoylisierte Form (Desacyl-Ghrelin) übt jedoch ebenfalls physiologische Funktionen aus.
Die Synthese des Ghrelins erfolgt in enterochromaffinen Zellen, insbesondere in der Schleimhaut von Magen (v.a. Fundus und Pylorus) und Duodenum, aber auch in Jejunum, Lunge, Pankreas, Keimdrüsen, Nebennierenrinde, Plazenta und Niere. Weiterhin wird Ghrelin auch lokal im Gehirn (z.B. Hypothalamus und Hypophyse) produziert.
Die ovoiden Ghrelin-Zellen werden auch als ε-Zellen oder X/A-ähnliche Zellen bezeichnet. Als Charakteristikum weisen sie kompakte, elektronendichte Granula auf.
Im Nüchternzustand und besonders antizipatorisch vor Mahlzeiten finden sich hohe Ghrelinkonzentrationen im Plasma. Nach Mahlzeiten sinken diese rasch auf niedrigere Werte ab. Oxyntomodulin hemmt die Synthese von Ghrelin.
Funktion
Ghrelin wirkt auf zahlreiche Steuersysteme des Energiestoffwechsels. Über die Blutbahn gelangt das Hormon u.a. zu speziellen Zellen des Hypophysenvorderlappens (HVL), wo es an den GHS-Rezeptor (Growth Hormone Secretagogue Receptor) bindet. Bekannt sind derzeit (2020) folgende Funktionen:
- Aktivierung von Zellen des HVL: Freisetzung von Growth Hormone und ACTH
- Steigerung des Appetits, des Körpergewichts und der Fettmasse durch Stimulation von NPY- und AgRP-Neuronen im Nucleus arcuatus. Dadurch wirkt Ghrelin antagonistisch zu Leptin.
- Beeinflussung des Glukosestoffwechsels und der Insulinsekretion
- Hemmung der GnRH-Sekretion
- Förderung der Lungenreifung des Fetus
Weiterhin spielt Grehlin eine Rolle im Belohnungssystem (z.B. nach Alkoholkonsum), bei Lernen und Gedächtnisfunktionen, im Schlaf-Wach-Zyklus und beim Geschmacksempfinden.
Klinik
Beim Prader-Willi-Syndrom führt die erhöhte Ghrelin-Plasmakonzentration zu einem fehlenden Sättigungsgefühl und einer damit einhergehenden Gewichtszunahme. Bei Adipositas anderer Genese ist die Ghrelin-Plasmakonzentration jedoch niedriger als bei Normalgewichtigen. Personen mit Anorexia nervosa haben einen hohen Ghrelin-Plasmaspiegel.
Selten finden sich pankreatische neuroendokrine Tumore (pNET), die Ghrelin sezernieren.