Prader-Willi-Syndrom
nach den schweizerischen Kinderärzten Andrea Prader (1919-2001) und Heinrich Willi (1900-1971)
Synonyme: PWS, Prader-Labhard-Willi-Fanconi-Syndrom, Urban-Syndrom und Urban-Rogers-Meyer-Syndrom
Englisch: Prader-Willi syndrome
Definition
Beim Prader-Willi-Syndrom, kurz PWS, handelt es sich um eine relativ seltene, genetisch bedingte Behinderung mit körperlichen und geistigen Symptomen, die durch eine hypothalamisch-hypophysäre Dysfunktion gekennzeichnet ist. Verantwortlich dafür ist ein defektes Gen auf Chromosom 15, Genlocus 15q11. Es ist nach den Ärzten A. Prader und H. Willi benannt, welche die Symptome 1956 wissenschaftlich beschrieben.
Epidemiologie
Ursachen
Die Krankheit ist klinisch und genetisch heterogen. Ursache sind verschiedene molekulare Veränderungen in der Chromosomenregion 15q11-q13, wie z.B.:
- Deletion des paternalen Gens: ca. 75 % der Fälle
- maternale Disomie: ca. 20 % der Fälle
- Mutation im Imprinting-Center: ca. 2 % der Fälle
- Atypische Deletionen, z.B. im SNORD 116-Cluster (selten)
Das Angelman-Syndrom beruht ebenfalls auf der Deletion von 15q11, ist jedoch überwiegend maternalen Ursprungs.
Klinik
Das PWS ist durch einen phasenhaften Verlauf gekennzeichnet. Unmittelbar nach der Geburt zeigen sich typischerweise:
- angeborene Muskelhypotonie (bei fast allen Neugeborenen, "floppy infant")
- dreieckige Mundpartie
- "mandelförmige" Augen, häufig Schielen (Strabismus) und/oder Kurzsichtigkeit
- Trinkschwäche und Gedeihstörung
- Hypothermie und Hypoglykämie
- Hypogonadismus
Die frühe Kindheit und Jugend ist gekennzeichnet durch:
- geistige Retardierung und mäßige geistige Behinderung mit Verhaltensauffälligkeiten
- Adipositas aufgrund einer Hyperphagie (meist ab dem 2. bis 3. Lebensjahr)
- Kleinwuchs, kleine Hände und Füße
- reduzierte Schmerzempfindlichkeit
- Hypothyreose
Im Erwachsenenalter zeigt sich eine ausgeprägte Adipositas, die mit typischen Folgeerkrankungen (z.B. kardiovaskuläre Erkrankungen, obstruktives Schlafapnoesyndrom, Diabetes mellitus, Osteoporose usw.) einhergehen kann.
Diagnostik
Besteht der Verdacht auf ein Prader-Willi-Syndrom, sollte zunächst ein Methylierungstest des Chromosomenbereichs 15q11-13 durchgeführt werden. Ein unauffälliger Methylierungstest schließt ein PWS aus. Liegt ein Methylierungsmuster mit ausschließlich maternaler Prägung vor, wird durch Chromosomenanalyse, FISH- oder andere molekulargenetische Analysen untersucht, ob eine Deletion, eine uniparentale Disomie oder eine Störung in der Imprinting-Kontrollregion der Auslöser des PWS ist.
Zudem muss ein regelmäßiges Screening auf mögliche Komorbiditäten erfolgen.
Therapie
Eine kausale Therapie des Prader-Willi-Syndroms ist nicht möglich. Die Therapie erfolgt symptomatisch, z.B. durch:
- Kalorienreduzierte, ausgewogene Diät
- medikamentöse Behandlung der Hyperphagie durch Diazoxidcholin[3]
- Wachstumshormone (z.B. rekombinantes GH zur Verminderung des Körperfettanteils und Vermehrung der Muskelmasse), ggf. Substitution von Schilddrüsenhormonen
- Verhaltenstherapie
- Physiotherapie (Aufbau des Muskeltonus)
- Testosteronersatztherapie ab dem 14. Lebensjahr bei Jungen
- zyklusstimulierende Hormonersatztherapie bei Mädchen (Cave: Thromboserisiko)
Quellen
- ↑ Orphanet: Prader-Willi-Syndrom. Zuletzt abgerufen am 24.09.2025
- ↑ Yang-Li et al.: Recommendations for the diagnosis and management of childhood Prader-Willi syndrome in China. Orphanet Journal of Rare Diseases, 2022
- ↑ Full Prescribing Information Vykat XR, FDA, abgerufen am 14.04.2025