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Chromosomenanalyse

1. Definition

Als Chromosomenanalyse bezeichnet man ein häufig verwendetes Verfahren der klassischen Zytogenetik, mit dem numerische und strukturelle Chromosomenaberrationen nachgewiesen werden können.

2. Indikationen

Chromosomenanalysen werden u.a. durchgeführt bei:

3. Grundlagen

3.1. Genetik

3.1.1. Körperzellen

Körperzellen mit einem diploiden Chromosomensatz entstehen wie folgt:

Die Keimzellen (Eizelle und Spermium) haben einen haploiden (einfachen) Chromosomensatz (23 Chromosomen). Bei der Befruchtung verschmelzen die Keimzellen der Eltern zu einer Zelle mit diploidem (doppelten) Chromosomensatz, der Zygote. Diese vermehrt sich anschließend durch mitotische Zellteilungen und bildet einen Organismus aus somatischen Zellen (normale Körperzellen) mit diploidem Chromosomensatz

3.1.2. Keimzellen

Keimzellen (Gameten) mit einem haploiden Chromosomensatz entstehen wie folgt:

Aus den diploiden Vorläuferzellen entstehen durch Meiose haploide Zellen. Während der Prophase I können Chromatiden der homologen Chromosomen Teile austauschen (Crossing-over). Es entstehen genetisch neu zusammengesetzte Chromosomen, die diskrepant von den Elternorganismen sind.

3.1.3. Chromosomenzahl

Insgesamt weist das gesunde menschliche Genom 46 Chromosomen auf, davon 44 Autosomen (22 Chromsomenpaare) und 2 Geschlechtschromosomen (Gonosomen). Frauen besitzen zwei X-Chromosomen (46,XX) und Männer ein X- und ein Y-Chromosom (46,XY).

3.2. Methodik

3.2.1. Karyogramm

Ein Karyogramm erhält man durch mikroskopische Untersuchung der Zellkerne eines Menschen während der Zellteilung.

Hierzu werden die Chromosomen während der Metaphase mit dem Spindelgift Colchicin arretiert und damit die Wanderung zu den Zellpolen unterbunden. Anschließend werden die Chromosomen gefärbt und fotografiert. Danach werden die Einzelbilder in einem Karoygramm angeordnet. Diese aufwendige Prozedur wird in der Regel von Computerprogrammen übernommen. Es erfolgt eine computergestützte Auswertung von Digitalaufnahmen.

3.2.2. Chromosomenmorphologie

Jedes Chromosom hat zwei Arme. Den p-Arm (kurzer Arm) und den q-Arm (langer Arm). Dazwischen liegt ein eingeschnürter Bereich, das Zentromer. Nach Lage des Zentromers im Chromosom unterscheidet man:

3.2.3. Chromosomengruppen

Nach Größe der Chromosomen und Lage der Zentromere unterscheidet man 7 Gruppen:

  • Gruppe A (1–3): große metazentrische Chromosomen
  • Gruppe B (4–5): große submetazentrische Chromosomen
  • Gruppe C (6–12, X): mittelgroße metazentrische und submetazentrische Chromosomen
  • Gruppe D (13–15): mittelgroße akrozentrische Chromosomen
  • Gruppe E (16–18): relativ kurze metazentrische und submetazentrische Chromosomen
  • Gruppe F (19–20): kurze metazentrische Chromosomen
  • Gruppe G (21–22,Y): kurze akrozentrische Chromosomen

4. Durchführung

Eine Chromosomenanalyse erfolgt normalerweise aus Lymphozyten, die aus peripher entnommenem, heparinisiertem Blut gewonnen werden. Hierfür werden 10 ml Heparinblut benötigt. Vor der Analyse werden die Lymphozyten mit Phytohämagglutinin stimuliert und kultiviert. In manchen Fällen ist auch ein Nachweis aus anderen Materialien (z.B. Hautbiopsie, Knochenmarkbiopsie etc.) möglich. Pränatal kann die Chromosomenanalyse aus 10 bis 20 ml Fruchtwasser bzw. aus Chorionzotten in einem speziellen Transportmedium erfolgen.

Aus den Lymphozyten gewonnenes DNA-Material wird in der Metaphase auf Objektträgern fixiert und gefärbt. Dabei bedient man sich einer sogenannten Bänderungstechnik, z.B. der GTG-Bänderung. Durch die Färbung ergibt sich für alle Chromosomenpaare (22 autosome und 1 gonosomes Chromosomenpaar) ein spezifisches Bandenmuster, anhand dessen sie nach internationalen Normen (International System of Human Cytogenetic Nomenclature) unterschieden, geordnet und anschließend beurteilt werden können.

Nach Abschluss der Chromosomenanalyse kann das Ergebnis in kurzer Form als international genormte Karyotyp-Formel angegeben werden. Sie ist Teil des zytogenetischen Befunds.

5. Beurteilung

Mit der klassischen Bänderungstechnik sind grobe Veränderungen der Chromosomenstruktur sicher nachweisbar, sehr kleine Chromosomenaberrationen (z.B. Mikrodeletionen) können damit jedoch nicht erkannt werden. Die Auflösung der Bänderungtechnik ist auf ca. 10 Mb begrenzt. Im Zweifel können molekularzytogenetische Untersuchungen wie z.B. die Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung (FISH) besseren Aufschluss geben.

Beide Techniken, klassische und molekulare, ergänzen sich und ermöglichen gemeinsam die moderne klinische Zytogenetik.

6. Auswertung

6.1. Normaler zytogenetischer Befund

Beispiele für normalen Karyotyp:

  • Mann: 46,XY
  • Frau: 46,XX

6.2. Numerische Chromosomenaberration

Numerische Abberationen zeigen sich durch fehlende oder zusätzliche Chromosomen oder durch eine unvollständige chromosomale Segregation. Beispiele für pathologische Karyotypen infolge einer Chromosomenaberration sind:

6.3. Strukturelle Chromosomenaberration

Strukturelle Abberationen haben ihren Ursprung normalerweise in einem fehlerhaften Crossover (Brüche an einem oder mehreren Chromosomen). Man unterscheidet balancierte und unbalancierte Aberrationen:

  • Balancierte Strukturaberrationen: Kein Verlust oder Zugewinn von Chromosomensegmenten. Da alle Chromosomen vorhanden und die Gene funktionsfähig sind (nur an falscher Stelle), sind die Auswirkungen auf das Individuum oft gering. Bei der Vererbung können Segmente jedoch verloren gehen oder doppelt weitergegeben werden.
  • Unbalancierte Strukturaberrationen: Verlust oder Zugewinn von Chromosomensegmenten. Hier bestehen meist klinische Auffälligkeiten.

Beispiele für pathologische Karyotypen infolge von strukturellen Aberrationen sind:

  • Deletion: 46,XX,del(4)(p16)
  • Reziproke balancierte Translokation mit maternalem Ursprung: 46,XX,t(4;8)(p16;p23)mat
  • Unbalancierte Translokation mit paternalem Ursprung: 46,XY,der(8)t(4;8)(p16;p23)pat
  • Balancierte Robertson-Translokation 14/21: 45,XX,rob(14;21)(q10;q10)
  • Unbalancierte Robertson-Translokation 14/21: 46,XY,rob(14;21)(q10;q10),+21
  • Perizentrische Inversion: 46,XX,inv(4)(p14q21)

7. Befundnomenklatur

Kürzel Erklärung
del Deletion (Fehlen)
de novo eine nicht vererbte Chromosomenabweichung
der Derivat (Chromosomenveränderung, ungeklärt)
dic Dizentrisches Chromosom
dup Duplikation (Verdopplung)
fra fragile (=brüchige) Stelle
idic Isodizentrisches Chromosom
ins Insertion (Einfügung)
inv Inversion (Verdrehung)
i oder iso Isochromosom (aus zwei gleichen kurzen oder langen Armen bestehend)
mar Markerchromosom
mat maternaler (mütterlicher) Ursprung
Minus (-) Verlust
mos Mosaik
p kurzer Arm des Chromosoms
pat paternaler (väterlicher) Ursprung
Plus (+) Zusatz
q langer Arm des Chromosoms
r Ringchromosom
rcp Reziprok (gegenseitige Vertauschung)
rea Rearrangement (Neuanordnung)
rec Rekombination
rob Robertson-Translokation (Verschmelzung im Zentromerbereich)
t Translokation (Fehlanordnung)
tel Telomer (Ende des Chromosomenarms)
ter Terminales Ende des Chromosoms
upd Uniparentale (d.h. von 1 Elternteil) Disomie
? Unsicher

8. Literatur

  • Laborlexikon.de, abgerufen am 24.02.2021
Stichworte: Analyse, Chromosom, Gen
Fachgebiete: Genetik, Gentechnik

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