Fruchtwasser
Synonym: Amnionflüssigkeit, Liquor amnii
Englisch: amniotic fluid
Definition
Das Fruchtwasser ist eine Körperflüssigkeit, die den Embryo bzw. Fetus in seiner Fruchtblase (Amnionhöhle) umgibt. Es ermöglicht ihm, Bewegungen auszuführen und schützt ihn gleichzeitig vor Stößen und Temperaturschwankungen.
Embryologie
Im Rahmen der Frühentwicklung bilden sich parallel die Amnionhöhle (Fruchtblase) und die Chorionhöhle (extraembryonales Zoelom, spielt eine Rolle bei der Plazentaentwicklung).
Mit Beginn der Fetalperiode (ab dem 3. Monat) kommt es zu einer Verschmelzung von Amnion und Chorion. Die Chorionhöhle obliteriert dabei zugunsten der Amnionhöhle, welche zukünftig den Fetus als Fruchtblase umgibt. Das Fruchtwasser wird dabei primär vom Amnionepithel gebildet, welches die Fruchtblase auskleidet.
Zusammensetzung
Das Fruchtwasser setzt sich aus mütterlichen und kindlichen Anteilen zusammen. Während der mütterliche Teil aus dem maternalen Blut über die Plazenta kommt (per hydrostatischer und osmotischer Austauschvorgänge), gibt der Fetus Flüssigkeit über die Haut, die Lunge, die Nieren und die Nabelschnur ab.
Folgende Bestandteile lassen sich im Fruchtwasser nachweisen:
Der pH-Wert des Fruchtwassers liegt zwischen 7 und 7,5.
Funktion
Das Fruchtwasser dient als Schutz vor Beschleunigungskräften (z.B. beim Sturz der Mutter) sowie vor direkter Krafteinwirkung auf den Bauch der Mutter. Es ermöglicht dem Fetus in den ersten beiden Trimestern weitgehend schwerelose Bewegungen, da sein Körpergewicht teilweise durch den Auftrieb kompensiert wird. Dieser Zustand ist für die ungestörte Entwicklung des Bewegungsapparats wichtig.
Durch das Verschlucken des Fruchtwassers in späteren Entwicklungsstadien triggert das Fruchtwasser die Urin- und Mekoniumproduktion.
In der Eröffnungsphase der Geburt, dient die ungeöffnete Fruchtblase als hydrostatischer Keil, der die Öffnung des Muttermunds unterstützt.
Fruchtwassermenge
Bereits ab der 10. Schwangerschaftswoche schwimmt der Embryo in etwa 30 ml Fruchtwasser. In der 20. Schwangerschaftswoche hat sich das Volumen auf ca. 400 ml vervielfältigt und bis zur 36. Schwangerschaftswoche befinden sich 1.000 bis maximal 2.000 ml in der Fruchtblase. Danach kommt es, besonders bei Überschreitung des Geburtstermins, zur Abnahme der Fruchtwassermenge auf ungefähr 800 ml.
Die Fruchtwassermenge wird sonografisch mit Hilfe des so genannten Fruchtwasserindex (AFI) dokumentiert. Dazu wird der Bauch der Schwangeren in vier Quadranten aufgeteilt und in jedem Quadranten das größte Fruchtwasserdepot in cm gemessen.
Flüssigkeitsaustausch
Ab dem 5. Schwangerschaftsmonat trinkt der Fetus ca. 400 ml Fruchtwasser täglich. Dieser Verlust muss wieder ersetzt werden. Die Bildung steht im Normalfall mit der Resorption in ständigem Gleichgewicht. Über den kindlichen Darm wird die aufgenommene Flüssigkeit resorbiert und gelangt über die Plazenta in den mütterlichen Blutkreislauf. Nachdem auch die Nieren des Embryos ihre Funktion aufgenommen haben wird das geschluckte Fruchtwasser auch über die Harnwege als wenig konzentrierter Urin wieder ausgeschieden.
Die Lunge des Embryos ist ebenfalls am Fruchtwasseraustausch beteiligt. Sie ist im Fetalleben nicht kollabiert, sondern mit Alveolarsekret gefüllt. In der 12. Schwangerschaftswoche treten die ersten Atembewegungen auf. Die von den fetalen Lungen produzierte Alveolarflüssigkeit wird dadurch in das Fruchtwasser abgegeben. Dieses Sekret ist Bestandteil des Fruchtwassers und ist für eine reguläre Lungenentwicklung erforderlich.
Durch die oben genannten Austauschmechanismen wird etwa alle 3 Stunden das Fruchtwasser erneuert.
Klinik
Diagnostik
Besonders die abgeschilferten Epithelzellen des Kindes können von diagnostischer Bedeutung sein. Werden sie durch eine Amniozentese (Fruchtwasserpunktion) gewonnen, können mit einer darauf folgenden Fruchtwasseruntersuchung Aussagen über mögliche genetische Defekte, wie u.a. Trisomie 21 gemacht werden. Auch das Geschlecht kann über diese pränatale Diagnostik sicher bestimmt werden. Die Fruchtwasseruntersuchung wird als Primärmethode zunehmend durch nicht-invasive Pränataltests (NIPT) verdrängt und dient heute (2020) vor allem als Bestätigungsuntersuchung bei positivem NIPT.
Da der pH-Wert des Fruchtwassers deutlich höher liegt als der des Vaginalsekrets, lässt sich durch einen Lackmustest orientierend ein vorzeitiger Blasensprung feststellen. Spezifischer ist der Nachweis des Markerproteins IGFBP-1 im Vaginalsekret.
Erkrankungen
Bei den genannten, komplizierten Austauschvorgängen zur Aufrechterhaltung der Fruchtwassermenge, kann es durch Erkrankungen der Mutter, oder aber Fehlbildungen des Kindes zu folgenden Pathologien kommen:
Ein Oilgohydramnion kann u.a. Gesichts- und Schädelfehlbildungen sowie Fußdeformitäten und/oder eine Lungenhypoplasie hervorrufen.
Wenn eine größere Menge Fruchtwasser in den mütterlichen Kreislauf übertritt, tritt eine Fruchtwasserembolie auf. Gelangt während des Geburtsvorgangs Fruchtwasser in die Lunge des Neugeborenen, spricht man von einer Fruchtwasseraspiration.
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