Fruchtwasserembolie
Synonym: Amnioninfusionssyndrom
Englisch: amniotic fluid embolism
Definition
Unter Fruchtwasserembolie versteht man das Einschwemmen von Fruchtwasser in den mütterlichen Blutkreislauf und die daraus resultierende Verlegung (Embolie) der Lungengefäße.
ICD-10-Code: O88.1
Epidemiologie
Die Fruchtwasserembolie ist eine sehr seltene, aber schwerwiegende geburtshilfliche Komplikation, die mit einer hohen mütterlichen Letalität (25-80%) verbunden ist. Die Häufigkeit liegt zwischen 1:6.000 und 1:80.000.
Ätiologie und Pathogenese
Alle Erkrankungen oder Situationen, die eine erhöhte Wehentätigkeit mit sich bringen, führen zu einem erhöhten Risiko für eine Fruchtwasserembolie. Das Fruchtwasser kann über ein eröffnetes plazentares Implantantionsbett, bei Verletzungen des uterinen Venengeflechts oder durch einen endozervikalen Riss, in den mütterlichen Kreislauf gelangen. Prädisponierend für eine Fruchtwasserembolie sind:
- Blasensprung
- Sectio
- Uterusruptur
- hoher Zervixriss
- vorzeitige Ablösung der Plazenta
- intrauteriner Fruchttod
- Verletzung des uterinen Venengeflechtes
Nach den Ergebnissen einer Kohortenstudie ist auch die medikamentöse Einleitung der Geburt durch Anwendung von Kontraktionsmitteln ein wichtiger Risikofaktor.[1]
Pathophysiologie
Im Verlauf der Fruchtwasserembolie lassen sich zwei unterschiedliche Phasen gegeneinander abgrenzen.
Erste Phase
In der ersten Phase wird die arterielle, pulmonale Strombahn der Mutter durch die korpuskulären Bestandteile des Fruchtwassers verlegt. Daraufhin kommt es zur Vasokonstriktion und nachfolgend zur pulmonalen Hypertonie bis hin zum Cor pulmonale. Die Obstruktion der Pulmonalgefäße führt zur Abnahme des linksventrikulären Füllungsdruckes und des Herzminutenvolumens, wodurch ein kardiogener Schock entsteht. Die Ausprägung des Krankheitsgeschehens korreliert mit der Menge der embolisierten korpuskulären Bestandteile. Etwa 25% der betroffenen Frauen versterben innerhalb der ersten Stunde.
Zweite Phase
Die zweite Phase entwickelt sich bei etwa 50% der Patientinnen nach etwa 0,5 - 3 Stunden: durch den relativ hohen Gewebsthromboplastingehalt des Fruchtwassers in Verbindung mit dem kardiogenen Schock, der ebenfalls zu einer Gerinnungsaktivierung führt, kommt es zur disseminierten intravasalen Gerinnung (DIC) mit reaktiver Hyperfibrinolyse und Verbrauchskoagulopathie. Leberversagen, Nierenversagen, Koma und Krämpfe sind die Folgen der Hypoxie und des kardiopulmonalen Kollaps.
Symptomatik
Plötzlich während und kurz nach der Geburt auftretende Dyspnoe, Zyanose, Angst, Unruhe (Agitiertheit), Verwirrtheit, Bewusstseinsverlust und Krämpfe sind typische Anzeichen der ersten Phase der Fruchtwasserembolie. Auch Schüttelfrost und Erbrechen können in der Prodromalphase bestehen. In schweren Verläufen entwickelt sich rasch ein Atem- und Kreislaufstillstand. Aufgrund der generalisierten hämorrhagischen Diathese bei Verbrauchskoagulopathie spielt dabei die atonische Nachblutung eine große Rolle.
Diagnostik
Die typische Klinik mit plötzlich einsetzender Dyspnoe und Schockzeichen, führt zur Verdachtsdiagnose. Im Labor finden sich mit der Thrombozytopenie, dem Mangel an Fibrinogen, der verminderten Prothrombinzeit, der verlängerten partiellen Thromboplastinzeit und dem positiven Nachweis von D-Dimeren, deutliche Anzeichen der Verbrauchskoagulopathie. Der Nachweis von Amnionzellen in den pulmonalen Gefäßen, ist beweisend für die Fruchtwasserembolie.
Therapie
Bereits bei bestehendem Verdacht einer Fruchtwasserembolie unter der Geburt muss die Stabilisierung und Oxygenierung der Mutter im Vordergrund stehen. In der Regel ist ein Intubation notwendig. Durch die Applikation von Fresh Frozen Plasma und Frischblut bzw. Fibrinogen, kann die Gerinnungsstörung behandelt werden. Die Geburt sollte, wenn möglich, auf vaginalem Wege beendet werden.
Quellen
- ↑ Kramer, MS; Rouleau J, Baskett TF et al.(2006)."Amniotic-fluid embolism and medical induction of labour: a retrospective, population-based cohort study.". Lancet368(9545): 1444-1448.