Imprinting
Synonym: genomische Prägung
Englisch: genomic imprinting
Definition
Imprinting ist ein epigenetischer Mechanismus, der auf DNA-Methylierungen und Histonmodifikationen beruht. Dabei wird bei bestimmten Genen das Allel eines Elternteils inaktiviert ("Gen-Silencing"), sodass nur das Allel des anderen Elternteils exprimiert wird. Da das Imprinting vererbt wird und die Genexpression vom elterlichen Ursprung abhängt, setzt dies die Mendelschen Regeln außer Kraft.
Hintergrund
Durch Imprinting ist eines der zwei elterlichen Allele des imprinteten Gens inaktiv und das andere aktiv. Bei Säugetieren scheint ein Imprinting vor allem bei Genen vorzukommen, die im Gehirn oder in der Plazenta exprimiert werden. Es kann alle somatischen Zellen eines Individuums oder nur einzelne Gewebetypen betreffen.
Die Expression imprinteter Gene ist für die normale Entwicklung eines Organismus sehr wichtig, da nur eine lesefähige Kopie des jeweiligen Gens vorliegt.
Einteilung
Man unterscheidet zwischen dem klassischen (kanonischen) Imprinting und dem nicht-kanonischen Imprinting.
Kanonisches Imprinting
In den frühen Keimzellen wird das elterliche Methylierungsmuster gelöscht und neu etabliert – die epigenetische Kodierung ist daher reversibel. Die DNA-Abschnitte, die von den Änderungen betroffen sind, werden auch als differentiell methylierte Regionen (DMRs) bezeichnet.
Beim kanonischen Imprinting liegt in der DNA eine sogenannte Imprinting-Kontrollregion (ICR). Diese enthält mindestens ein DMR und steuert ein – häufiger mehrere – proximal liegende Gene. Gene, die einem kanonischen Imprinting unterliegen, bilden meist Gencluster.
Kanonisches Imprinting kann alle somatischen Zellen eines Organismus oder auch nur einzelne Gewebe betreffen, wie z.B. das Ubiquitin-Protein-E3A-Ligase-Gen (UBE3A). Diese wird überwiegend biallelisch exprimiert. Allerdings unterliegt UBE3A in den Neuronen des zentralen Nervensystems einem Imprinting.
Nicht-kanonisches Imprinting
Eine bisher (2025) noch unbekannte Anzahl von Genen unterliegt einem sogenannten nicht-kanonischen Imprinting. Dieses wird durch Histonmodifikation vermittelt und beschränkt sich nach heutigem Wissen auf embryonales und extraembryonales Gewebe.
| Merkmal | kanonisches Imprinting | nicht-kanonisches Imprinting |
|---|---|---|
| Etablierung des Imprintings | DNA-Methylierung in der ICR | Histonmodifikationen (H3K27me3, H2AK119ub) |
| Beteiligte Proteine | ||
| Aufrechterhaltung des Imprintings | Erhalt der DNA-Methylierung durch ZFP57 und/oder ZNF445 | H3K27me3 wird durch monoallelische DNA-Methylierung ersetzt |
| Regulatorische Faktoren |
| |
| Zeitpunkt | Während der Oogenese und Spermatogenese | Während der Oogenese |
| Lokalisation | In verschiedenen Gewebetypen, insbesondere im Nerven- und Plazentagewebe | Vor allem Im embryonalen und extraembryonalen Gewebe |
| Konservierungsgrad zwischen Spezies | Hoch | Niedrig |
| Klinische Folgen bei Störungen | Vor allem Plazentadefekte in Tierversuchen (z.B. bei Mäusen) |
Vorkommen
Imprinting kommt bei höheren Säugetieren (Eutheria) und im geringeren Maße auch bei Metatheria vor, sowie bei höheren Pflanzen (Angiospermen).
Entstehungstheorien
Es existieren verschiedene Theorien zur Erklärung von Imprinting, von denen derzeit (2025) vor allem drei besonders diskutiert werden:
- die Kinship-Theorie, bzw. Parental-Conflict-Theorie
- die Co-Adaptationstheorie und
- die Ovarian-Time-Bomb-Hypothese.
Bisher kann jedoch keine dieser Ansätze alle Aspekte des Imprintings vollständig erklären. Darüber hinaus werden auch der Gendosiseffekt und die Verhinderung einer Parthenogenese als mögliche Erklärungen in Betracht gezogen.
Klinik
Im menschlichen Genom sind derzeit (2025) etwa 150 Gene bekannt, die einem kanonischen Imprinting unterliegen. Die korrekte Expression dieser imprintierten Gene ist für die normale Entwicklung eines Organismus von zentraler Bedeutung. Embryonen mit ausschließlich maternaler (Gynogenoten) oder paternaler (Androgenoten) genetischer Herkunft sind in der Regel nicht überlebensfähig und weisen charakteristische, meist komplementäre Entwicklungsstörungen auf.
Verschiedene genetische Erkrankungen, sogenannte Imprintingerkrankungen, beruhen auf einer fehlerhaften Inaktivierung bestimmter Gene. Zu den bekanntesten zählen das Beckwith-Wiedemann-Syndrom, das Silver-Russell-Syndrom, das Angelman-Syndrom und das Prader-Willi-Syndrom.
Darüber hinaus werden Imrintingstörungen auch mit Krebs, neurologischen Störungen und plazentaren Störungen in Verbindung gebracht.
Beispiele
Beim Angelman- und Prader-Willi-Syndrom ist in beiden Fällen der lange Arm von Chromosom 15 betroffen (15q11-q13). Durch Imprinting sind manche Gene dieses Chromosoms nur auf dem mütterlichen Chromosom und andere Gene nur auf dem väterlichen Chromosom aktiv.
Beim Angelman-Syndrom fehlt die Expression der Gene des mütterlichen Chromosoms 15 (genauer gesagt im Bereich 15q11-q13). Die Ursache ist entweder eine Mikrodeletion im mütterlichen Chromosom 15 oder durch eine Fehlverteilung eine uniparentale Disomie von Seiten des Vaters, sprich beide Kopien von Chromosom 15 stammen vom Vater. In der Folge fehlt die Expression wichtiger Gene des mütterlichen Chromosoms, was zur Erkrankung führt.
Beim Prader-Willi-Syndrom ist die Situation umgekehrt: Hier fehlt die Expression der väterlichen Gene von Chromosom 15q11-q13. Ursache ist entweder eine Mikrodeletion im väterlichen Chromosom 15 oder eine uniparentale Disomie der Mutter (beide Kopien von Chromosom 15 kommen von der Mutter).
Literatur
- Weaver und Bartolomei. Chromatin Regulators of Genomic Imprinting. Biochem Biophys Acta. 1839(3):169-177. 2013
- Hanna und Kelsey. Genomic imprinting beyond DNA methylation: a role for maternal histones. Genome Biology. 18:177. 2017
- Schuff et al. Imprinting as Basis for Complex Evolutionary Novelties in Eutherians. Biology (Basel). 13(9):682. 2024