Zervikogener Kopfschmerz
Synonym: Kopfschmerz vom zervikogenen Typ
Englisch: cervicogenic headache
Definition
Der zervikogene Kopfschmerz, kurz CEK, ist ein sekundäres Kopfschmerzsyndrom, das zur Chronifizierung neigt. Es handelt sich um einen übertragenen Schmerz, der durch die Konvergenz von Afferenzen aus dem Halsbereich mit anderen Nerven (v.a. Nervus trigeminus) ausgelöst wird.
Hintergrund
In der Praxis ist die Diagnostik des zervikogenen Kopfschmerzes häufig schwierig, insbesondere die Abgrenzung zu verschiedenen primären Kopfschmerzarten.
Das Syndrom wurde 1983 offiziell etabliert. Vorher bekamen Betroffene meist die Diagnose "zervikale Migräne". 1990 entwickelte die Cervicogenic Headache International Study Group (CHISG) Diagnosekriterien, die bei der Abgrenzung von Migräne, Spannungskopfschmerz und trigemino-autonomen Kopfschmerzen helfen sollen.
Epidemiologie
Die Angaben zur Prävalenz des zervikogenen Kopfschmerzes variieren stark und reichen von 0,17 bis 4,1 %. Die Geschlechterverteilung ist ebenfalls unklar. Teils wird ein Überwiegen von Männern berichtet, in den Kriterien der CHISG wird dagegen eine erhöhte Prävalenz bei Frauen angenommen. Das Erkrankungsalter liegt eher im jungen bis mittleren Erwachsenenalter.
Pathophysiologie
Zervikogener Kopfschmerz ist ein übertragener Schmerz, der durch die Konvergenz der Afferenzen der Spinalnerven C1–C3 und des Nervus trigeminus im spinalen Trigeminuskern zustande kommt. Konvergieren die Afferenzen aus den peripheren Nerven mit anderen zervikalen Nerven, ist der Schmerz aurikulär oder okzipital lokalisiert. Konvergieren die Afferenzen mit dem Nervus trigeminus, manifestieren sich die Schmerzen orbital, frontal oder temporoparietal. Die häufigste Ursache liegt im Facettengelenk zwischen dem 2. und 3. Halswirbelkörper, jedoch können prinzipiell Läsionen aller anderen Strukturen (z.B. Muskeln, Sehnen oder Gefäße) im Innervationsgebiet von C1-C3 die genannten Beschwerden verursachen.
Die Rolle der unteren HWS bleibt umstritten, obwohl indirekte Mechanismen, wie durch Fehlhaltungen hervorgerufene Schmerzen, denkbar sind.
Symptome
Die Patienten leiden unter einem streng einseitig auftretenden Kopfschmerz von moderater bis starker Intensität. Im Gegensatz zur Migräne wird die Schmerzqualität i.d.R. nicht als pochend oder stechend beschrieben. Die Dauer einer Episode schwankt zwischen Stunden und Wochen. Zu Beginn tritt der Schmerz häufig in Episoden auf, neigt jedoch im Verlauf zur Chronifizierung. Prinzipiell schließen auch beidseitige Kopfschmerzen einen zervikogenen Kopfschmerz nicht aus, sofern bilateral auslösende Pathologien zu finden sind.
Die Einseitigkeit der Kopfschmerzen kann bei der Abgrenzung von einer Migräne helfen, die typischerweise die Seiten wechselt.
Neben den Kopfschmerzen sind folgende Zeichen möglich:
- eingeschränkte Beweglichkeit der HWS
- der Kopfschmerz kann durch manuellen Druck auf Nackenmuskulatur oder durch bestimmte Kopfbewegungen ausgelöst werden
- ipsilaterale Schulter- und Armschmerzen
- Begleitsymptome wie Übelkeit, Erbrechen, Photophobie, Phonophobie
- autonome Symptome wie Lidödem, Verschwommensehen oder Schluckstörungen (nur nach CHISG-Klassifikation)
Diagnostik
Zur Diagnostik des CEK gibt es sowohl Kriterien der CHISG als auch der International Headache Society (IHS), jedoch ist im klinischen Alltag umstritten, welche Klassifikation angewendet werden sollte.
Zu den diagnostischen Methoden gehören die Palpation von Triggerpunkten, die klinische Untersuchung der HWS, der kraniozervikaler Flexionstest und der Flexions-Rotations-Test, welcher besonders für zervikogene Kopfschmerzen validiert ist. Ggf. kann eine auslösende Läsion mittels bildgebenden Verfahren dargestellt werden.
Kriterien der IHS
A | Kopfschmerz, der das Kriterium C erfüllt |
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B | Vorliegen einer Erkrankung oder Läsion von Strukturen, die sensibel von den Zervikalnerven C1 bis C3 innerviert werden und Kopfschmerzen verursachen, bzw. der radiologische Nachweise einer Läsion in dem Bereich |
C | Vorliegen eines kausalen Zusammenhangs bei Vorliegen von 2 der folgenden Kriterien:
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Therapie
Konservative nichtmedikamentöse Therapie
Behandlungsstrategien umfassen manuelle Therapie, aktives Training der Nackenmuskulatur und Formen der Akupunktur. Zudem spielt die Patientenedukation bezüglich des Krankheitsmechanismus und möglichen selbstständig durchführbaren Interventionen eine wichtige Rolle.
Medikamentöse und invasive Therapie
Zu den medikamentösen Therapieoptionen zählen übliche Schmerzmittel (NSAR oder Metamizol) und Pregabalin. Zudem kann durch eine Blockade der betroffenen peripheren Nerven oder Strukturen eine vorübergehende Besserung erzielt werden.
Invasive Methoden, wie eine Radiofrequenz-Neurotomie oder chirurgische Eingriffe, sind erst nach umfassender Diagnosesicherung und Ausschöpfung aller anderen Maßnahmen zu erwägen.
Quellen
- springermedizin.de - Zervikogener Kopfschmerz, zuletzt abgerufen am 20.02.2024
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