Postspinaler Kopfschmerz
Synonyme: Postpunktioneller oder postduraler Kopfschmerz
Englisch: postspinal headache
Definition
Unter den postspinalen Kopfschmerzen versteht man Kopfschmerzen, die nach einer Punktion des äußeren Liquorraumes (z.B. im Rahmen einer Spinalanästhesie oder zur Liquorentnahme) auftreten.
- ICD10-Code: G97.1 - Sonstige Reaktion auf Spinal- und Lumbalpunktion
Epidemiologie
Etwa zwei Prozent der Patienten mit Spinalanästhesie entwickeln postspinale Kopfschmerzen. Wird bei einer Periduralanästhesie unabsichtlich die Dura mater perforiert, liegt die Wahrscheinlichkeit für einen postspinalen Kopfschmerz bei etwa 50 %.
Ältere Patienten sind seltener betroffen als jüngere Patienten und Männer seltener als Frauen.
Ätiopathogenese
Es existieren verschiedene Theorien zur Pathogenese der postspinalen Kopfschmerzen.
Es wird vermutet, dass der bei der Punktion erlittene Liquorverlust zu einer kompensatorischen Dilatation der Gefäße im Gehirn mit Gefäßdehnungsschmerz führt, der vom Patient als Kopfschmerz wahrgenommen wird.
Auch die Irritation der Dura mater wird als Auslöser für die postspinalen Kopfschmerzen diskutiert.
Generell konnte festgestellt werden, dass die Verwendung von dünnen Kanülen (G25 oder G27) das Risiko für postspinale Kopfschmerzen reduziert. Da bei der Periduralanästhesie sehr dicke Kanülen (G17) verwendet werden, ist das Risiko bei akzidenteller Perforation der Dura mater deutlich erhöht.
Auch der Schliff der Nadel scheint einen Einfluss zu haben, denn bei konischer Spitze werden seltener postspinale Kopfschmerzen beobachtet.
Klinik
Postspinale Kopfschmerzen treten in der Regel am zweiten Tag nach der Punktion des Liquorraumes im Okzipitalbereich des Kopfes auf. Seltener wird über frontale oder diffuse Kopfschmerzen geklagt. Die Kopfschmerzen treten typischerweise auf, wenn der Patient steht oder sitzt. Durch ein Hinlegen nimmt die Intensität der Schmerzen deutlich ab. Zusätzlich kann eine Hörminderung auftreten, die vornehmlich die tiefen Töne betrifft und überwiegend reversibel ist (z.B. im Rahmen eines Liquorverlust-Syndroms).
Differenzialdiagnose
Differenzialdiagnostisch sollte an andere Kopfschmerzursachen gedacht werden. Dazu gehört z.B. eine durch die Punktion verursachte Infektion, die unter anderem mit einer Erhöhung der Entzündungsparameter und einem Meningismus einhergeht. Weiterhin sind Blutungen im Bereich des Gehirns auszuschließen, die häufig zu weiteren neurologischen Symptomen führen. Je nach Alter können natürlich z.B. auch eine hypertensive Krise, ein Glaukomanfall oder eine Sinusitis Ursache von Kopfschmerzen sein.
Diagnostik
Anamnese mit Zustand nach Punktion des äußeren Liquorraumes und die Klinik weisen in der Regel auf die Diagnose hin. Wenn eine andere Ursache der Kopfschmerzen nicht ausgeschlossen werden kann und weitere Symptome (z.B. neurologische Ausfälle) bestehen, sollte eine entsprechende weitergehende Diagnostik erfolgen.
Therapie
Konservative Therapie
Die betroffenen Patienten sollten flach im Bett liegen und viel trinken. Zur Linderung der Schmerzen werden ASS, Paracetamol, Metamizol oder Diclofenac gegeben. Sind die Schmerzen mit den o.a. Analgetika nicht beherrschbar, ist auch der Einsatz von Opioiden möglich. Besteht zusätzlich Nausea können Antiemetika sinnvoll sein.
Theophyllin-Kurzifusionen sind ein sinnvoller pharmakologischer Therapieversuch[1]. Diese Empfehlung wird kontrovers diskutiert, zudem können als Nebenwirkungen (u.a. Herzrhythmusstörungen) auftreten. Das Gleiche gilt für Sumatriptan, ACTH oder Desmopressin. Koffein kann ggf. zu einer Linderung der Kopfschmerzen beitragen.
Invasive Therapie
Bei schwerem postspinalem Kopfschmerz (Liquorverlust-Syndrom) und Versagen konservativer Maßnahmen sind invasive Verfahren indiziert. Dazu zählt in erster Linie der epidurale Blutpatch (EBP).
Prognose
Die Prognose der postspinalen Kopfschmerzen ist in den meisten Fällen gut. In der Regel sind nach wenigen Tagen keine Beschwerden mehr vorhanden.
Podcast
Quellen
- ↑ Der Kopfschmerz, Hartmut Goebel, Springer, ISBN-13 978-3540030805
Bildquelle
- Bildquelle Podcast: © Midjourney