Spinalanästhesie
Synonym: Lumbalanästhesie, SPA
Definition
Die Spinalanästhesie ist eine Form der Regionalanästhesie, bei der ausgewählte Segmente im kaudalen Teil des Rückenmarks anästhesiert werden. Sie zählt zur Gruppe der zentralen Leitungsanästhesien.
Wirkung
Die Spinalanästhesie bewirkt eine passagere und reversible Funktionshemmung der betroffenen Nerven. Sie führt dabei zu folgenden Effekten:
- Sympathikolyse
- Analgesie (Schmerzfreiheit)
- Anästhesie (Empfindungslosigkeit)
- Paralyse (Hemmung der Motorik)
Technik
Bei der Spinalanästhesie penetriert die Spinalkanüle im Gegensatz zur Periduralanästhesie die Dura mater (harte Hirnhaut) und dringt in den Liquorraum des Rückenmarks ein. Das Lokalanästhetikum, meist Bupivacain, kann sich dadurch im Liquor cerebrospinalis frei ausbreiten und betäubt das Rückenmark und die aus ihm abgehenden Nervenfasern im Spinalkanal.
Wie bei der diagnostischen Lumbalpunktion erfolgt die Punktion zwischen dem 3. und 4. oder dem 4. und 5. Lendenwirbeldornfortsatz. Um das Rückenmark nicht zu gefährden, sollte der Subarachnoidalraum beim Erwachsenen oberhalb von LWK 2/3 nicht punktiert werden.
Die Spinalanästhesie wird unter sterilen Bedingungen durchgeführt. Die Punktion erfolgt meist im Sitzen, ist aber prinzipiell auch in Seitenlage möglich (z.B. bei gewünschter einseitiger Spinalanästhesie). Um das Risiko postpunktioneller Kopfschmerzen zu reduzieren, wird vielerorts eine Sprotte-Kanüle zur Punktion verwendet.
Um die richtige Lage der Injektionsnadel zu überprüfen, wird etwas Liquor aspiriert, bevor das Lokalanästhetikum injiziert wird. Außerdem deutet ein Wärmegefühl (Vasodilatation durch Sympathikolyse) direkt nach der Injektion auf die korrekte Lage hin.
Lokalanästhetikum
Für die Spinalanästhesie können verschiedene Lokalanästhetika angewendet werden. Am gebräuchlichsten ist Bupivacain (z.B. Carbostesin® 0,5 %) für länger dauernde Eingriffe und Prilocain (z.B. Takipril® 2 %) für kürzere Eingriffe. Zum Teil wird (insbesondere in der Geburtshilfe) zusätzlich Sufentanil als Opioid intrathekal verabreicht, um die benötigte Menge des Lokalanästhetikums und dessen Nebenwirkungen zu reduzieren. Die Lokalanästhetika zur Spinalanästhesie liegen in isobarer oder hyperbarer Form vor.
Isobare Lokalanästhetika
Isobare Lokalanästhetika sollen dem spezifischen Gewicht des Liquors entsprechen (ca. 1,005 g/ml), sodass die Lagerung des Patienten nach der Injektion keine Auswirkung auf die Ausbreitung des Anästhetikums hat. Die Herstellerangaben beziehen sich aber meist auf die Eigenschaften unter Raumtemperatur. Nach der Injektion sind isobare Lokalanästhetika in der wärmeren Umgebung der Körpertemperatur daher meist leicht hypobar, d.h. sie "steigen auf". Bleibt der Patient nach der Punktion also noch einige Zeit sitzen, kann sich die Höhe der Spinalanästhesie etwas weiter nach oben ausbreiten.
Hyperbare Lokalanästhetika
Hyperbare Lokalanästhetika sind durch den Zusatz von Glukose etwas schwerer als Liquor. Nach der Injektion steigen sie daher ab. Dieser Effekt kann auf verschiedene Arten genutzt werden:
- Seitenlage: überwiegende Ausbreitung der Anästhesie auf die unten liegende Körperseite (sog. einseitige Spinalanästhesie). Die Lagerung erfolgt nach der Punktion. Alternativ kann auch in Seitenlage punktiert werden.
- Sattelblock: Injektion einer geringen Menge hyperbaren Lokalanästhetikums. Anschließend bleibt der Patient für einige Minuten sitzen, sodass sich die Wirkung auf den Anal-, Damm- und Genitalbereich sowie die Oberschenkelinnenseite beschränkt.
- bei "zu niedriger" Spinalanästhesie kann die Ausbreitungshöhe für kurze Zeit nach der Injektion vergrößert werden, indem der Patient in die Trendelenburg-Lagerung verbracht wird
HowTo-Video
Indikation
Die Spinalanästhesie wird vor allem bei chirurgischen Eingriffen an der unteren Körperhälfte eingesetzt, z.B. bei:
- Sectio caesarea (Kaiserschnitt)
- Hüftgelenksoperation
- Laparoskopie
- Operation einer Leistenhernie
Bei diesen Eingriffen kann die Spinalanästhesie die Narkose ersetzen.
Komplikationen
Mögliche Komplikationen einer Spinalanästhesie sind:
- Blutdruckabfall
- Bradykardie bis hin zur Asystolie: Risikofaktoren sind u.a. eine Ausgangsherzfrequenz von < 60/min und die Einnahme von Betablockern
- Hirnnervenstörungen
- Kopfschmerzen
- Rückenmarksverletzungen
- spinales epidurales Hämatom
- Harnverhalt
Kontraindikationen
Als absolute Kontraindikationen der Spinalanästhesie gelten:
- Ablehnung der Methode durch den Patienten
- Infektionen bzw. Entzündungen an der Einstichstelle (z.B. Furunkel)
- Erhöhter intrakranieller Druck (Gefahr eines Einklemmungssyndroms)
- akutes neurologisches Defizit
- Notfallsituation in der Geburtshilfe (z.B. Plazentalösung, Asphyxie)
Weiterhin existieren folgende relative Kontraindikationen:
- Hypovolämie, Schock
- Sepsis
- Amnion-Infektionssyndrom
- Gerinnungsstörungen:
- PTT > 40 s, Quick < 60 %, Thrombozytenzahl < 100.000/µl
- niedermolekulares Heparin muss 12 Stunden, unfraktioniertes Heparin 4–6 Stunden vorher abgesetzt werden
- Wirbelsäulendeformität (erschwerte Punktion)
- Nervenausfallerscheinungen, z.B. bei Bandscheibenvorfall oder multipler Sklerose (aus forensischen Gründen)
- Wirbelsäulenmetastasen
- Herzvitien mit Rechts-Links-Shunt und pulmonaler Hypertonie sowie hochgradige Aorten- und Mitralstenose
Modifikationen
Die Spinalanästhesie kann mit einer Periduralanästhesie kombiniert werden. Man spricht dann von einer kombinierten Spinal- und Periduralanästhesie (CSE). Das Verfahren wird heute (2025) nur noch selten eingesetzt.
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DocCheck News: Von Wurstwasser und Rückenmarkspritzen
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