Reversibles zerebrales Vasokonstriktionssyndrom
Synonym: Call-Fleming-Syndrom
Englisch: reversible cerebral vasoconstriction syndrome, Call-Fleming syndrome
Definition
Das reversible zerebrale Vasokonstriktionssyndrom, kurz RCVS, ist durch einen über mehrere Wochen wiederholt auftretenden Vernichtungskopfschmerz gekennzeichnet. Er kann von fokalen neurologischen Zeichen und gelegentlich auch von Krampfanfällen begleitet sein. Die Symptomatik bildet sich in der Regel innerhalb von einigen Wochen vollständig zurück.
Epidemiologie
Die Inzidenz des RCVS ist unklar. Das Syndrom kann in jedem Lebensalter auftreten, auch in Kindheit und Adoleszenz, der Altersgipfel liegt jedoch zwischen 42 und 47 Jahren. Insgesamt sind überwiegend Frauen betroffen (1,8- bis 8-fach häufiger als Männer), bei pädiatrischen Fällen hingegen häufiger Jungen.[1]
Ätiologie
Die genauen Ursachen des Syndroms sind bislang (2024) unbekannt. Man geht von einem multifaktoriellen Geschehen aus, das entweder eine Vasokonstriktion oder Vasodilatation der Hirngefäße auslöst.
Etwa die Hälfte der Fälle lässt sich auf die Einnahme vasoaktiver Arzneistoffe oder Drogen zurückführen. Dazu zählen u.a.:
- selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI)
- Sympathomimetika (z.B. Pseudoephedrin, Ephedrin)
- Migränemittel (z.B. Triptane, Ergotamine)
- Amphetamine
- Kokain
Daneben tritt das RCVS häufiger nach Schwangerschaftskomplikationen (Präeklampsie, Eklampsie) oder im Rahmen der hormonellen Umstellungen im Wochenbett auf.
Seltenere Auslöser sind Operationen, Höhenaufenthalte, sexuelle Aktivitäten, körperliche Anstrengung, Schwimmen oder Husten.
Symptomatik
Das Kardinalsymptom des RCVS sind Kopfschmerzen. Sie äußern sich als plötzlich eintretender Vernichtungskopfschmerz ("thunderclap headache"). Er beginnt meist in der Okzipitalregion und breitet sich mit der Zeit diffus über den ganzen Kopf aus. Die Attacken treten über mehrere Wochen wiederholt auf und halten jeweils über Minuten bis Tage an. Zwischen den Episoden bleibt bei etwa der Hälfte der Patienten ein milderer Residualkopfschmerz bestehen.
In etwa 50 bis 60% der Fälle bleiben Kopfschmerzen das einzige Symptom. Bei den übrigen Patienten zeigen sich zusätzlich neurologische Symptome, u.a.:
- Sehstörungen, u.a. verschwommenes Sehen, Skotome, Quadrantenanopsie oder Hemianopsie
- Dysarthrie
- Aphasie
- Taubheitsgefühl
- Hemiplegie bzw. Hemiparese
- Krampfanfälle
Diese Symptome verschwinden im Gegensatz zu einem Schlaganfall innerhalb einiger Stunden.
Diagnose
Die diagnostischen Maßnahmen sind zunächst auf den Ausschluss von Differentialdiagnosen gerichtet, die ein akutes Eingreifen erfordern (s.u.). Sie umfassen neben der gründlichen neurologischen Untersuchung eine detaillierte Bildgebung mit CT und/oder MRT.
Die CT-Angiografie und MR-Angiografie zeigen beim RCVS in etwa 70% der Fälle eine diffuse reversible Vasokonstriktion der Hirngefäße, manchmal auch eine segmentale Vasokonstriktion. Alternativ ist eine kathetergestützte (konventionelle) Angiografie möglich. Zum Nachweis der RCVS können mehrere Untersuchungsgänge notwendig sein. Da andere Pathologien (z.B. eine Atherosklerose der Hirngefäße) sich ähnlich präsentieren, liefert erst die Auflösung der Vasokonstriktion nach etwa 12 Wochen einen definitiven Beleg.
Die transkranielle Dopplersonografie (TCD) eignet sich zum Nachweis von Vasospasmen größerer Hirngefäße.
Bei der Liquordiagnostik können vermehrte Leukozyten und ein erhöhter Proteingehalt als Zeichen einer Entzündung auffallen. Sie kann jedoch auch unauffällig sein.
Differenzialdiagnosen
Therapie
Bislang (2024) gibt es keine allgemein anerkannte Therapie der reversiblen zerebralen Vasokonstriktionssyndroms. Die Behandlung ist im Wesentlichen symptomatisch, und fokussiert sich auf eine adäquate Analgesie. Eventuelle verantwortliche Medikamente sollten abgesetzt oder umgestellt werden. Ferner sollten die Patienten Trigger wie Stress, sexuelle Aktivitäten und körperliche Anstrengungen vermeiden.
Die Gabe von Nimodipin, Verapamil oder anderen Kalziumantagonisten kann die Frequenz und Intensität der Kopfschmerzepisoden reduzieren. Bei hypertonen Blutdruckwerten ist eine Blutdrucknormalisierung ratsam.
Kommt es zu Krampfanfällen, ist die Gabe von Antikonvulsiva indiziert. Die Gabe von Glukokortikoiden scheint keinen Einfluss auf den Krankheitsverlauf zu haben.
Prognose
Die Prognose ist insgesamt günstig. Die Symptome verschwinden im Verlauf weniger Wochen. Bleibende neurologische Störungen treten nur in etwa 10 bis 20% der Fälle auf. Bei einem kleineren Teil der Patienten (ca. 5%) kann es zu einem Progress des RCVS in Richtung eines Schlaganfalls kommen, der in seltenen Fällen auch tödlich enden kann.
Quellen
- ↑ Erhart DK, Ludolph AC, Althaus K.: "RCVS: by clinicians for clinicians-a narrative review" Journal of Neurology, 2023.
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