Flunarizin
Handelsnamen: Sibelium®, Flunavert®
Englisch: flunaricine
Definition
Flunarizin ist ein Calciumkanalantagonist, der in der prophylaktischen Therapie der Migräne und zur symptomatischen Behandlung von vestibulärem Schwindel angewendet wird.
Geschichte
Die Entdeckung von Flunarizin gelang dem Pharmaunternehmen Janssen Pharmaceutica im Jahr 1967.
Chemie
Die aromatische Verbindung liegt sowohl in reinem Zustand, als auch in Form eines Hydrochlorids vor. In den aktuell erhältlichen Medikamenten ist die Hydrochloridform enthalten. Die chemische Summenformel von Flunarizin lautet:
- C26H26F2N2
Die Formel der Hydrochlorid-Variante lautet wie folgt:
- C26H26F2N2•2HCl
Der IUPAC-Name ist 1-[Bis(4-fluorphenyl)methyl]-4-[(2E)-3-phenylprop-2-en-1-yl]piperazin.
Bei Zimmertemperatur liegt das Medikament als Feststoff vor; sein Schmelzpunkt liegt bei rund 252 °C.
Wirkmechanismus
Der genaue Wirkmechanismus und die Rezeptorspezifität sind bisher (2025) nicht abschließend geklärt.[1] Flunarizin bewirkt durch Blockade der Calciumkanäle eine Verminderung bzw. Ausschaltung des Einstroms von Calcium-Ionen. Bei Muskelzellen wird der Einstrom von Calcium aus dem sarkoplasmatischen Retikulum in das Zytosol verhindert. An Herzmuskelzellen kommt es zur Blockade des Calciumeinstroms aus dem Extrazellulärraum.
Die Blockade der Calciumkanäle reduziert Vasokonstriktionen und wirkt so vermutlich Migräneanfällen prophylaktisch entgegen.[2]
Neben seiner blockierenden Wirkung auf die Calciumkanäle besitzt die Substanz außerdem eine antihistaminische, antikonvulsive und antiarrhytmische Wirkung. Ebenfalls bekannt ist Flunarizin für seinen hemmenden Effekt auf die saure Sphingomyelinase (FIASMA). Die klinische Relevanz dieser Effekte ist bisher (2025) nicht bekannt.[1]
Pharmakokinetik
Die maximalen Plasmakonzentrationen werden 2 bis 4 Stunden nach oraler Gabe erreicht. Die Plasmaspiegel von Flunarizin zeigen eine hohe Variabilität und erreichen nach 5 bis 6 Wochen einen steady-state. Das Verteilungsvolumen beträgt 43,2 l/kg. Die Plasmaproteinbindung liegt bei über 90 %. Flunarizin unterliegt einem hohen First-pass-Effekt. Die Eliminationshalbwertszeit liegt bei etwa 18 Tagen.
Indikationen
Gemäß Fachinformation ist Flunarizin indiziert:[1]
- zur Prophylaxe bei diagnostisch abgeklärter, einfacher und klassischer Migräne bei Patienten mit häufigen und schweren Migräneanfällen, wenn die Behandlung mit Beta-Rezeptorenblockern kontraindiziert ist oder keine ausreichende Wirkung gezeigt hat
- zur symptomatischen Behandlung von fachärztlich abgeklärtem vestibulärem Schwindel infolge von anhaltenden Funktionsstörungen des Gleichgewichtsapparates
Flunarizin ist in der Migräneprophylaxe ähnlich wirksam wie Metoprolol, führt aber häufiger zu Nebenwirkungen.[3]
Darreichungsform
Flunarizin liegt als Hartkapsel zur oralen Einnahme vor.
Dosierung
Die Fachinformation empfiehlt folgende Dosierungen:[1]
- Anfangsdosis 10 mg (für Erwachsene < 65 Jahre) bzw. 5 mg (für Erwachsene > 65 Jahre) abends
- Erhaltungsdosis bei positivem Therapieansprechen: Reduktion der Tagesdosis, indem das Medikament nur jeden 2. Tag eingenommen wird (alternativ Einnahme über 5 Tage mit 2 darauffolgenden behandlungsfreien Tagen)
Die Behandlung sollte unabhängig vom Therapieerfolg spätestens nach 6 Monaten beendet werden.
Hinweis: Diese Dosierungsangaben können Fehler enthalten. Ausschlaggebend ist die Dosierungsempfehlung in der Herstellerinformation.
Nebenwirkungen
Sehr häufig (≥ 1/10):
Häufig (≥ 1/100, < 1/10):
- Rhinitis
- Fatigue
- Appetitsteigerung
- Depressionen
- Schlaflosigkeit
- Somnolenz
- Myalgien
- Obstipation
- Magenschmerzen
- Übelkeit
- Menstruationsstörungen
- Brustschmerzen
Gelegentlich (≥ 1/1000, < 1/100):
- Apathie
- Angst
- Koordinationsstörungen
- Orientierungsstörungen
- Parästhesien
- Unruhe
- Tinnitus
- Torticollis
- Palpitationen
- Darmobstruktion
- Mundtrockenheit
- Dyspepsie
- Hyperhidrosis
- Muskelspasmen
- Ödeme
- Brusthypertrophie
- verminderte Libido
Weitere mögliche Nebenwirkungen sind:
Akathisien, Bradykinesien, Dyskinesien, essentieller Tremor, extrapyramidale Störungen, Galaktorrhoe und Erytheme.
Wechselwirkungen
Durch seine hemmende Wirkung auf den Calciumeinstrom in die Zellen besitzt Flunarizin eine insgesamt eher sedierende Wirkung. Daher muss bei gleichzeitiger Einnahme von Beruhigungsmitteln und Tranquilizern mit einer Zunahme der ruhigstellenden Wirkung gerechnet werden. Ähnliches gilt für den Genuss von Alkohol.
Kontraindikationen
- Anwendung bei Kindern
- Morbus Parkinson oder andere extrapyramidale Erkrankungen
- motorische Störungen
- Depressionen
ATC-Code
- N07CA03
Quellen
- ↑ 1,0 1,1 1,2 1,3 Fachinformation Flunarizin, acis Arzneimittel, August 2021, zuletzt abgerufen am 07.08.2025
- ↑ Gelbe Liste: Flunarizin, Stand März 2025
- ↑ Diener et al.: Therapie der Migräneattacke und Prophylaxe der Migräne, S1-Leitlinie, 2022, DGN und DMKG, in: Deutsche Gesellschaft für Neurologie (Hrsg.), Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie. Zuletzt abgerufen am 07.08.2025