Synonyme: Trabekuläres Karzinom, kutanes neuroendokrines Karzinom
Das Merkelzellkarzinom, kurz MCC, ist ein seltener, hochmaligner Tumor der Haut. Er ist charakterisiert durch eine neuroendokrine und epitheliale Differenzierung, hohe Rezidivrate und große lymphogene Metastasierungstendenz.
Die Inzidenz liegt bei ungefähr 0,3 - 0,6 Neuerkrankungen pro 100.000 Einwohnern im Jahr, mit steigender Tendenz. In Deutschland wird mit ca. 300 Fällen pro Jahr gerechnet.[1]
Die Ätiologie des MCC ist ungeklärt. Ursprünglich wurde aufgrund des Expressionsmuster von Zytokeratinen vermutet, dass das Karzinom sich von Merkelzellen ableitet. Diese These wird aktuell (2019) jedoch aufgrund von Unterschieden im Genexpressionsmuster bezweifelt. Inzwischen erscheint es wahrscheinlich, dass sich das Merkelzellkarzinom, genau wie die Merkelzelle, von einer pluripotenten (epi)dermalen Stammzelle ableitet.
Zu den Risikofaktoren gehören:
Das mittlere Alter bei Diagnosestellung liegt bei 75 Jahren; Kinder sind praktisch nie betroffen. Meist tritt das MCC an lichtexponierten Arealen auf, v.a. im Kopf-Hals-Bereich und an den Extremitäten. Die Handflächen und Fußsohlen bleiben ausgespart. Morphologisch zeichnet es sich durch einen meist solitären, schnell wachsenden, derben, rötlich-bläulichen, schmerzlosen Knoten aus, der sich bis ins subkutane Fettgewebe ausweiten kann. Die Oberfläche ist glatt, selten auch krustig oder ulzeriert. Die Größe bei Diagnosestellung beträgt meist zwischen 1 und 4 Zentimetern.
Histologisch werden 3 Typen unterschieden, deren Einteilung auch wichtig für die Prognose ist:[2]
Ultrastrukturell sind neuroendokrine Granula charakteristisch. Immunhistologische Untersuchungen mit Antikörpern gegen Intermediärfilamente (u.a. Zytokeratin 20) und neuroendokrine Marker (u.a. Chromogranin A, neuronenspezifische Enolase) sind notwendig, insbesondere zur differenzialdiagnostischen Abgrenzung.
Die Diagnose wird anhand der Klinik und Pathohistologie gestellt. Anschließend werden zum Staging eine Sonographie der regionären Lymphknoten und des Abdomens sowie ein Thorax- und Abdomen-CT empfohlen.
Differenzialdiagnostisch kommen Basalzellkarzinome, Angiome, B-Zell-Lymphome, Hidradenome sowie Hautmetastasen in Betracht.
Prognostische Stadieneinteilung nach AJCC:[3]
Stadium | Primärtumor | Regionäre Lymphknoten | Fernmetastasen |
---|---|---|---|
0 | in situ | unauffällig | keine |
I | < 2 cm | ||
IIA | > 2cm | ||
IIB | Infiltration von Faszien, Muskeln, Knorpel oder Knochen | ||
IIIA | kein Primärtumor bekannt oder unabhängig von Durchmesser/Infiltration | Lymphknotenmetastase | |
IIIB | unabhängig von Durchmesser/Infiltration | Lymphknotenmetastase oder In-Transit-Metastase* | |
IV | unabhängig vom Status | vorhanden |
Der Primärtumor sollte vollständig chirurgisch entfernt werden, wobei aufgrund der hohen Rezidivrate ein Sicherheitsabstand von 1 bis 2 cm empfohlen wird. Bis auf wenige Ausnahmen wird grundsätzlich eine adjuvante Strahlentherapie durchgeführt. Bei unauffälligem Lymphknotenstatus (klinisch und in der Bildgebung) erfolgt eine Sentinel-Lymphknotenbiopsie. Falls Lymphknoten- oder In-Transit-Metastasen vorhanden sind, wird eine radikale Lymphadenektomie mit adjuvanter Strahlentherapie empfohlen. Bei Fernmetastasen stehen mehrere Möglichkeiten zur Verfügung, jedoch konnte bisher (2019) für kein Therapieschema eine Verbesserung der Gesamtüberlebenszeit gezeigt werden:
Aktuell erscheint die Immuntherapie einer Chemotherapie bezüglich der Toxizität und Dauer des Ansprechens überlegen. Außerdem werden Checkpoint-Inhibitoren derzeit auch in der adjuvanten (Ipilimumab, Nivolumab, Avelumab) und neoadjuvanten (Nivolumab) Therapie getestet.
Zur Nachsorge bestehen keine standardisierten Empfehlungen. Aufgrund der hohen Rezidivrate, v.a. in den ersten zwei Jahren, sind engmaschige Verlaufskontrollen sinnvoll.
2018 konnte eine Forschungsgruppe um Prof. Dr. Jürgen C. Becker, Leiter der DKTK-Abteilung Translational Skin Cancer Research an der Universitätsklinik Essen, zeigen, dass das im Blut zirkulierende MikroRNA-Molekül "circulating cell-free miR-375" einen Biomarker darstellt, mit dem die Tumorlast bewertet werden kann. Die Bestimmung dieses Biomarkers könnte zukünftig für die Therapiekontrolle und Nachsorge hilfreich sein.[4]
Bei bis zu 20% der Patienten besteht bereits bei Diagnosestellung eine klinisch fassbare lymphogene Metastasierung und bei fast einem Drittel der Patienten eine klinisch nicht fassbare, lymphogene Mikrometastasierung. Negative Risikofaktoren sind:
Je nach histologischem Typ unterscheidet sich die Prognose:
Die 5-Jahres-Überlebensrate variiert je nach Stadium:
Sporadisch werden spontane, z.T. komplette Regressionen beobachtet.
Tags: Avelumab, Checkpointinhibitor, Hautkrebs, Karzinom, Merkelzell-Polyomavirus, Merkelzelle, Microrna, Pembrolizumab
Fachgebiete: Dermatologie, Onkologie
Diese Seite wurde zuletzt am 8. März 2022 um 00:51 Uhr bearbeitet.
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