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MicroRNA

Synonyme: miRNA, small temporal RNA, kurze regulatorische RNA
Englisch: microRNA, miRNA

1. Definition

MicroRNA, kurz miRNA, ist eine kurze, nicht-kodierende RNA. Sie bindet an komplementäre Sequenzen von messenger-RNAs (mRNAs) und unterdrückt so deren Translation oder fördert ihren Abbau. Die MicroRNA dient dadurch der posttranskriptionellen Regulation der Proteinsynthese der Zelle.

Variationen von kodierender und nicht-kodierender RNA

2. Geschichte

Der erste Nachweis von MicroRNA gelang Anfang der 90er Jahre in der Wurmspezies Caenorhabditis elegans. Sie wurde zunächst mit dem Namen "small temporal RNA" belegt. MicroRNA gehört damit in die Klasse der Ende des 20. Jahrhunderts entdeckten Familie der "kleinen" RNA-Ketten, zu denen auch siRNA, coRNA und ncRNA gehören.

3. Biosynthese

Im menschlichen Genom sind über 1.000 microRNAs kodiert. Sie werden zunächst als doppelsträngige primäre miRNAs (pri-miRNA) gebildet, die eine charakteristische Haarnadelstruktur aufweisen und aus je etwa 70 Nukleotiden bestehen. Die Transkription erfolgt durch die RNA-Polymerase II oder III. Im nächsten Schritt wird im Zellkern die pri-miRNA durch den Microprocessor-Komplex - bestehend aus Drosha und DGCR8 - auf eine etwa 70 Nukleotide lange Precursor-miRNA (pre-miRNA) geschnitten.

Nach dem Transport ins Zytoplasma durch Exportin-5 bindet die pre-miRNA an das Enzym Dicer, das es weiter zur reifen miRNA zerschneidet. Diese hat eine durchschnittliche Länge von 19 – 25 Nukleotiden. Der Leitstrang wird in den sogenannten RNA-induced silencing complex (RISC) mit dem RNA-bindenden Protein TRBP und Argonaut 2 (AGO2) integriert, während der Passagierstrang abgebaut wird. RISC spürt die Ziel-mRNA auf, indem er Übereinstimmungen der Basensequenzen prüft. Wenn eine Komplementarität von ca. 7 Basenpaaren besteht, kommt es zur Interaktion zwischen RISC und Ziel-mRNA.

4. Funktion

MicroRNAs regulieren die Genexpression, indem sie an spezifische mRNA-Sequenzen binden, die meist in der 3’-untranslatierten Region (3'-UTR) der Ziel-mRNA liegen. Es existieren verschiedene Mechanismen:

  • Translationale Repression: Die Bindung der miRNA an die mRNA verhindert, dass diese in ein Protein übersetzt wird.
  • mRNA-Abbau: In einigen Fällen führt die Bindung der miRNA zu einem beschleunigten Abbau der Ziel-mRNA, wodurch weniger Proteine produziert werden.
  • MicroRNA können auch die Deadenylierung der mRNA begünstigen, sodass die Halbwertszeit des entsprechenden mRNA-Moleküls verkürzt wird.

Über diese Mechanismen sind MiRNAs an einer Vielzahl biologischer Prozesse beteiligt, darunter:

Es gibt Schätzungen, dass etwa 30 % der Gene beim Menschen durch MicroRNAs reguliert werden. Es handelt sich um einen hoch konservierten Mechanismus der Genregulation.

5. Klinik

5.1. Tumorgenese

Je nachdem, welche mRNA sie beeinflussen, können MicroRNA die Tumorgenese begünstigen (Oncomir) bzw. erschweren. Zahlreiche MicroRNA-Gene liegen auf Chromosomenabschnitten, die bei Tumoren deletiert bzw. amplifiziert werden. Exosomale MicroRNA kann darüber hinaus die Fibroblastenaktivität und die Angiogenese in der Tumorzellumgebung induzieren. Exosomale miR-1245, die von Zellen abgegeben wird, ist in der Lage Makrophagen zu tumorassoziierten Makrophagen (TAMs) zu reprogrammieren und eine hohe TGF-beta-Expression auslösen. In der folgenden Tabelle sind weitere Beispiele aufgeführt.[1]

Molekül Zellursprung Effekt
miR-155, miR-210 Melanom Induziert metabolische Veränderungen
miR-19a Astrozyten Verringerte PTEN Expression in brain cells (BC) und verstärkte Metastasierung
miR-105 brain cells (BC) Downregulation von ZO-1, Induktion von Metastasierung
miR-192 Adenokarzinom der Lunge Verringerte osteolytische Knochenläsionen, Unterstützung von Angiogenese und Metastasierung
miR-21 Mamma-, Bronchial- und Kolorektalkarzinom Herunterregulierung von Tumorsupressorgenen
miR-126 Bronchial-, Mamma- und Prostatakarzinom Tumorsupression
miR-145 Kolorektal-, Bronchial-, Prostata- und Blasenkarzinom Tumorsupression

5.2. Muttermilch und chronisch-entzündliche Darmerkrankungen

Mit humaner Muttermilch werden ca. 1.400 verschiedene MicroRNA auf den Säugling übertragen, deren Zusammensetzung zu 89 % mit der von Kuhmilch und zu 83 % mit der von Ziegenmilch übereinstimmt. Die Passage des Darmepithels erfolgt mit Hilfe sog. Argonauten-Proteinkomplexe.[2] Die aufgenommene MicroRNA ist möglicherweise für die epigenetische Steuerung der Reifung der kindlichen Darmfunktion (z.B. Immunfunktion) von Bedeutung.[3] Gegenwärtig (2024) wird untersucht, ob diesbezüglich ein Zusammenhang mit der Pathogenese von chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen besteht.[4]

5.3. Herz-Kreislauf-Erkrankungen

Bestimmte miRNAs sind an der Regulation von Herzfunktionen beteiligt und spielen eine Rolle bei Erkrankungen wie Herzinsuffizienz.

5.4. Neurologische und psychiatrische Erkrankungen

Veränderte miRNA-Profile wurden bei Erkrankungen wie Morbus Alzheimer und Morbus Parkinson sowie Schizophrenie beobachtet.

5.5. Pharmakologie

Ein wichtiger Forschungsansatz der sogenannten Targeted Therapy sind die Antagomire und Blockmire. Antagomire (Portmanteau aus Antagonist und MicroRNA) sind synthetisch hergestellte Oligonukleotide, die an ihre komplementären MicroRNA binden und sie somit inhibieren. Da jedoch ein MicroRNA-Molekül i.d.R. sehr viele Gene gleichzeitig steuert und somit sein Effekt komplex und gewebsspezifisch ist, ist die Blockade eines solchen MicroRNA-Moleküls nicht ohne Nebenwirkungen. Daher wurden Blockmire entwickelt, welche eine sterische Blockade der MicroRNA-Bindungsstelle am mRNA-Strang bewirken.

6. Quellen

7. Weblinks

Stichworte: MiRNA, Microrna, Onkogenese, RNA
Fachgebiete: Biochemie

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