Antagomir
Definition
Antagomire sind synthetische Oligonukleotide, die spezifische microRNAs (miRNAs) hemmen. Sie binden komplementär an ihre Ziel-miRNAs und verhindern deren Interaktion mit messenger-RNAs (mRNAs). Antagomire sind ein vielversprechender pharmakologischer Ansatz zur Modulation pathologisch veränderter miRNAs bei verschiedenen onkologischen, kardiologischen oder neurologischen Krankheitsbildern.
Hintergrund
miRNAs sind essenzielle Regulatoren der Genexpression. Ihre Fehlregulation ist an der Entstehung zahlreicher Krankheiten beteiligt, darunter Krebs, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Autoimmunerkrankungen. Die Hemmung spezifischer miRNAs durch Antagomire kann daher pathologische Prozesse gezielt beeinflussen.
Biochemie
Antagomire sind chemisch modifizierte einzelsträngige RNA-Moleküle, die komplementär zur Ziel-miRNA sind. Ihre Eigenschaften umfassen:
- Phosphorothioat-Rückgrat: Erhöht die Stabilität gegenüber ihrem Abbau
- 2'-O-Methylierung: Verbessert die Affinität zur Ziel-miRNA und erhöht die Spezifität
- Cholesterin-Konjugation: Fördert die zelluläre Aufnahme und Gewebeverteilung
- Modifikation der Basenstruktur: Verhindert unspezifische Bindungen und reduziert Immunogenität
Wirkmechanismus
Antagomire wirken durch direkte Bindung an ihre Ziel-miRNA. Die Bindung blockiert die Fähigkeit der miRNA, an ihre komplementären Sequenzen der mRNA anzudocken, und hebt somit die Repression der mRNA-Translation oder den mRNA-Abbau auf. Dies führt zur Wiederherstellung der Expression von Genen, die durch die miRNA herunterreguliert wurden.
Anwendung
Antagomire sind derzeit (2024) Gegenstand der Forschung. Mögliche Anwendungsgebiete sind:
Onkologie
miR-21 ist bei verschiedenen Krebsarten überexprimiert, darunter Brust-, Lungen- und Kolorektalkarzinome. Antagomire gegen miR-21 fördern die Expression von Tumorsuppressorgenen wie PTEN und können die Tumorprogression verhindern. miRNAs der Let-7-Familie inhibieren die Translation von RAS-Onkogenen, MYC und HMGA2. Entsprechende Antagomire haben potenziell onkogene Wirkungen.
Herz-Kreislauf-Erkrankungen
miR-208 ist bei verschiedenen kardiomyopathischen Prozessen überexprimiert. Antagomire, die miR-208 hemmen, könnten die Herzfunktion verbessern und die kardiale Hypertrophie reduzieren. miR-34a ist mit Myokardinfarkt und Herzinsuffizienz assoziiert, eine Hemmung durch Antagomire zeigt kardioprotektive Effekte.
Neurologische Erkrankungen
miR-132 ist bei neurodegenerativen Erkrankungen wie Morbus Alzheimer dysreguliert. Antagomire gegen miRNA-132 sind daher potenziell geeignet, neuroinflammatorische Prozesse zu hemmen und die neuronale Funktion zu verbessern. miR-9 ist mit Schizophrenie und neuropsychiatrischen Erkrankungen assoziiert. Antagomire werden hier experimentell untersucht.
Stoffwechselstörungen
miR-122 ist kritisch für den Lipidstoffwechsel und bei Hepatitis C sowie nichtalkoholischer Fettlebererkrankung überexprimiert. Antagomire gegen miR-122 senken die Lipidspiegel und hemmen die Virusreplikation.
Klinische Studien
Mehrere Antagomire befinden sich in präklinischen und klinischen Studien:
- SPC3649 (Miravirsen): Ein Antagomir gegen miR-122, das zur Behandlung der Hepatitis C getestet wird.
- Anti-miR-21: Wird in frühen klinischen Studien bei Glioblastomen und anderen soliden Tumoren untersucht.
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