Münchhausen-Syndrom
nach dem "Lügenbaron" Hieronymus Carl Friedrich von Münchhausen (1720-1797)
Synonyme: Institutionenwanderer, Hospital-Hopper
Englisch: peregrinating patient
Definition
Das Münchhausen-Syndrom ist eine psychische Störung und gehört zu den artifiziellen Störungen. Es ist geprägt durch das Erfinden, Herbeiführen und Inszenieren physischer und psychischer Krankheitssymptome und damit verbundene häufige Arztwechsel.
- ICD-10-Code: F68.1
Geschichte
Das Münchhausen-Syndrom wurde nach dem "Lügenbaron" Hieronymus Carl Friedrich von Münchhausen benannt. Die erste Beschreibung des Münchhausen-Syndroms aus dem Jahr 1951 geht auf Richard Asher zurück.[1]
Epidemiologie
Die Inzidenz artifizieller Störungen ist schwer abzuschätzen. Das Münchhausen-Syndrom ist eine relativ seltene Unterform der artifiziellen Störungen. Männer sind häufiger betroffen als Frauen. Die Dunkelziffer ist vermutlich hoch.
Ätiologie
Die Ätiologie ist komplex und nicht vollständig geklärt. Es liegt eine Kombination psychopathologischer Störungen zugrunde. Die Motivation für das Verhalten ist unklar, es gibt jedoch verschiedene Erklärungsansätze. So wird beispielsweise vermutet, dass durch die absichtliche Einnahme der Patientenrolle ein sekundärer Krankheitsgewinn (Aufmerksamkeit, Fürsorge, Einzigartigkeitsgefühl) entsteht. Eine weitere Vermutung ist, dass Affekte und Spannungen durch das Verhalten reguliert werden könnten.
Betroffene haben in ihrer Kindheit oft Traumatisierungen erfahren, beispielsweise in Form von Missbrauch, Vernachlässigung oder psychiatrischen Erkrankungen der Eltern. Aufgrund dieser Erfahrungen entwickeln Betroffene emotional instabile und von Misstrauen geprägte zwischenmenschlichen Beziehungen. Häufig mussten die Betroffenen sich in der Vergangenheit medizinischen Eingriffen und Behandlungen unterziehen. Eine Vergesellschaftung mit Persönlichkeitsstörungen (Narzissmus, Borderline-Persönlichkeitsstörung) wurde beobachtet.
Symptome
Die Betroffenen täuschen Beschwerden und Krankheiten vor oder verursachen selbst Symptome und stellen sich dann in verschiedenen medizinischen Einrichtungen (Krankenhäuser, Arztpraxen etc.) vor. Die Darstellung der Beschwerden ist dabei meist dramatisiert und ausgeschmückt. Die Betroffenen sind häufig sozial desintegriert. Es stehen schwere Störungen zwischenmenschlicher Beziehungen im Vordergrund (z.B. Beziehungsabbrüche, sozialer Abstieg, kriminelles Verhalten). Es besteht eine Komorbidität mit Suchterkrankungen und die Symptomatik beherrscht den Alltag der Patienten.
Differentialdiagnose
- Artifizielle Störung im engeren Sinn: Im Gegensatz zum Münchhausen-Syndrom sind die Betroffenen häufig weiblich, zeigen eher depressive Symptome und sind meist familiär, gesellschaftlich und beruflich integriert.
- Andere psychiatrische Erkrankungen: Die wichtigsten Differentialdiagnosen sind funktionelle und dissoziative Störungen.
- Pseudologia phantastica
Eine Sonderform ist das Münchhausen-Stellvertreter-Syndrom.
Therapie
Bei der Psychotherapie ist besonders auf den Aufbau einer stabilen Arzt-Patienten-Beziehung zu achten. Wenn möglich, sollte eine stationäre Behandlung erfolgen.
Prognose
Literatur
- Ärzteblatt – Artifizielle Störungen: Rätselhaft und gefährlich, veröffentlicht 2010, abgerufen am 14.06.2023.
- Hausteiner-Wiehle et al., Artifizielle Störungen: Das Vortäuschen von Krankheiten im klinischen Alltag, Deutsches Ärzteblatt, 2020
- Klinikum Stuttgart – Artifizielle Störung und Selbstverletzendes Verhalten, abgerufen am 14.06.2023
Quellen
- ↑ Asher et al., Munchausen's Syndrome, The Lancet, 1951
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