Anakinra
Handelsname: Kineret®
Definition
Anakinra ist ein rekombinant hergestellter, humaner Interleukin-1-Rezeptorantagonist aus der Gruppe der Immunsuppressiva.
Aufbau
Der Wirkstoff wird gentechnologisch aus Escherichia coli-Stämmen isoliert und setzt sich aus 153 Aminosäuren zusammen. Er gleicht dem nativen, humanen IL-1-Rezeptorantagonisten mit Ausnahme der zusätzlichen Aminosäure Methionin am N-Terminus und der fehlenden Glykosylierung des Proteins.[1]
Wirkmechanismus
Interleukin-1 (IL-1) ist ein zentrales proinflammatorisches Zytokin, das als Mediator der Immunantwort dient. Daher spielt es auch bei Entzündungsprozessen wie der Synovitis eine wesentliche Rolle.[2] Anakinra neutralisiert die biologische Aktivität von Interleukin-1(IL-1) alpha und beta, indem es kompetitiv deren Bindung an den Rezeptor hemmt. Dadurch wird die Schwere einer Entzündung und der mit ihr verbundenen Symptome reduziert.
Pharmakokinetik
Die absolute Bioverfügbarkeit von Anakinra nach einer subkutanen Bolusinjektion von 70 mg beträgt rund 95 %. Die Eliminationshalbwertszeit liegt bei rund 4 bis 6 Stunden.[2]
Indikationen
Anakinra wird bei folgenden Indikationen eingesetzt:
- Rheumatoide Arthritis in Kombination mit Methotrexat bei Erwachsenen, die nur unzureichend auf Methotrexat allein ansprechen[2]
- Monotherapie der Cryopyrin-assoziierten periodischen Syndrome (CAPS) bei Erwachsenen, Jugendlichen und Kindern (ab 8 Monate oder älter mit einem Körpergewicht von mindestens 10 kg)[2].
- First-Line-Therapie des Still-Syndroms (systemische juvenile idiopathische Arthritis) bei Jugendlichen und Kindern (ab 8 Monate oder älter mit einem Körpergewicht von mindestens 10 kg) und des Morbus Still des Erwachsenen (AoSD)[2]
- Familiäres Mittelmeerfieber (FMF), ggf. in Kombination mit Colchicin[2]
- Behandlung einer COVID-19-Pneumonie bei Erwachsenen, die ein hohes Risiko für ein schweres respiratorisches Versagen haben[3]
- Gicht (Off-Label-Use)[4]
Verschiedene Studien haben gezeigt, dass Anakinra die Entzündung und Schmerzen bei Patienten mit schwer zu behandelnden Gichtanfällen reduzieren kann. Derzeit (2022) ist Anakinra noch nicht zur Behandlung von Gicht zugelassen.[5]
Darreichungsform
Anakinra liegt in Form von Fertigspritzen vor. Eine Fertigspritze enthält 100 mg Anakinra/0,67 ml Injektionslösung.
Dosierung
- Rheumatoide Arthritis: Die empfohlene Dosis Anakinra zur Behandlung der rheumatoiden Arthritis beträgt 100 mg 1x täglich subkutan
- CAPS: Anfangsdosis 1-2mg/kg 1x täglich subkutan; Erhaltungsdosis (leichtes CAPS): 1-2 mg/kg 1x täglich; Erhaltungsdosis (schweres CAPS): Dosissteigerung je nach therapeutischen Ansprechen innerhalb von 1-2 Monaten. Übliche Erhaltungsdosis: 3-4 mg/kg 1x täglich, Dosissteigerung bis maximal 8 mg/kg 1x täglich möglich
- Still-Syndrom: 100 mg 1x täglich subkutan bei Körpergewicht ≥ 50kg, 1-2 mg/kg 1x täglich bei Körpergewicht < 50 kg; nach 1 Monat kann bei persistierenden systemischen Manifestationen die Dosis bei Kindern angepasst werden
- FMF: 100 mg 1x täglich subkutan bei Körpergewicht ≥ 50kg, 1-2 mg/kg 1x täglich bei Körpergewicht < 50 kg[2]
Hinweis: Diese Dosierungsangaben können Fehler enthalten. Ausschlaggebend ist die Dosierungsempfehlung in der Herstellerinformation.
Nebenwirkungen
- Gastrointestinale Beschwerden wie Übelkeit, Erbrechen, Diarrhoe, Obstipation
- Allergien
- Infektionen, vor allem der oberen Atemwege (Sinusitis, Pneumonie, Tuberkulose etc.)
- Blutbildveränderungen
Wechselwirkungen
Die gleichzeitige Anwendung von Anakinra und Etanercept oder einem anderen TNF-α-Hemmer wird nicht empfohlen.[2]
Kontraindikationen
- Überempfindlichkeit gegenüber dem Wirkstoff
- gleichzeitiges Bestehen maligner Tumoren
- Nierenfunktionsstörungen
- Asthma
- Neutropenien
- Schwangerschaft, Stillzeit
Zulassung
Anakinra ist in der EU seit 2002 zugelassen. Der Wirkstoff wird von Swedish Orphan Biovitrum vermarktet.[2]
Nutzenbewertung
Der Zusatznutzen einer Therapie mit Anakinra wird vom G-BA auf der Basis der vom IQWiG ausgewerteten Studienergebnisse wie folgt eingeordnet:
- Hinweis auf einen Zusatznutzen hinsichtlich der Symptomatik der rheumatoiden Arthritis bezogen auf schmerzhafte Gelenke und geschwollene Gelenke sowie hinsichtlich des körperlichen Funktionsstatus[6]
Kosten
Die Jahrestherapiekosten betragen rund 14.000 € pro Patient.[7]
Quellen
- ↑ Gelbe Liste, Anakinra abgerufen am 31.08.2018
- ↑ 2,0 2,1 2,2 2,3 2,4 2,5 2,6 2,7 2,8 Fachinfo Anakinra, abgerufen am 31.08.2018
- ↑ RKI - Medikamentöse Therapie bei COVID-19, abgerufen am 03.02.2022
- ↑ Deutsche Apotheker Zeitung - Pharmakotherapie Gicht, abgerufen am 08.02.2022
- ↑ Tausche. Aktuelle Erkenntnisse zur Gicht – eine Nachlese vom eEULAR 2020, Aktuelle Rheumatologie, 2021
- ↑ IWIG Abschlussbericht abgerufen am 31.08.2018
- ↑ G-BA, abgerufen am 31.08.2018