Familiäres Mittelmeerfieber
Synonyme: Benigne paroxysmale Peritonitis, familiäre rekurrente Polyserositis, paroxysmale Polyserositis
Englisch: familiar mediterranean fever
Definition
Das familiäre Mittelmeerfieber, kurz FMF, ist eine genetisch bedingte Erkrankung und zählt zu den hereditären Fiebersyndromen.
Epidemiologie
Das FMF ist eine seltene Erkrankung, stellt jedoch das häufigste hereditäre autoinflammatorische Syndrom dar. Es wurde zuerst bei Armeniern, Arabern, Türken sowie bei aus Nordafrika und dem Irak stammenden sepharidischen Juden beschrieben. Weiterhin konnte eine erhöhte Prävalenz bei Aschkenasim-Juden, Italienern und anderen Bewohnern aus dem Mittelmeerraum festgestellt werden. Die Heterozygotenfrequenz liegt in diesen Regionen bei 1/7 bis 1/10, die Prävalenz beträgt 1/1.000. In 60 % findet sich eine familiäre Häufung.
Ätiologie
Für das Mittelmeerfieber sind über 200 verschiedene Mutationen im MEFV-Gen auf dem Chromosom 16 (Genlokus 16p13.3) verantwortlich. Dieses Gen kodiert für das Protein Pyrin (Marenostrin), dessen Funktion noch (2019) nicht vollständig geklärt ist. Es ist vermutlich an der Regulation des Zytokin-Sekretionsmusters im Rahmen der unspezifischen Immunreaktion beteiligt. Somit wird das FMF zu den autoinflammatorischen Syndromen gezählt.
Das FMF wird meist autosomal-rezessiv vererbt, wobei autosomal-dominante Formen existieren.
Klinik
Die Krankheit manifestiert sich in der Regel erstmals vor Erreichen des 20. Lebensjahres mit plötzlich einsetzenden, 1 bis 3 Tage andauernden Fieberattacken. Das fieberfreie Intervall kann wenige Tage bis einige Jahre betragen, ohne dass sich eine zeitliche Regelmäßigkeit feststellen lässt. Nur selten sind die Attacken mit einer physischen oder psychischen Belastung assoziiert. Eine Schwangerschaft kann zu einer Remission der Fieberschübe führen.
Insbesondere im Kleinkindalter kann Fieber auch das alleinige Symptom während einer Attacke sein. Bei über 90 % der Patienten treten jedoch im Rahmen einer Fieberattacke zusätzlich auch Bauchschmerzen auf. Das klinische Spektrum reicht dabei von dumpfen Schmerzen mit Meteorismus bis hin zum Bild des akuten Abdomens. Dabei kann sich eine Spiegelbildung in der Röntgen-Abdomenübersichtsaufnahme als Zeichen eines Ileus darstellen. Bei einer explorativen Laparotomie findet sich oft ein steriles, peritoneales Exsudat mit vielen neutrophilen Granulozyten im Sinne einer sterilen Peritonitis.
Weitere Manifestationen sind:
- Pleuritis: mit einseitigen, scharfen, stechenden und atemabhängigen Thoraxschmerzen, Exsudat mit vielen neutrophilen Granulozyten, z.T. begleitender Pleuraerguss
- Arthralgien bei Arthritis: meist Monarthritis (v.a. Kniegelenk, Sprunggelenk, Hüftgelenk) mit neutrophilenreichen, sterilen Gelenkergüssen ohne typische Entzündungszeichen (Überwärmung, Rötung) oder radiologisch nachvollziehbaren Gelenkveränderungen
- Hauteffloreszenzen: typischerweise erysipelartiges Erythem oder scharf begrenztes erythematöses Exanthem (v.a. an Fußrücken, Knöchel oder Unterschenkel), histologisch zeigt sich ein granulozytäres und monozytäres, perivaskuläres Infiltrat
- Myalgien: werden durch körperliche Anstrengung ausgelöst, verlaufen z.T. protrahiert für mehrere Wochen
- Perikarditis (selten)
- akute Orchitis: einseitige akute Entzündung der Tunica vaginalis des Hodens, v.a. bei Jungen vor der Pubertät
- aseptische Meningitis: sehr selten, fraglicher Zusammenhang
- Vaskulitiden treten gehäuft auf, z.B. Purpura Schoenlein-Henoch oder Panarteriitis nodosa
Weiterhin stellt die M694V-Mutation einen Risikofaktor für das Auftreten einer Behcet-Krankheit dar.
Früher war die systemische AA-Amyloidose eine häufige Komplikation der FMF und betraf ca. 30 % der Patienten. Hierbei kommt es zu Ablagerungen des Akuten-Phase-Proteins Serumamyloid A (SAA) in Nieren, Nebennieren, Darmwand, Milz, Lunge und Hoden. Pathophysiologisch liegt eine erhöhte Transkription der Serumamyloid-A-Synthese in der Leber aufgrund des proinflammatorischen Zytokinmusters zugrunde. Risikofaktoren für die Entwicklung einer Amyloidose sind u.a. der homozygote M694V-Genotyp, eine positive Familienanamnese und ein männliches Geschlecht.
Diagnostik
Im Fieberschub liegt als Ausdruck der Entzündung oft ein erhöhtes C-reaktives Protein (CRP), eine Leukozytose und eine Thrombozytose vor. CRP, Serumamyloid A und die S-100-Proteine scheinen beim FMF die sensitivsten und zuverlässigsten Entzündungsmarker zu sein.[1]
Bei typischem Verlauf kann die Diagnose klinisch gestellt werden. Dabei müssen vorher andere, vor allem infektiöse Ursachen des Fiebers ausgeschlossen werden. Findet sich kein Fokus, sollte aus der Familienanamnese, Herkunft und der typischen Klinik der Verdacht auf ein familiäres Mittelmeerfieber erwogen werden.
In der Regel wird die Diagnose durch eine molekulargenetische Untersuchung gesichert. Durch das sogenannte Pyrin-Screening kann eine Vielzahl der häufigen Mutationen des MEFV-Gens erfasst werden.[2]
Weiterhin sollte regelmäßig die Höhe der Serumamyloid A-Konzentration bestimmt werden, da diese mit dem Risiko einer Amyloidnephropathie korreliert. Die Amyloidose kann durch eine Fettgewebsaspiration oder eine Biopsie der Niere bzw. der Rektumschleimhaut diagnostiziert werden.
Therapie
Ziel der Therapie eines FMF ist die Kontrolle der Krankheitsschübe und der zwischen den Intervallen bestehenden subklinischen Entzündungsaktivität. Als Basistherapie wird Colchicin täglich verabreicht. Dadurch kann die Zahl und Intensität der Attacken gesenkt sowie der Entstehung einer Amyloidose vorbeugt werden.
Bei unzureichender Wirkung von Colchicin oder bei Intoleranz gegenüber einer Dosiserhöhung kann eine Therapieintensivierung mit Interleukin-1-Antagonisten wie Anakinra oder Canakinumab erwogen werden.[3]
Prognose
Bei Verhinderung einer Amyloidose und somit Senkung der Inzidenz einer dadurch bedingten Niereninsuffizienz haben betroffene Patienten eine gute Prognose.
Quellen
- ↑ Hitzegrad AL. Dissertation. Familiäres-Mittelmeerfieber-Patienten mit heterozygotem Genotyp: Eine Patientengruppe mit einem milderen Verlaufsprofil, 2018, abgerufen am 09.09.2020
- ↑ Liste mit FMF-Mutationen, abgerufen am 05.11.2019
- ↑ Kallinich T et al. Evidenzbasierte Therapieempfehlungen für das familiäre Mittelmeerfieber, Rheumatol 78, 91–101 (2019), abgerufen am 09.09.2020
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