Nierenzellkarzinom
Synonyme: Nierenkarzinom, Adenokarzinom der Niere, Grawitztumor, Hypernephrom (veraltet)
Englisch: renal cell carcinoma, RCC
Definition
Das Nierenzellkarzinom, kurz RCC, ist ein von den Tubuluszellen der Niere ausgehender, maligner Tumor. Etwa 90 % der Nierentumore sind Nierenzellkarzinome.
Epidemiologie
Nierenkarzinome stellen ca. 3 % aller bösartigen Tumoren im Erwachsenenalter dar. Die Inzidenz beträgt etwa 9 auf 100.000 Einwohner. Männer sind etwa zweimal häufiger betroffen als Frauen. Patienten, die am Hippel-Lindau-Syndrom leiden, erkranken gehäuft an hereditären Nierenkarzinomen. Der Erkrankungsgipfel liegt zwischen dem 45. und 75. Lebensjahr.
Pathohistologie
Die Nierenkarzinome sind meist im oberen Nierenpol lokalisiert, daher der alte Name "Hypernephrom". Sie sind in 85 % der Fälle histologisch den epithelialen Tumoren (Adenokarzinomen) zuzuordnen. Die Tumorzellen weisen ein glykogen- und lipidreiches Zytoplasma auf und imponieren deshalb mikroskopisch als Klarzelltumor.
Häufige Formen
- Klarzelliges Nierenzellkarzinom: Häufigster Typ, der 70 bis 80 % aller Nierenzellkarzinome darstellt, Ursprung ist der proximale Nierentubulus
- Papilläres Nierenzellkarzinom: ca. 10 bis 15 %, Ursprung ist ebenfalls der proximale Nierentubulus
Seltenere Formen
- Chromophobes Nierenzellkarzinom: Ursprung sind Zellen des Sammelrohrs
- Ductus-Bellini-Karzinom: Ursprung ist ebenfalls das Sammelrohr
- Medulläres Nierenzellkarzinom
- Tubulozystisches Nierenzellkarzinom
- Klarzellig-papilläres Nierenzellkarzinom
Symptomatik
Das Nierenzellkarzinom verursacht in der Regel keine Frühsymptome, da die Tumorzellen, bei zentralem Wachstum im Parenchym, zunächst keinen Anschluss an das Hohlraumsystem der Niere haben. Im Frühstadium wird die Erkrankung oftmals nur zufällig bei der Sonographie der Abdominalorgane erkannt.
Eine plötzliche, ohne erkennbare Ursache einsetzende, schmerzlose Hämaturie ist ein bedrohliches Spätsymptom und mahnt zur sofortigen Abklärung. Weitere, unspezifische Krankheitszeichen sind:
Eine neuaufgetretene Varikozele, die auch bei Lageänderung in die Horizontale bestehen bleibt, weist auf eine venöse Tumorverlegung hin ("symptomatische Varikozele").
Paraneoplastische Syndrome
Bei 5 % der Erkrankten sind paraneoplastische Syndrome nachweisbar:
- Stauffer-Syndrom: erhöhte alkalische Phosphatase, Verlängerung der Prothrombinzeit, Dysproteinämie
- Hämatologische Paraneoplasie: Polyglobulie (ca. 1 bis 5 % der Patienen)
- Endokrine Paraneoplasie: Hypertonie durch erhöhte Ausschüttung von Renin, Hypokaliämie durch erhöhte Spiegel an ACTH, Hyperkalzämie durch erhöhte Sekretion von Parathormon
- Neuromuskuläre Paraneoplasie
Besonderheiten
Der Tumor kann in die Vena renalis einbrechen und Tumorthromben bilden.
Diagnostik
Bildgebende Verfahren
- Sonographie
- evtl. Urogramm
- Computertomographie
- Kernspintomographie
- Metastasensuche:
Labor
- Urinstatus
- BSG-Erhöhung
- Blutbildveränderungen (Anämie, Polyzythämie)
- Serumanalyse:
- Immunhistochemie
Stadieneinteilung
Die Stadieneinteilung des Nierenzellkarzinoms erfolgt anhand der TNM-Klassifikation und der UICC-Einteilung.
TNM-Stadium | Beschreibung |
---|---|
T1 | auf die Niere begrenzt, Tumorgröße ≤ 7 cm |
T2a | > 7 cm, ≤ 10 cm |
T2b | > 10 cm |
T3a | Infiltration der Vena renalis oder ins perirenale Gewebe |
T3b | Invasion der Vena cava unterhalb des Zwerchfells |
T3c | Invasion der Vena cava oberhalb des Zwerchfells |
T4 | Infiltration der Gerota-Faszie |
N1 | 1 regionärer Lymphknoten befallen |
N2 | ≥ 1 regionärer Lymphknoten befallen |
M1 | Fernmetastasen |
UICC-Stadium | T | N | M |
---|---|---|---|
I | T1 | N0 | M0 |
II | T2 (T2a, T2b) | N0 | M0 |
III | T3a bis T3c | N0 | M0 |
T1 bis T3 | N1 | M0 | |
IV | T4 | N0, N1 | M0 |
alle T | alle N | M1 |
Differentialdiagnose
Differentialdiagnostisch kommen in Betracht:
Therapie
Die operative Entfernung des Tumors ist die Therapie der ersten Wahl. Wenn möglich, sollte der Tumor parenchymsparend entfernt werden. Neuere Studien konnten zeigen, dass die Nierenteilresektion und die Tumornephrektomie hinsichtlich ihres onkologischen Ergebnisses gleichwertig sind. Ausschlaggebend für die Entscheidung ist nicht die Tumorgröße, sondern die Tumorlokalisation. Standardzugänge sind der transperitoneale, lumbale und thorakoabdominale Zugang. Die regionären Lymphknoten werden mitreseziert. Da das venöse Gefäßsystem oftmals durch Tumorthromben verlegt ist, muss gegebenenfalls eine Thrombektomie durchgeführt werden.
Bei fortgeschrittener Erkrankung mit Fernmetastasen wird in der Regel ein palliatives Therapiekonzept verfolgt. Im Vordergrund steht dabei eine adäquate Schmerztherapie. Bei Knochenmetastasen kommen Bisphosphonate oder RANKL-Inhibitoren (z.B. Denosumab) zum Einsatz. Die Indikation zur Tumornephrektomie wird nur gestellt, wenn der Tumor lokale Schmerzen und Blutungen verursacht. Eine symptomatische, adjuvante Strahlentherapie von ossären und zerebralen Metastasen kann angeschlossen werden.
Das Nierenzellkarzinom reagiert in der Regel nicht sensibel auf eine Chemotherapie. Eine Verlängerung der Überlebenszeit kann ggf. durch eine Behandlung mit Interferon und/oder dem mTOR-Hemmer Temsirolimus erzielt werden. Auch Tyrosinkinaseinhibitoren wie Sunitinib können bei metastasierten Tumoren eine Option sein.
Prognose
Die Prognose ist insbesondere abhängig vom Tumorstadium und von den Begleiterkrankungen. Lokal begrenzte Karzinome gehen mit vergleichsweise hohen Überlebensraten einher, bei Vorliegen von Fernmetastasen verringern sich diese jedoch drastisch:
UICC-Stadium | 5-Jahres-Überlebensrate |
---|---|
I | 98 % |
II | 89 % |
III | 73 % |
IV | 18 % |
Podcast
Bildquelle
- Bildquelle Podcast: © blackieshoot / Unsplash
Leitlinien
- AWMF: S3-Leitlinie Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Nierenzellkarzinoms Stand 2021
- DGHO: Onkopedia-Leitlinie Nierenzellkarzinom (Hypernephrom) Stand 2022
Quellen
- Hudes et al.: Journal of Clinical Oncology, 2006 ASCO Annual Meeting Proceedings Part I. Vol 24, No. 18S, 2006, LBA4