Normaldruckhydrozephalus
Synonyme: Normdruckhydrozephalus, Hydrocephalus communicans
Englisch: normal pressure hydrocephalus, NPH
Definition
Der Normaldruckhydrozephalus ist durch Erweiterungen der inneren Liquorräume gekennzeichnet, ohne dass ein deutlich erhöhter intrakranieller Druck vorliegt. Der gemessene Hirndruck ist relativ normal (Durch Studien wurde allerdings gezeigt, dass der Hirndruck phasenweise erhöht ist). Klinisch zeichnet sich das Krankheitsbild durch eine Trias aus Gangstörung, dementieller Entwicklung und Inkontinenz aus.
Geschichte
Hakim und Adams beschrieben erstmals 1965 dieses Krankheitsbild, das anscheinend von einer Liquorzirkulationsstörung ausgeht, die bei normalem Hirndruck zur sukzessiven Erweiterung der Liquorräume und damit einhergehendem Parenchymschwund führt.
Pathophysiologie
Der Begriff "Normaldruckhydrocephalus" ist insofern irreführend, als dass bei den NPH-Patienten zwar bei der Lumbalpunktion ein normaler Hirndruck gemessen wird - dieser Druck gibt jedoch nur eine Näherung des intrakraniellen Drucks wieder. Nach der Modellvorstellung führt beim Normaldruckhydrozephalus ein leicht erhöhter oder transient erhöhter Hirndruck zur allmählichen Ausweitung der Liquorräume. Mit der Ausweitung normalisiert sich der Druck wieder. Die wachsende Oberfläche der Liquorräume führt jedoch gemäß der Formel: Kraft = Druck x Fläche zu einer zunehmenden Belastung für das Gehirn mit konsekutivem Abbau von Hirnsubstanz ("hydraulic-press effect").
Allerdings ist die genaue Pathophysiologie des Normaldruckhydrozephalus unklar. Bisher gibt es verschiedene Theorien, die ihren Schwerpunkt entweder mehr auf eine Liquorzirkulationsstörung oder auf eine vaskuläre Genese des Krankheitsbildes legen.
Einteilung
Der Normaldruckhydrozephalus kann in einen idiopathischen und einen sekundären Typ unterteilt werden. Während der idiopathische NPH meist erst bei älteren Patienten zwischen dem 60. und 70. Lebensjahr auftritt, können beim sekundären NPH auch jüngere Patienten betroffen sein. Der sekundäre NPH tritt beispielsweise nach Subarachnoidalblutung, Schädel-Hirn-Trauma oder Meningitis auf.
Klinik
In der Klinik imponiert die Trias ("Hakim-Trias"):
- Gangstörungen, besonders starke Fallneigung und Ataxie. Auch hier ist das neue Auftreten der Fallneigung verdächtig. Das gilt umso mehr, wenn Synkopen als Ursache des Hinfallens ausgeschlossen werden können. Charakteristisch ist v.a. ein kleinschrittiges Gangbild, das oft auch als "breitbasig" beschrieben wird.
- Rasch fortschreitende Demenz. Jede vorbestehende Demenz, deren Symptomatik sich plötzlich foudroyant verschlechtert, ist suspekt.
- Harninkontinenz, die auch erst im Verlauf auftreten kann und anfänglich einer Urgeinkontinenz ähnelt.
Hakim-Trias: Ataxie, Demenz, Inkontinenz |
Diagnostik
Ein Normdruckhydrozephalus wird häufig übersehen. Wegweisend ist eine sorgfältige Anamnese. Verschlechtert sich die Leistungs- und Gehfähigkeit eines vielleicht schon vorbestehend dementen älteren Patienten plötzlich, kann ein Normdruckhydrozephalus vorliegen. Wenn ein jüngerer Patient plötzlich über Gangstörungen und Leistungseinschränkungen klagt, ohne dass sich eine Ursache dafür findet, sollte man immer auch nach der Kontinenz fragen.
Die durch die charakteristische Klinik gestellte Verdachtsdiagnose kann durch folgende diagnostische Methoden weiter angesichert werden:
- Probatorischer Liquorablassversuch: Er geschieht in Form eines so genannten "Tap-Tests", einer ein- oder mehrmaligen Lumbalpunktion, bei der zwischen 30 und 70 ml Liquor abgelassen werden, oder auch als externe lumbale Drainage, bei der kontinuierlich über 48-72 h Liquor abgelassen wird.
- Lumbaler Infusionstest und Bestimmung des Ausflusswiderstandes (Rout)
- Kranielle Bildgebung (CT, MRT): Deutliche Erweiterung der inneren Liquorräume, insbesondere der lateralen Ventrikel bei fehlender Atrophie des Kortex und dementsprechend schmalem Subarachnoidalraum. Eine Erweiterung der Fissura Sylvii, sowie einzelner kortikaler Sulci kann ebenfalls auftreten. Zudem findet man im CT periventrikulär hypodense Areale – zum Teil als "Polkappen" bezeichnet – um die Vorderhörner der Seitenventrikel, die wahrscheinlich Zeichen einer Liquordiapedese sind.
Differentialdiagnosen
- Hydrocephalus ex vacuo
- Demenz
- Morbus Alzheimer
- Morbus Parkinson
- Morbus Wilson
- Paraneoplastische Enzephalomyelitis
- subkortikale arteriosklerotische Enzephalopathie = Morbus Binswanger
Therapie
Der Normaldruckhydrozephalus wird neurochirurgisch mithilfe eines ventrikuloperitonealen oder ventrikuloatrialen Shunts behandelt. Um die Effektivität einer Shunttherapie zu testen, werden dem Patienten im Vorfeld des Eingriffs bei einer Lumbalpunktion mehrfach größere Liquormengen abgelassen. Kommt es dadurch zu einer Besserung der neurologischen Symptomatik, ist der Erfolg einer Shunttherapie wahrscheinlich.
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