Hypokomplementämische urtikarielle Vaskulitis
Synonyme: Urtikariavaskulitis, Anti-C1q-Vaskulitis, hypokomplementämisches Urtikariavaskulitis-Syndrom
Englisch: hypocomplementemic urticarial vasculitis syndrome
1. Definition
Die hypokomplementämische urtikarielle Vaskulitis, kurz HUVS, ist eine seltene Vaskulitis der kleinen Blutgefäße, die typischerweise mit Urtikaria und Komplementerniedrigung einhergeht.
2. Hintergrund
Bei der hypokomplementämischen urtikariellen Vaskulitis kommt es zu einer Immunkomplexbildung. Möglicherweise führt diese über eine Komplementkaskade zu einer Mastzelldegranulation. Diese könnte dann, über eine Weitstellung der Gefäße und eine Entzündungsreaktion, für die typischen Symptome verantwortlich sein. Pathohistologisch wird die HUVS als leukozytoklastische Vaskulitis (LcV) eingeordnet.
3. Ätiologie
Die genaue Ursache der hypokomplementämischen urtikariellen Vaskulitis ist unbekannt. Die HUVS ist in bis zu 50 % der Fälle mit einem Lupus erythematodes (LE) assoziiert.
4. Klinik
Die Symptomatik der HVUS ist vielgestaltig, da die Erkrankung mehrere Organsysteme betreffen kann.
4.1. Haut und Bewegungsapparat
- Chronische Urtikaria (brennend und stechend; nach Abheilung verbleibt hyperpigmentierte Stelle)
- Leukozytoklastische Vaskulitis
- Arthritis und Arthralgien bis zur Gelenkdeformität
4.2. Auge
4.3. Niere
- Glomerulonephritis
- Proteinurie
- Hämaturie
- Nierenversagen
4.4. Lunge
- Dyspnoe
- Husten (mit und ohne Blutbeimengung)
- Pleuraerguss
- COPD
Die Lungenbeteiligung ist die häufigste zum Tode führende Komplikation der Erkrankung
4.5. Abdomen
4.6. Herz-Kreislauf-System
- Herzklappenbeteiligung
- Angioödem bei Beteiligung tiefer liegender Gefäße
5. Diagnostik
Hinweisend ist die klinische Symptomatik, in erster Line die Kombination aus Urtikaria und Arthralgien. Zur Diagnosesicherung erfolgt eine Hautbiopsie mit pathohistologischer Untersuchung des Biopsats. Weitere Untersuchungen richten sich nach den Organmanifestationen und umfassen z.B. Röntgenthorax, Echokardiografie, Sonografie des Abdomens oder Lungenfunktionsuntersuchung. Klassischerweise sollte eine Urinuntersuchung erfolgen, um eine Nierenbeteiligung auszuschließen.
5.1. Labordiagnostik
In der Antikörperdiagnostik sind folgende Befunde auffällig:
- Anti-C1q-Ak positiv
- ANA ggf. positiv (unspezifisch)
6. Diagnosekriterien
6.1. Hauptkriterien
- rezidivierende Urtikaria für > 6 Monate
- Hypokomplementämie (v.a. C3/C4), diese Fälle sind stark assoziiert mit systemischem Lupus erythematodes und Glomerulonephritis
6.2. Nebenkriterien
- Arthralgie oder Arthritis
- Fieber
- Leukozytoklastische Vaskulitis (Hautbiopsie)
- Uveitis
- Episkleritis
- Glomerulonephritis
- Adominelle Schmerzen
- Anti-C1q-Ak positiv
7. Differentialdiagnosen
Mögliche Differentialdiagnosen sind;
- SLE und andere Kollagenosen
- chronische Urtikaria ohne Vaskulitis
- paraneoplastisches Syndrom mit Urtikaria
- medikamenteninduzierte Urtikaria
- Muckle-Wells-Syndrom
- Cogan-Syndrom
- Schnitzler-Syndrom
- AHA-Syndrom
- Kryoglobulinämie
8. Therapie
Bei alleiniger Hautbeteiligung kommen Antihistaminika zum Einsatz. Diese dienen der Therapie des Juckreizes (Pruritus). In der Regel werden zusätzlich Glukokortikoide (z.B. Prednisolon) benötigt. Diese werden zur Therapie der Immunkomplexbildung eingesetzt. Weitere zum Einsatz kommende Immunsuppressiva sind:
Außerdem kann die Plasmapherese zur Reduktion der Immunkomplexe angewandt werden. Dapson kann zusammen mit Glukokortikoiden und einem Immunsuppressivum als Tripletherapie zum Einsatz kommen.