Englisch: ulcerative colitis
Die Colitis ulcerosa ist eine chronisch-entzündliche Darmerkrankung (CED). Sie ist durch den kontinuierlichen und systematischen Befall der Kolonschleimhaut von distal nach proximal gekennzeichnet.
Im Gegensatz zum Morbus Crohn, bei dem die gesamte Darmwand betroffen ist, handelt es sich bei der Colitis ulcerosa um eine Erkrankung, die ausschließlich den Dickdarm betrifft und hier nur von den oberen Wandschichten (Mukosa und Submukosa) ausgeht.
In Europa variiert die Inzidenz der Colitis ulcerosa zwischen 1 bis 58 Neuerkrankungen pro 100.000 Einwohner. Es besteht ein Nord-Süd-Gefälle mit einer Häufung von Erkrankungen in Skandinavien.
In Deutschland und Frankreich beträgt die Inzidenz ungefähr 3 bis 5 pro 100.000 Einwohner pro Jahr. [1] Die Prävalenz beträgt 40-80/100.000 Einwohner. Der Altersgipfel für die Erkrankung an Colitis ulcerosa liegt zwischen dem 2. und 4. Lebensjahrzehnt. Weiße Bevölkerungsgruppen erkranken viermal häufiger als farbige.
Die Ätiologie der Colitis ulcerosa ist nicht vollständig aufgeklärt. Diskutiert werden eine autoimmune Pathogenese, der Einfluss genetischer Dispositionen, die Ernährung, psychosomatische Ursachen und infektiöse Prozesse.
Pathologische Untersuchungen erlauben eine grobe Bestimmung der pathogenetischen Abläufe im Rahmen der Colitis ulcerosa. Diese läuft in drei Schritten ab:
Die Colitis ulcerosa kann pathologisch in ein frisches und in ein chronisch-fortgeschrittenes Stadium eingeteilt werden. Die beiden Formen imponieren durch charakteristische makroskopische und mikroskopische Veränderungen.
Die Colitis ulcerosa ist zu Beginn der Erkrankung meistens im Rektum lokalisiert. Im Verlauf erfolgt eine Ausdehnung nach oral bis hin zur Pankolitis, der Entzündung des gesamten Colons.
Die Lokalisationshäufigkeit ist folgend verteilt:
Leitsymptom der Colitis ulcerosa sind blutig-schleimige Durchfälle, die ernährungsunabhängig und auch nachts auftreten und häufig sehr quälend sind. Die Durchfälle gehen mit Tenesmen einher.
Je nach Schweregrad der Erkrankung sind Fieber und erhöhte Enzündungsparameter festzustellen. Manchmal geht eine Colitis ulcerosa mit kolikartigen Bauchschmerzen einher. Häufig ist bei der Colitis ulcerosa eine Gewichtsabnahme festzustellen.
Indikatoren für einen schweren Schub sind nach Truelove und Witts:[2]
Bei Kindern wird der PUCAI-Score angewendet, bei dem Bauchschmerzen, rektaler Blutabgang, Stuhlkonsistenz, Stuhlfrequenz, nächtlicher Stuhlgang und Aktivitätsbeeinträchtigung einfließen. Ein Wert von über 65 Punkten zeigt einen schweren Schub an.[3]
Zu unterscheiden sind:
CAVE: Bei einem akuten fulminanten Verlauf kann bereits ein toxisches Megakolon vorliegen. Eine Koloskopie und der Kolonkontrasteinlauf sind daher wegen Perforationsgefahr kontraindiziert. Die Letalität liegt bei etwa 30%. |
Die Colitis ulcerosa kann zu Komplikationen führen und sich auch an anderen Organsystemen manifestieren:
Die wichtigste Untersuchung ist die Koloskopie mit Stufenbiopsie in mindestens 5 verschiedenen Kolonabschnitten einschließlich Rektum.
Nach der Diagnose sind regelmäßige Kontroll-Koloskopien zur Karzinomfrüherkennung durchzuführen:
Bei 10% der Betroffenen ist eine sichere Differenzierung nicht möglich ("indeterminierte Colitis") oder die anfängliche Diagnose muss später revidiert werden ("Konversionsfälle").
Colitis ulcerosa | M. Crohn | |
---|---|---|
Lokalisation | Kolon | Gesamter Verdauungstrakt |
Rektumbeteiligung | Immer | 20% |
Ileumbeteiligung | Selten ("backwash ileitis") | bis 80% |
Ausbreitung | Retikulär-kontinuierlich, von distal (Rektum) nach proximal | Diskontinuierlich von proximal (terminales Ileum) nach distal (Kolon) |
Niveau | Schleimhaut | transmural |
Klinik | Blutig-schleimige Durchfälle | Abdominalschmerzen und Durchfälle meist ohne Blut, evtl. tastbare Resistenz im rechten Unterbauch |
Extraintestinale Symptome | Selten | Häufig |
Typische Komplikationen | Toxisches Megakolon, Blutungen | Fisteln, Fissuren, Abszesse, Stenosen, Konglomerattumoren |
Röntgen | Zähnelung, Pseudopolyposis, Haustren-Schwund → langes glattes Rohr ("Fahrradschlauch") | Fissuren, Pflastersteinrelief, segmentäre kurze Darmstenosen |
Endoskopie | Diffuse Rötung, Vulnerabilität, Kontaktblutung, unscharf begrenzte Ulzerationen, Pseudopolypen | Aphthöse Läsionen, scharf begrenzte landkartenartige Ulzerationen mit "snail tracks", Stenosen, Fisteln, Pflastersteinrelief |
Histologie | Mukosa, Submukosa: Kryptenabszesse, Becherzellverlust Spätstadium: Schleimhautatrophie, Epitheldysplasien |
Gesamte Darmwand und mesenteriale Lymphknoten: Epitheloidzellgranulome (40%) Spätstadium: Fibrose |
Die medikamentöse Therapie ist abhängig vom Schweregrad des Schubs. Begleitend sollten immer psychosomatische Hilfe und Selbsthilfegruppen einbezogen werden. Die chirurgische Therapie hat bei der Behandlung der Colitis ulcerosa, auch kurativ, ihren Stellenwert.
Bei einem Schub mit leichter bis mäßiger Aktivität ist Mesalazin (5-ASA) die Therapie der Wahl. Eingesetzt werden Suppositorien in einer Dosis von mindestens 1 g/d. Ein Vorteil für höhere Dosen ist nicht belegt. Äquivalente Alternativen sind Mesalazinschaum und Mesalazineinläufe. Bei Versagen der Monotherapie kann die rektale Mesalazinanwendung mit topischen Glukokortikoiden oder mit oraler Gabe von Mesalazin kombiniert werden.
Bei einer leichten bis mäßig schweren linksseitigen Colitis ulcerosa wird Mesalazin rektal in einer Dosis von mindestens 1 g/d in Kombination mit oralem Mesalazin (mindestens 3 g/d) eingesetzt. Wenn die Symptome nicht auf diese Kombinationstherapie ansprechen, kann eine systemische Steroidgabe (0,5 - 1 mg/kg Körpergewicht pro Tag Prednisolonäquivalent) begonnen werden. Bei unzureichendem Ansprechen oder Unverträglichkeit gegenüber Mesalazin kann Budesonid 9 mg/d eingesetzt werden.
Bei einem ausgedehntem Befall bei leichter bis mäßiger Aktivität wird orales Mesalazin (mindestens 3 g/d) mit Mesalazineinläufen bzw. Mesalazinschäumen kombiniert. Wenn die Symptome hierauf nicht ansprechen oder bereits bei Diagnosestellung eine schwere Colitis ulcerosa vorliegt, wird eine systemische Steroidtherapie begonnen (0,5 - 1 mg/kg Körpergewicht pro Tag Prednisolonäquivalent).
Bei einem schweren akuten Schub einer Colitis ulcerosa sollte der Patient stationär aufgenommen werden und mit einer systemischen Steroidtherapie (zum Beispiel 1 mg/kg Körpergewicht Prednisolonäquivalent pro Tag) behandelt werden.
Bei Kontraindikationen zur Steroidtherapie oder bei einem fehlenden Ansprechen (steroidrefraktärer Verlauf) kommen folgende Alternativen infrage:
Außerdem sollte bei steroidrefraktärem Verlauf Infektionen mit Clostridium difficile oder Cytomegalievirus ausgeschlossen werden.
Bei Kindern und Jugendlichen wird Methylprednisolon einmal täglich (1 - 2 mg/kg Körpergewicht pro Tag) intravenös gegeben. Bis zu 40% der Kinder sprechen jedoch nicht auf die initiale Therapie an und benötigen eine Eskalation mit Infliximab oder Cyclosporin. Alternativ ist ebenfalls eine Kolektomie zu diskutieren.
Adjuvant sind engmaschige Laborkontrollen, Physiotherapie, psychotherapeutische Betreuung, parenteraler Flüssigkeits- und Elektrolytausgleich, Ernährungstherapie sowie eine Thromboseprophylaxe mit niedermolekularem Heparin notwendig. Alle motilitätshemmenden oder potenziell Mukosa schädigenden Medikamente müssen abgesetzt werden.
Bei einer steroidabhängiger Colitis ulcerosa sollte ein Thiopurin oder TNF-Hemmer (z.B. Infliximab) oder Vedolizumab eingesetzt werden.
Wenn ein Ansprechen auf Aminosalizylate oder Steroide besteht, sollen 5-Aminosalizylate auch als remissionserhaltende Therapie eingesetzt werden. Dabei sollen die Proktitis und die linksseitige Colitis primär rektal therapiert werden. Eine Kombination von oralen und rekalten 5-Aminosalizylaten kann als Zweitlinientherapie verwendet werden. Bevorzugt wird eine tägliche Einmalgabe. Aufgrund des Nebenwirkungsprofils sollte Mesalazin gegenüber Sulfasalazin bevorzugt werden. Die Remissionserhaltung wird mindestens zwei Jahre durchgeführt. Eine Langzeittherapie kann im Hinblick auf eine Karzinomprävention angeboten werden.
Bei erneuten Schüben muss die remissionserhaltende Therapie eskaliert werden:
Sowohl für die lokale als auch systemische Gabe von Kortikosteroiden zur Remissionserhaltung gibt es keine Evidenz.
Nach Remissionsinduktion werden bei Patienten mit milder bis moderater Aktivität Thiopurine eingesetzt, wenn unter 5-Aminosalizylaten gehäuft erneute Schübe auftreten oder eine Unverträglichkeit besteht oder wenn ein Ansprechen auf eine remissionsinduzierende Therapie mit Ciclosporin oder Tacrolimus besteht.
Bei Patienten, die auf eine Therapie mit TNF-Antikörpern ansprechen, wird diese Therapie fortgesetzt und gegebenenfalls mit einem Thiopurin kombiniert. Auch bei Patienten, die auf Vedolizumab ansprechen, wird die Remissionserhaltung mit dem gleichen Präparat fortgesetzt.
Methotrexat, Ciclosporin, Tacrolimus sollten zur Remissionserhaltung nur in Ausnahmesituationen eingesetzt werden. In begründeten Fällen kann der E.coli-Stamm Nissle 1917 als Alternative zu 5-Aminosalizyten eingesetzt werden. Zur genauen Dauer der Remissionserhaltung kann bei fehlender Evidenz aktuell (2019) keine Empfehlung ausgesprochen werden.
Die Standardoperation bei therapierefraktärer Colitis ulcerosa oder maligner Entartung ist eine restaurative Proktokolektomie. Die Ileoanaler Pouch ermöglicht mit dem Erhalt der Kontinenz in über 90% der Patienten und durchschnittlich fünf bis sechs Stuhlgängen pro Tag eine gute Lebensqualität. Die zweizeitige Anlage eines protektiven Ileostomas ist der Regelfall, eine einzeitige Operation erfolgt nur in Ausnahmefällen.
Beim zweizeitigen Vorgehen wird während der Proktokolektomie ein Rektumstumpf zum Erhalt des Sphinkterapparates belassen. Als Rektumersatz bzw. Stuhldepot wird ein Dünndarmbeutel (ileoanaler Pouch) eingesetzt. Das freie proximale Darmende wird in ein protektives Ileostoma ausgeleitet. In einer zweiten Operation (meist nach etwa 3 Monaten) wird der Anus praeter dann zurückverlagert. Ein J-Pouch ist dabei die Konstruktion der Wahl.
Bei erhöhtem perioperativem Risiko kann die Proktokolektomie auch dreizeitig durchgeführt werden. Dabei erfolgt die Kolektomie bis zum rektosigmoidalen Übergang.
Notfallindikationen für eine Operation sind eine freie oder gedeckte Perforation. Aufgrund der immunsuppressiven Therapie werden die Symptome oft maskiert, sodass eine Operation vor Eintreten septischer Komplikationen durchgeführt werden sollte. Trotz operativer Therapie beträgt die Mortalität bis zu 27%. Standardeingriff ist eine Kolektomie mit Blindverschluss des Rektums und endständiger Ileostomie.
Eine schwere Blutung bei Colitis ulcerosa ist für bis zu 5% der Notfalleingriffe verantwortlich. Operationsindikationen sind eine massive intiale Blutung mit Kreislaufinstabilität und Katecholaminpflichtigkeit oder eine fortgesetzte Transfusionspflichtigkeit von mehr als vier Erythrozytenkonzentraten pro 24 Stunden. Bei Kindern gelten andere Kriterien. Standardeingriff ist eine subtotale Kolektomie mit Absetzung im oberen Rektum.
Bei medikamentös therapierefraktärem fulminantem Schub sollte nach maximal fünf bis sieben Tagen eine Operation durchgeführt werden. Bei einer Verschlechterung unter der Therapie besteht eine dringliche Operationsindikation innerhalb von 24 Stunden. Liegt ein toxisches Megakolon vor, beträgt das Zeitfenster einer konservativen Therapie 48 bis maximal 72 Stunden.
Weitere Indikationen für eine operative Therapie sind Kinder und Jungedliche mit aktiver Colitis und Wachstumsstörungen trotz adäquater Therapie nach Ausschluss anderer Ursachen.
Bei der Therapie mit immunsuppressiven Medikamenten steigt das Risiko für Infektionen, insbesondere bei älteren Patienten, Komorbiditäten sowie Mangelernährung. Daher muss bei Erstdiagnose und spätestens vor Beginn einer Therapie bei allen Patienten ein Screening auf Hepatitis B, Tuberkulose und EBV durchgeführt werden incl Röntgenaufnahme der Lunge und Interferon-gamma-Release-Assay. Des Weiteren muss der Impfstatus überprüft und aktualisiert werden. Bei Patienten mit dreifacher immunsuppressiver Therapie, kann eine Pneumocystis jiroveci-Prophylaxe sinnvoll sein. Im Falle eines schweren akuten Schubs, atypischer Symptomatik, therapierefraktärem Verlauf sowie vor Therapieeskalation ist eine mikrobiologische Diagnostik incl. Ausschluss von Clostridium difficile notwendig.
In klinischen Studien hat die bewusste Infektion mit bestimmten Peitschenwürmern (Trichuris trichiura) bzw. Schweinepeitschenwürmern (Trichuris suis) eine Remission bewirkt. Der Effekt wird auf eine erhöhte Produktion von Interleukin-22 zurückgeführt. Die Wurmtherapie ist zur Zeit (2012) in Deutschland kein überprüftes, klinisches Standardverfahren.
Zur Remissionserhaltung können folgende Phytotherapeutika komplementär eingesetzt werden. Die Evidenz für diese Therapiemaßnahmen ist jedoch gering.
Das Sterblichkeitsrisiko ist insgesamt um den Faktor 1,7 höher als bei Gesunden. Ein Kolonkarzinom tritt nur bei totalem oder subtotalem Befall auf, das Risiko liegt etwa bei 6%.
MERKE: Die Colitis ulcerosa ist durch Kolektomie heilbar! Bei Versagen der konservativen Therapie sollte daher eine Operation in Erwägung gezogen werden! |
Colitis in Children: A Systematic Review and Joint Statement From ECCO, ESPGHAN, and the Porto IBD Working Group of ESPGHAN, Am J Gastroenterol 2011; 106:574–588, abgerufen am 08.07.2019
Tags: Colon, Darm, Entzündung
Fachgebiete: Allgemeine Chirurgie, Gastroenterologie
Diese Seite wurde zuletzt am 18. Februar 2022 um 22:56 Uhr bearbeitet.
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