Morbus Whipple
nach George H. Whipple (1878 bis 1976), amerikanischer Pathologe
Synonyme: Lipodystrophia intestinalis, intestinale Lipodystrophie, Steatorrhoea arthropericardiaca
Englisch: Whipple's disease
Definition
Der Morbus Whipple ist eine seltene systemische Infektionskrankheit, die neben dem obligat betroffenen Gastrointestinaltrakt verschiedene andere Organsysteme befallen kann.
Ätiologie
Zur Entstehung des Morbus Whipple werden verschiedene Erklärungsmodelle diskutiert. Heute weitgehend anerkannt ist die Theorie einer Infektion mit dem zu den Aktinomyzeten zählenden Bakterium Tropheryma whipplei, wobei die Art der Übertragung noch ungeklärt ist. Daneben werden genetische Dispositionen angenommen: HLA-B27 lässt sich überzufällig häufig bei von Morbus Whipple betroffenen Patienten nachweisen. Auch Defekte in der Funktion von Makrophagen werden zur Erklärung der Ursache eines Morbus Whipple angeführt.
Epidemiologie
Aufgrund der extremen Seltenheit der Erkrankung gibt es bisher (2025) keine größeren Erhebungen zur Verbreitung des Morbus Whipple. Allerdings erscheinen in der Fachpresse vor allem Kasuistiken von Männern zwischen 30 und 60 Jahren.
Bei etwa 2 bis 4 % der Bevölkerung liegt eine asymptomatische Kolonisierung des Darmlumens mit Tropheryma whipplei vor, deren Bedeutung aktuell unklar ist.[1]
Histologie
Im histologischen Präparat lässt sich die ödematös aufgeschwollene Dünndarmwand darstellen, die von zahlreichen phagozytierenden Makrophagen durchsetzt ist. In diesen Makrophagen lassen sich nach PAS-Färbung zahlreiche sichelförmige Einschlusskörperchen nachweisen. Die so angefärbten Zellen werden als „sickle particle containing cells“ oder SPC-Zellen bezeichnet und sind pathognomonisch für den Morbus Whipple. Sie treten bei der Erkrankung neben der Darmwand auch in vielen anderen Organen auf.
Symptomatik
Die beim Morbus Whipple auftretenden Symptome betreffen neben dem primär befallenen Dünndarm auch zahlreiche andere Organsysteme. Die nationale Leitlinie empfiehlt, insbesondere bei folgenden Symptomen unklarer Ursache einen Morbus Whipple in Betracht zu ziehen:[1]
- Kombination von Arthritis, Gewichtsabnahme und chronischer Diarrhö
- chronische seronegative Arthritis
- kulturnegative Endokarditis
- Blicklähmung und Myoklonus
Weitere mögliche Manifestationen des Morbus Whipple sind:
- Intestinale Symptome:
- Abdominelle Schmerzen
- Meteorismus
- Steatorrhö
- Malabsorption
- Diarrhö
- Extraintestinale Symptome (abhängig vom Organbefall):
- Allgemeinbefinden
- Herzkreislaufsystem
- Chronischer Husten
- Angina-pectoris-Beschwerden
- Belastungsdyspnoe
- Gelenke
- Metabolismus
- Nervensystem
- Kopfschmerzen
- Demenzsymptome
- Apathie
- Parkinsonismus
- Ataxie
- Somnolenz
- choreiforme Bewegungsstörungen
- Okulomastikatorische Myorhythmie (pathognomonisch für eine zerebrale Manifestation des Morbus Whipple)
- Sinnesorgane
- Haut
- Abnorme braune Hautpigmentierung
Diagnostik
Die Diagnose des Morbus Whipple erfolgt meist im Rahmen einer endoskopischen Abklärung. Bei begründetem Verdacht ist als erste Maßnahme die Durchführung einer Ösophagogastroduodenoskopie mit Schleimhautbiopsie empfohlen.[1]
Im endoskopischen Befund erkennt man in der Duodenalmukosa zahlreiche gestaute, weißliche Lymphgefäße ("Schneegestöber"). Nach Entnahme einer Biopsie werden eine HLA-Typisierung und eine PAS-Färbung mit SPC-Zell-Nachweis durchgeführt. Ein Direktnachweis der bakteriellen DNA von Tropheryma whippelii ist auch per PCR möglich und sollte als Bestätigungstest erfolgen.[1]
Der radiologische Breischluck lässt eine palisadenförmige Aufwerfung der Plicae circulares erkennen. Keimnachweise im Stuhl ergänzen und vervollständigen die Diagnostik.
Therapie
Die Therapie des Morbus Whipple erfolgt mit Hilfe von Antibiotika. Empfohlen ist die Gabe von Ceftriaxon 2 g i.v. über zwei Wochen, gefolgt von 2 x tägl. Cotrimoxazol 960 mg p.o. für ein Jahr.[1]
Verschiedene andere Substanzen, wie Penicilline, Tetracycline, Sulfonamide, Makrolide und Cephalosporine, sowie deren Kombination, haben in Einzelfällen ebenfalls gute Wirkungen gezeigt. Eine generelle Nutzenbewertung ist aufgrund der unzureichenden Datenlage aber bisher (2025) nicht möglich.
Zusätzlich sollte eine symptomatische Behandlung durch Gabe von Vitaminen, Elektrolyten und Spurenelementen erfolgen. Trotz des guten Anschlagens der Therapie kommt es relativ häufig zu Relapsen, oft mit neurologischer Symptomatik; man vermutet daher, dass Keime im Gehirn überdauern können.
Es sollten in regelmäßigen Abständen Endoskopien mit Probeentnahmen durchgeführt werden. Durch hochgradig sensitive Nachweisverfahren von bakteriellen Genen mittels PCR lässt sich der Therapieerfolg molekularbiologisch kontrollieren.
Ohne Therapie verläuft der Morbus Whipple letal, unter Therapie ist die Prognose jedoch günstig.
Literatur
- M. Whipple | el-IPH Lehrtexte Spezielle Pathologie, abgerufen am 03.01.2021