Coxsackie-Virus
nach der US-amerikanischen Stadt Coxsackie, dem Ort der Erstisolation
Definition
Coxsackie-Viren sind RNA-Viren aus der Familie der Picornaviren. SIe sind eine häufige Ursache von Erkältungen, Meningitiden und Myokarditiden.
Taxonomie
- Bereich: Riboviria
- Ordnung: Picornavirales
- Familie: Picornaviridae
- Gattung: Enterovirus
- Arten: humanes Enterovirus A, humanes Enterovirus B
- Serotypen: 24 Coxsackieviren der Gruppe A, 6 Serotypen der Gruppe B
- Arten: humanes Enterovirus A, humanes Enterovirus B
- Gattung: Enterovirus
- Familie: Picornaviridae
- Ordnung: Picornavirales
Coxsackie-Viren gehöhren wie das Hepatitis-A-Virus zu der Familie der Picornaviren. Die Gattung der Enteroviren umfasst neben den Coxsackieviren auch Polioviren, Rhinoviren und Echoviren. Die Enteroviren erhielten den Namen aufgrund der Fähigkeit, sich im Gastrointestinaltrakt zu vermehren. Sie sind jedoch keine häufige Ursache einer Gastroenteritis.
Die früher übliche Unterteilung in Entero-, Coxsackie- und Echoviren ist heute (2020) zugunsten einer phylogenetischen Einteilung in vier humane Enterovirus-Spezies (A-D) aufgegeben worden. Dabei wird jedoch die traditionelle Unterteilung anhand der Serotypnamen in die Untergruppen Coxsackie A und Coxsackie B weiterverwendet.
Der Name Coxsackie stammt von dem Ort im US-Bundesstaat New York, in dem die Erstisolierung erfolgte.
Morphologie
Coxsackie-Viren sind nur etwa 20 bis 40 nm groß und bestehen aus einer einzelsträngigen, positiv polarisierten RNA. Das Genom ist von einem kubischen Kapsid umhüllt, eine Virushülle besitzen Coxsackie-Viren nicht.
Coxsackie-Viren weisen eine hohe Stabilität in saurem Milieu auf. Sie sind sensibel gegenüber chlorhaltigen Desinfektionslösungen, werden aber durch Standarddesinfektionsmittel (z.B. auf Basis von Alkohol oder Detergenzien) nicht inaktiviert und können über Tage bei Raumtemperatur überleben.
Diagnostik
Diagnostische Maßnahmen hängen von dem jeweiligen Krankheitsbild ab. In der Akutphase kann man den molekularbiologischen Nachweis in Rachenspülwasser, Liquor, Stuhl oder Myokardbiopsaten mittels der PCR erbringen.
Serologische Untersuchungen sind für die Diagnosestellung selten verlässlich, bei Verlaufskontrollen kann jedoch ein deutlicher Titeranstieg diagnostische Hinweise geben.
Coxsackie-B-Viren und die meisten Coxsackie-A-Viren lassen sich gut auf Affennierenzellen züchten. Einige Coxsackie-A-Viren können nur im Tierversuch isoliert und dann auf Zellkulturen passagiert werden.
Klinik
Pathogenese
Coxsackie-Viren werden von Mensch zu Mensch auf fäkal-oralem Infektionsweg weitergegeben. Teilweise ist auch eine Schmier- oder eine Tröpfcheninfektion möglich. Nach oraler Aufnahme vermehren sie sich in der Rachenschleimhaut, später in der Darmwand. Viele Enteroviren benutzen das Transmembranprotein CAR (Coxsackie-Adenovirus-Rezeptor) als zellulären Rezeptor. Durch Virämie kommt es anschließend zu unterschiedlichen Organmanifestationen. Coxsackie-Viren werden hauptsächlich über den Stuhl ausgeschieden.
Krankheitsbilder
Infektionen mit Coxsackie-Viren verlaufen häufig asymptomatisch oder mit nur geringen Beschwerden. Die häufigste klinische Manifestation einer Coxsackie-Virus-Infektion ist eine unspezifische Fiebererkrankung ("Sommergrippe"): Nach einer Inkubationszeit von 3-6 Tagen entwickeln die Patienten akut Fieber, Unwohlsein und Kopfschmerzen. Gelegentlich sind auch Symptome des oberen Respirationstraktes (Pharyngitis, Schnupfen) sowie Erbrechen und Übelkeit zu beobachten. Begleitend kann eine milde Gastroenteritis auftreten. Die Symptome dauern normalerweise 3–4 Tage, längstens 1 Woche. Während respiratorische Infekte anderer viraler Genese typischerweise im Spätherbst bis zum Frühjahr auftreten, kommen febrile Erkrankungen durch Enteroviren häufig im Sommer und Frühherbst vor.
Weiterhin führen Coxsackie-Viren wie auch andere Enteroviren zu folgenden klinischen Manifestationen:
- akute hämorrhagische Konjunktivitis (Coxsackievirus A24)
- aseptische Meningitis (A2, A4, A7, A9, A10, B1-B5)
- Enzephalitis (A9, B1-B5)
- Paralyse (A4, A7, A9, B1-B5)
- Exanthem (A4, A5, A9, A10, A16, B1, B3-B5)
- generalisierte Erkrankung beim Neugeborenen (B1-B5)
- Hand-Fuß-Mund-Krankheit (A5-A7, A9, A10, A16, B1, B3-B5)
- Herpangina (A1-A10, A16, A22, B1-B5)
- Myokarditis, Perikarditis (A4, A9, A16, B1-B5)
- Pleurodynie (A1, A2, A4, A6, A9, A10, A16, B1-B6)
- Pneumonie (A9, A16, B1-B5)
Das Coxsackie-Virus B (v.a. B4 und B5) konnte aus mehreren Autopsien des Pankreas von Kindern mit Typ-1-Diabetes isoliert werden. Es steht in Verdacht die zugrundeliegenden Autoimmunprozesse zu triggern. Die genaue pathophysiologische Relevanz ist jedoch derzeit (2020) unklar.[1]
Generalisierte Erkrankung beim Neugeborenen
Die schwersten Coxsackie-Virus-Infektionen treten bei Kleinkindern in der ersten Lebenswoche auf, obwohl schwere Erkrankungen auch bis zum dritten Lebensmonat vorkommen können. Das klinische Bild gleicht einer bakteriellen Sepsis mit Fieber, Unruhe oder Lethargie. Des Weiteren findet sich eine Leukozytose mit Linksverschiebung, eine Thrombozytopenie, eine Erhöhung der Transaminasen sowie eine Pleozytose im Liquor cerebrospinalis. Im Verlauf können sich verschiedene Komplikationen entwickeln, z.B. eine Myokarditis, eine Hepatitis, eine disseminierte intravasale Gerinnung (DIC), eine Meningitis bzw. Meningoenzephalitis oder eine Pneumonie. Diagnostisch wichtig sind anamnestische Hinweise wie eine mögliche kurz zurückliegende Virusinfektion der Mutter.
Meningitis, Enzephalitis
Bei Kindern und jungen Erwachsenen sind Coxsackieviren eine häufige Ursache einer aseptischen Meningitis. In Regionen mit gemäßigtem Klima treten Meningitiden durch Coxsackie-Viren vor allem im Sommer und Herbst auf, während virale Meningitiden anderer Ursache im Winter und Frühjahr häufiger sind. Die Patienten entwickeln ein akutes Krankheitsbild mit Fieber, Schüttelfrost, Kopfschmerzen, Photophobie, Schmerzen bei Augenbewegungen sowie Übelkeit und Erbrechen. In der klinischen Untersuchung zeigt sich ein Meningismus ohne fokal-neurologische Symptome sowie ggf. eine Somnolenz. In manchen Fällen kommt es zu einer febrilen Erkrankung, die sich kurzzeitig bessert, aber einige Tage später mit klinischen Zeichen einer Meningitis wieder auftritt.
Weitere Manifestationen wie Pharyngitis, Husten, Diarrhö, Myalgien, Exanthem, Pleurodynie, Myokarditis oder Herpangina können auf eine Coxsackievirus-Infektion hinweisen. Im Liquor liegt regelhaft eine Pleozytose vor. Innerhalb eines Tages kommt es i.d.R. zu einer Verschiebung des Differenzialzellbildes im Liquor von einer Granulozytose zu einer Lymphozytose. Die Glukosekonzentration im Liquor ist meist normal, die Proteinkonzentration ist normal oder leicht erhöht. Die Symptome bessern sich gewöhnlich innerhalb einer Woche, obwohl die Liquorveränderungen mehrere Wochen lang persistieren können. Die Meningitis verläuft bei Erwachsenen oftmals schwerer als bei Kindern. Neurologische Folgeschäden sind selten, die Prognose ist insgesamt sehr gut.
Eine Enzephalitis tritt insgesamt seltener auf als die aseptische Meningitis. Manifestationen sind z.B. eine zunehmende Lethargie sowie Desorientiertheit und Krampfanfälle. Immunkompetente Patienten haben eine gute Prognose.
Patienten mit Hypogammaglobulinämie, Agammaglobulinämie oder schwerem kombiniertem Immundefekt können eine chronische Meningitis oder Enzephalitis entwickeln. Etwa die Hälfte dieser Patienten weist eine der Dermatomyositis ähnliche Symptomatik mit peripheren Ödemen, Exanthem und Myositis auf. Eine chronische Hepatitis kann ebenfalls vorkommen. Häufiger als Coxsackieviren sind hierbei jedoch Echoviren (v.a. Echovirus 11).
Gelegentlich treten durch Infektionen mit Coxsackie-Virus A7 und A9 (sowie Enterovirus 70 oder 71) auch periphere schlaffe Lähmungen (Paralysen) auf, ähnlich wie beim Poliovirus. Auch ein Guillain-Barré-Syndrom sowie Bulbärparalysen können mit Enteroviren assoziiert sein.
Pleurodynie
Die Pleurodynie, auch als Bornholm-Krankheit oder epidemische Myalgie bezeichnet, manifestiert sich durch akut einsetzendes Fieber und stechende, krampfartige thorakale Schmerzen. Zusätzlich können (v.a. bei Kindern) Beschwerden im Oberbauch bestehen. Die Attacken dauern etwa 15 bis 30 Minuten und gehen oftmals mit Schweißausbrüchen und einer Tachypnoe einher. Das Fieber ist etwa 1 Stunde nach Beginn dieser Anfälle am höchsten und nimmt mit Abklingen der Schmerzen ab. Die betroffenen Muskeln sind druckschmerzhaft, mitunter kann ein Pleurareiben auskultierbar sein. Blutbild und Röntgenthorax sind meist unauffällig. Die meisten Fälle werden durch das Coxsackie-B-Virus verursacht und treten epidemisch auf. Die Symptome bessern sich innerhalb weniger Tage, Rezidive sind selten. Die Therapie besteht in der Gabe von nichtsteroidalen Antiphlogistika (NSAR) und weiteren symptomatischen Maßnahmen (z.B. Wärmebehandlung der betroffenen Region).
Myokarditis, Perikarditis
Ungefähr ein Drittel der akuten Myokarditiden wird durch Enteroviren (v.a. Coxsackie-Virus B1 bis B5) verursacht. Die meisten Fälle treten bei Neugeborenen, Jugendlichen oder jungen Erwachsenen auf. Mehr als zwei Drittel der Betroffenen sind männlich. Die Patienten weisen oft Zeichen einer Infektion der oberen Atemwege auf, die von Fieber, Thoraxschmerzen, Dyspnoe und kardialen Arrhythmien begleitet sein können. Gelegentlich entwickelt sich eine Herzinsuffizienz. Auskultatorisch kann in ca. 50 % d.F. ein Perikardreiben nachgewiesen werden. Das EKG zeigt ST-Streckenhebungen oder unspezifische Veränderungen. Laborchemisch finden sich oft erhöhte Herzenzyme (CK-MB, Troponin). Bei Neugeborenen entstehen oft schwerere Verläufe, während die Erkrankung bei älteren Kindern und Erwachsenen meist vollständig ausheilt. In bis zu 10 % d.F. entwickelt sich langfristig eine dilatative Kardiomyopathie. Seltener kann eine chronische konstriktive Perikarditis entstehen.
Exantheme
Enterovirusinfektionen (z.B. durch Coxsackie A4 oder B1) sind die häufigste Ursache von Exanthemen bei Kindern im Sommer und Herbst. Während Exantheme allgemein von vielen Enteroviren verursacht werden können, gibt es auch spezielle Formen, die durch bestimmte Virustypen ausgelöst werden (z.B. bei Echovirus 9 und 16).
Hand-Fuß-Mund-Krankheit
Nach einer Inkubationszeit von 4–6 Tagen entwickeln Patienten mit Hand-Fuß-Mund-Krankheit Fieber, Appetitlosigkeit und allgemeines Krankheitsgefühl. Anschließend treten Halsschmerzen und Bläschen an der Schleimhaut der Wangen und der Zunge auf. Hinzu kommen bläschenförmige Läsionen am Handrücken, manchmal unter Beteiligung der Handflächen. Diese Vesikel können Blasen formen und schließlich ulzerieren. Ungefähr ein Drittel der Patienten hat auch Läsionen am Gaumen, der Uvula und den Tonsillen, und ein weiteres Drittel der Erkrankten entwickelt einen Ausschlag an den Füßen und Fußsohlen sowie im Bereich des Gesäßes. Die Krankheit ist hochinfektiös. Die Läsionen bilden sich normalerweise innerhalb einer Woche zurück. Die meisten Erkrankungen sind durch eine Infektion mit Coxsackie A16 oder Enterovirus 71 bedingt.
Epidemien traten z.B. 1998 in Taiwan sowie 2008-2010 in China (Enterovirus 71) auf. Dabei zeigten sich variable Komplikationen wie Meningitis, Enzephalitis mit Myoklonien und Tremor, Krampfanfälle, Lungenödem bis hin zum Koma. In anderen asiatischen Ländern kommt es alle 2 bis 3 Jahre zu zyklischen Ausbrüchen. In den USA, Europa und Afrika zirkuliert das Virus in geringeren Raten.
Herpangina
Eine Herpangina wird durch das Coxsackievirus A verursacht. Klinisch kommt es meist zu akut einsetzendem Fieber, Halsschmerzen, Odynophagie sowie grauweißen, papulovesikulären Läsionen auf einem erythematösen Grund, die zu Ulzerationen neigen. Die Läsionen können wochenlang persistieren und finden sich häufig auf dem weichen Gaumen, den Tonsillen und der Uvula. Im Gegensatz zur durch das Herpes-simplex-Virus verursachten Stomatitis aphthosa ist die enterovirale Herpangina nicht mit einer Gingivitis assoziiert. Eine akute lymphonoduläre Pharyngitis durch Coxsackievirus A10 geht mit weißlich gelben Knötchen im hinterern Oropharynx einher, die von einem Erythem umgeben sind. Diese Läsionen ulzerieren nicht.
Akute hämorrhagische Konjunktivitis
Patienten mit einer akuten hämorrhagischen Konjunktivitis leiden unter plötzlich auftretenden schweren Augenschmerzen, verschwommenem Sehen, Photophobie und vermehrtem Tränenfluss. Die klinische Untersuchung zeigt ein Lidödem, Chemosis sowie subkonjunktivale Blutungen, häufig auch eine Keratitis superficialis punctata und konjunktivale Follikel. Begleitend kann eine präaurikuläre Lymphknotenschwellung auftreten. Epidemien und nosokomiale Ausbreitungen kommen bei einer Infektion mit Enterovirus 70 oder Coxsackievirus A24 vor. Systemische Symptome wie Kopfschmerzen und Fieber treten in 20 % der Fälle auf. Die Erkrankung bildet sich normalerweise innerhalb von 10 Tagen zurück. Der plötzliche Beginn und die kurze Dauer der Erkrankung sind differenzialdiagnostisch hilfreich, um sie von anderen Augeninfektionen abzugrenzen (z.B. durch Adenoviren oder Chlamydia trachomatis).
Therapie
Infektionen mit Coxsackie-Viren werden symptomatisch behandelt. Die Gabe von Glukokortikoiden ist kontraindiziert.
Literatur
- Müller-Redetzky H, Suttorp N. Enteroviren. In: Suttorp N, Möckel M, Siegmund B et al., Hrsg. Harrisons Innere Medizin. 19. Auflage. ABW Wissenschaftsverlag; 2016.
Quellen
- ↑ Filippi et al. Viral Trigger for Type 1 Diabetes, Diabetes 2008