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Poliovirus

Synonyme: Polyomyelitis-Virus, Polio-Virus
Englisch: poliovirus

1. Definition

Polioviren sind RNA-Viren, die zur Gruppe der Enteroviren gehören und die Krankheit Poliomyelitis (Kinderlähmung, auch bekannt als Polio) auslösen.

2. Einteilung

Als Mitglied der Enteroviren gehört das Poliovirus zu den Picornaviren (= Pico-RNA-Viren). Sie sind plus-RNA-Viren ohne Virushülle mit einer ungefähren Größe von 25 nm. Die ikosaedrischen Viren reifen im Zytoplasma. Das Poliovirus ist weltweit verbreitet.

Es gibt drei Typen (Serovare) des Poliovirus:

  • Wild-Poliovirus Typ 1 (WPV1): häufigster Erreger, der eine schwere Erkrankung auslöst
  • Wild-Poliovirus Typ 2 (WPV2): verursacht nur eine leichte Erkrankung
  • Wild-Poliovirus Typ 3 (WPV3): verursacht eine schwere Erkrankung

Darüber hinaus existieren sogenannte zirkulierende Impfstoff-abgeleitete Polioviren (engl. "circulating vaccine-derived poliovirus", kurz cVDPV). Dabei handelt es sich um Polioviren, die sich aus dem abgeschwächten Virus des oralen Polioimpfstoff ableiten. Sie können bei nicht geimpften Personen eine Vakzin-assoziierte Polymyelitis auslösen.[1]

3. Epidemiologie

Die WHO erklärte sowohl WPV2 (2015) als auch WPV3 (2019) für ausgerottet. Derzeit (2022) zirkuliert in einigen Ländern noch WPV1. Betroffene Länder sind beispielsweise Afghanistan und Pakistan. Zirkulierende Impfstoff-abgeleitete Polioviren treten insbesondere in Afrika auf. Darüber hinaus konnten Impfstoff-abgeleitete Polioviren in Abwasserproben, unter anderem im US-Bundesstaat New York und in London, nachgewiesen werden.[1][2] Im September 2022 wurde daraufhin im US-Bundesstaat New York der Katastrophenalarm ausgerufen. In den USA wurde im Juli erstmals seit etwa 10 Jahren wieder eine Poliomyelitis diagnostiziert. Man vermutet, dass sie ebenfalls durch Impfstoff-abgeleitete Polioviren ausgelöst wurde.[3][4][5]

4. Übertragung

Das Poliovirus wird fäkal-oral übertragen. Durch eine Aufnahme über den Mund (Schmierinfektion, z.B. durch verunreinigtes Trinkwasser oder Lebensmittel) gelangt das Virus in den Darm und vermehrt sich in der Darmwand und den Lymphknoten.

Gelangt das Virus auch in das Blut, so kann auch das zentrale Nervensystem (ZNS) betroffen sein. Das Virus befällt die Motoneurone im Vorderhorn des Rückenmarks und in der Hirnrinde.

Das Virus wird in großer Zahl im Stuhl ausgeschieden, und zwar auch von Infizierten, die selbst keine Symptome der Erkrankung zeigen. Polio tritt vor allem in gemäßigten Klimazonen während der warmen Jahreszeit auf.

5. Klinik

Ca. 99 % der Infektionen bleiben symptomlos, nur 1 % führt zu einer symptomatischen Erkrankung. Nach einer Inkubationszeit von ca. 1 bis 3 Wochen treten unspezifische Allgemeinsymptome bzw. grippeähnliche Beschwerden wie Fieber oder Kopfschmerzen auf, gefolgt von einer Entzündung des Rachens (Pharyngitis) und der Mandeln (Tonsillitis).

Die Beteiligung des ZNS äußert sich als aseptische Meningitis (Gehirnhautentzündung) oder Poliomyelitis.

6. Nachweis

Das Virus kann aus Rachenspülwasser, Stuhl, Blut und Liquor isoliert werden. Eine Kultivierung des Poliovirus ist in Nierenzellen von Affen möglich. Ein Anstieg neutralisierender Antikörper kann die Diagnose absichern.

7. Therapie

Es gibt keine spezifische Therapie gegen Polio, die die Ursachen bekämpft. Behandelt werden lediglich die Symptome.

8. Prophylaxe

Es ist kaum möglich sich vor einer Aufnahme der Erreger zu schützen, da sie überall vorkommen, monatelang im Trinkwasser überleben können und zudem sehr klein sind (und damit z.B. Trinkwasserfilter wirkungslos machen). Umso wichtiger ist eine Prophylaxe in Form einer Schutzimpfung. Hierbei unterscheidet man zwei Arten:

Zwei Impfdosen werden im Abstand von 6 bis 8 Wochen, eine dritte Dosis nach 12 Monaten gegeben. Eine Auffrischung der Impfung ist nach 10 Jahren zu empfehlen.

Seit 1998 empfiehlt die Ständige Impfkommission den generellen Einsatz von inaktivierten Polio-Vakzinen, da nach einer Impfung mit Lebendimpfstoff die Gefahr besteht, dass die geimpfte Person aktive Polioviren mit dem Stuhl ausscheidet, was zu einer Gefährdung von nicht geimpften Personen (die z.B. im selben Haushalt leben) führen kann. In einigen Länder wird der orale Polioimpfstoff jedoch noch weiter verwendet.

Da es mehrere Typen des Virus gibt (siehe oben), existiert ein sicherer Schutz vor Poliomyelitis erst, wenn eine Immunität gegen alle drei Serotypen, also alle drei Arten, besteht. Es werden nämlich spezifische Antikörper gegen jeden Serotyp gebildet, es kommt jedoch nicht zu einer Kreuzimmunität.

9. Quellen

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