Enteroviren
Synonym: Enteroviridae
Definition
Enteroviren sind RNA-Viren, die zu den Picornaviren (Pico-RNA-Viren) gehören.
Eigenschaften
Wie alle Picornaviren sind Enteroviren plus-Einzelstrang-RNA-Viren ohne Virushülle ("ss(+)-RNA Genom"). Sie besitzen eine positive Polarität, d.h. das Virusgenom kann direkt (wie eine mRNA) abgelesen werden und in virales Protein übersetzt werden. Die ikosaedrisch geformten Viren sind ungefähr 25 nm groß und reifen im Zytoplasma.
Enteroviren sind säurestabil und kommen weltweit bei Menschen, Nagern, Schweinen, Rindern und verschiedenen Affenarten vor. Sie befallen u.a. die Zellen des Magen-Darm-Trakts, die Übertragung erfolgt im Regelfall fäkal-oral.
Einteilung
Es gibt verschiedene Arten von Enteroviren:
Polioviren
Polioviren sind Auslöser grippaler Infekte, unter Umständen mit ZNS-Beteiligung. Die bekannteste von ihnen verursachte Krankheit ist die Poliomyelitis, auch bekannt als Kinderlähmung. Es können jedoch auch aseptische Meningitiden (Gehirnhautentzündung) ausgelöst werden. Es gibt 3 Serovare (Arten) des Poliovirus.
Coxsackie-Viren
Coxsackie-Viren werden in Gruppe A (24 Serotypen) und B (6 Serotypen) eingeteilt. Sie verursachen grippale Infekte, Angina oder Rhinitis (Schnupfen). Selten treten Infektionen des ZNS, Respirationstrakts und Herzmuskels (Myokard) auf.
Außerdem sind sie die Erreger der überwiegend bei Kindern auftretenden Hand-Fuß-Mund-Krankheit (HFMK) und der Pleurodynia epidemica, auch bekannt als "Bornholm-Erkrankung", die sich durch Muskelschmerzen (Myalgie), Pleurodynie, Herzmuskelentzündung (Myokarditis), Enteritis und Bindehautentzündung (Konjunktivitis) äußert.
Echoviren
Echoviren, die Abkürzung steht für "enteric cytopathogenic human orphan" viruses, werden in 31 Serotypen unterschieden. Sie verursachen unspezifische grippale Infekte, sowie Durchfall (Diarrhö), Infektionen des Respirationstrakts oder Meningitiden.
Hepatitis-A-Virus
Das Hepatitis-A-Virus wird auch als Enterovirus 72 bezeichnet und ist der Erreger der Hepatitis A. Die Übertragung erfolgt vor allem durch Lebensmittel und Wasser, im Gegensatz zu den anderen Hepatitisformen. Daher wird Hepatitis A auch als Hepatitis epidemica bezeichnet. Nach einer Infektion über den Mund vermehren sich die Erreger in der Darmwand, bei Übertritt ins Blut kommt es zu einer Virämie und schließlich zum Befall der Leber und deren Entzündung (Hepatitis).
Humane Enteroviren
Dazu gehören die Enteroviren 68-71. Enterovirus 68 vereinigt die molekularen Eigenschaften von Enteroviren und Rhinoviren und löst akute Atemwegsinfekte aus.[1] Zudem kann er in einigen Fällen Polio-ähnliche Symptome verursachen.[2] Enterovirus 70 ist der Erreger einer akuten hämorrhagischen Konjunktivitis.
Übertragung
Die Infektion mit Enteroviren kann über Tröpfcheninfektion erfolgen, meist geschieht sie jedoch über fäkal-orale Übertragung (Schmierinfektion). Nach der Aufnahme der Erreger, z.B. durch verunreinigte Lebensmittel oder Trinkwasser, gelangen diese in den Magen-Darm-Trakt und vermehren sich in der Darmwand und den mesenterialen Lymphknoten.
Klinik
Enteroviren verursachen vor allem gastrointestinale, also den Magen-Darm-Trakt betreffende, Beschwerden. Sie können aber auch einen Atemwegsinfekt, eine Pleuritis, eine Konjunktivitis, eine Myokarditis oder eine Meningitis auslösen. Auch eine Beteiligung der Haut und Schleimhäute kommt vor (Exantheme, Enantheme). Die meisten Infektionen (bis zu 99%) verlaufen jedoch symptomfrei.
Prophylaxe
Eine Impfung gibt es momentan (2014) nur gegen Polioviren.
Therapie
Es existiert bislang keine breit etablierte kausale Therapie der Erkrankungen, meist erfolgt daher eine rein symptomorientierte Behandlung. Ein Wirkstoff aus der Gruppe der Kapsid-Inhibitoren oder Canyon-Blocker (Pleconaril) erhielt im Jahr 2001 keine FDA-Zulassung.[3]
Quellen
- ↑ Oberste, Steven M. Enterovirus 68 is associated with respiratory illness and shares biological features with both the enteroviruses and the rhinoviruses. J Gen Virol September 2004 vol. 85 no. 9 2577-2584
- ↑ Rare 'polio-like' disease reports. BBC News
- ↑ Schnupfenmittel könnte gegen Polio-ähnliches Enterovirus D68 wirken, Deutsches Ärzteblatt, Abruf am 11.06.2020