RNA-Virus
Synonyme: RNS-Virus
Englisch: RNA virus
Definition
Als RNA-Viren bezeichnet man eine heterogene Gruppe von Viren, die als gemeinsames Strukturelement ein Genom aus Ribonukleinsäure (RNA) aufweisen. Ihr wissenschaftlicher Name ist Riboviria. Neben den RNA-Viren existieren u.a. noch DNA-Viren, deren Genom in Form von Desoxyribonukleinsäure vorliegt.
siehe auch: Virusklassifikation
Genom
Das Genom der RNA-Viren kann kettenförmig oder segmentiert vorliegen; es sind drei verschiedene Formen von RNA-Genomen bekannt:
- Doppelsträngiges RNA-Genom (dsRNA): Ein aus doppelsträngiger RNA bestehendes Genom findet sich beispielsweise bei den Virusfamilien Reoviridae oder Picobirnaviridae.
- Positives einzelsträngiges RNA-Genom (+ssRNA): Das Genom besteht aus einer einzelsträngigen RNA mit positiver Polarität, d.h. die Leserichtung entspricht der einer zellulären RNA. Die Nukleinsäure kann gleichzeitig als Speicher und als Matrize der Translation benutzt werden. Beispiele für (+)ssRNA-Viren sind Enteroviren oder Flaviviren.
- Negatives einzelsträngiges RNA-Genom (-ssRNA): Bei diesen Viren hat die RNA eine negative Polarität, d.h. die Leserichtung ist gegensinnig zur zellulären RNA. RNA mit negativer Polarität muss vor der Proteinsynthese in plussträngige mRNA umgeschrieben werden. (-)ssRNA-Viren sind z.B. das Masernvirus oder das Ebolavirus.
Vermehrung
RNA-Viren verwenden verschiedene Mechanismen der Replikation ihres Erbgutes:
- Die RNA von Viren mit positiv-strängigem Genom kann nach ihrer Freisetzung (Uncoating) direkt an zelluläre Ribosomen binden und in ein Polyprotein translatiert werden. Aus diesem wird autokatalytisch eine RNA-abhängige RNA-Polymerase ausgeschnitten, die von der (+)ssRNA viele (-)ssRNA-Kopien herstellt. Diese dienen nun als Matritze zur Produktion von mRNA für die virale Proteinsynthese sowie zur Produktion der neuen (+)ssRNA-Genome ihrer Nachkommen. Anschließend beginnt die Morphogenese neuer Viruspartikel.
- Retroviren weisen zwar auch eine positiv-strängige ssRNA auf, besitzen jedoch Enzyme, die in der Lage sind, eine dsDNA zu synthetisieren: Entscheidend ist dabei das Enzym reverse Transkriptase, das aus einer mRNA eine komplementäre DNA (cDNA) herstellt. Dabei wird die genomische (+)ssRNA komplett abgebaut. Die cDNA wird anschließend mittels viraler Integrase in das Genom der Wirtszelle integriert. Die von zellulären Elementen transkribierte virale RNA besitzt eine positive Polarität und dient als Genom für neue Viruspartikel aber auch als mRNA für virusspezifische Proteine.
- Viren mit (-)ssRNA entlassen beim Uncoating einen Komplex aus RNA und assoziierten Proteinen (Ribonukleoprotein, RNP). Dazu gehört auch eine RNA-abhängige RNA-Polymerase, die einen (+)-RNA-Strang bildet. Diese dient anschließend als Matritze für die Herstellung vieler (-)-Strangkopien, die als neue Genome für Viruspartikel verwendet werden aber auch als mRNA für die Synthese viraler Proteine dient.
- Viren mit dsRNA besitzen eine eigene RNA-Polymerase, die in einem unsymmetrischen Transkriptionsvorgang den (-)-Strang in proteinkodierende mRNA abschreiben. Diese wird in Proteine translatiert, die anschließend sogenannte Virusfabriken (Viroplasma) bilden. Dort werden von den (+)-Strang-mRNA-Molekülen neue genomische dsRNA-Moleküle gebildet.
Pathologie
Menschliche Zellen, die von RNA-Viren als Wirtszellen benutzt werden, besitzen keinen Mechanismus der Reparatur von Ribonukleinsäure. Auf diese Weise liegt die Mutationsrate durch Synthesefehler im Vergleich zur DNA-Replikation höher. Im Verlauf der "Vermehrung" von Viren wird etwa jede zehntausendste Base verändert, so dass konstant neue Virusmutanten entstehen. Dies ermöglicht einigen Viren, durch die Expression ständig veränderter Proteine an ihrer Oberfläche dem menschlichen Immunsystem zu entgehen. Dieser Prozess wird als Antigendrift bezeichnet.
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