Die Befundung eines Röntgen-Thorax dient der präzisen Beschreibung und Beurteilung eines Röntgenbildes des Thorax.
Eine Röntgen-Thorax-Untersuchung ist ein häufig eingesetztes Verfahren, z.B. bei Verdacht auf eine Pneumonie. Ein systematisches Vorgehen ist dabei entscheidend, da sonst Befunde leicht übersehen werden. Weiterhin muss das Röntgenbild immer in Zusammenschau mit der klinischen Symptomatik des Patienten beurteilt werden.
Zur Beschreibung einer Pathologie im Röntgen-Thorax ist wie bei allen Röntgenbilder eine einheitliche Nomenklatur einzuhalten. Ein thoraxradiologisches Glossar wird z.B. von der Fleischner Society veröffentlich. Zur möglichst präzisen Beschreibung gehören folgende Aspekte:
Nach Beschreibung der pathologischen Veränderungen werden die Einzelbeobachtungen zu komplexen Bildmustern zusammengefasst (z.B. miliares Muster, noduläres Muster, retikulonoduläres Muster, retikuläres Muster, Honigwabenmuster).
Anfangs sollten die Patiendaten auf Richtigkeit überprüft werden. Standardaufnahmen sind der p.a.-Strahlengang sowie der laterale Strahlengang (Seitbild). Bei einer Liegendaufnahme liegt eine a.p.-Projektion vor. Die Bildqualität wird hinsichtlich Vollständigkeit, Rotation, Inspiration, Belichtung und Artefakte überprüft. Bei einer untersuchungstechnisch korrekt durchgeführten p.a.-Aufnahme sind folgende Kriterien erfüllt:
Für die Seitaufnahme gelten folgende Kriterien:
Weiterhin müssen ggf. angefertigte Voraufnahmen berücksichtigt werden.
Die beiden Zwerchfellhälften begrenzen mit ihrer nach oben konvex gewölbten, scharf begrenzten Kontur die Lunge nach basal. Die rechte Kuppel steht i.d.R. 2-4 cm höher als die linke. Bei guter Inspiration ist der Ansatz der 10. Rippe an der Wirbelsäule frei erkennbar.
Der Abstand der Magenblase zur Lungenbasis beträgt im p.a.-Bild normalerweise unter 0,5-1 cm. Die Leber ist als homogene, dichte Fläche unter der rechten Zwerchfellkuppel dargestellt und nicht klar abgrenzbar. Luftgefüllte Darmschlingen können erkennbar sein. Liegen Kolonanteile zwischen Zwerchfell und Leber, spricht man von einem Chilaiditi-Zeichen.
Im Seitbild lässt die Magenblase unter der linken Zwerchfellkuppel eine Links-Rechts-Differenzierung zu. Weiterhin ist die linke Zwerchfellhälfte von dorsal her nur bis an die Herzkontur verfolgbar.
Die Pleura sollte allseits der Thoraxwand anliegen und somit nicht sichtbar sein. Physiologische Ausnahmen sind die Fissura horizontalis und die Fissurae obliquae, die die Lungenlappen trennen und teilweise im Röntgen-Thorax erkennbar sind (s.u.). Als Normvarianten können akzessorische Interlobien (z.B. Azygosseptum) vorliegen.
Beidseits lateral ist der spitze Recessus costodiaphragmaticus ("Randwinkel") einsehbar, sofern kein Pleuraerguss vorliegt. Im Seitbild sollte der dorsale Randwinkel ebenfalls frei und spitzwinklig erkennbar sein.
Das Mediastinum wird u.a. in ein oberes und ein unteres Kompartiment eingeteilt. Beurteilt wird die Weite und Lage der Trachea sowie die Konfiguration der mediastinalen Silhouette (incl. Herzschatten und der zentralen Gefäße).
Im Mediastinum bilden Herz und die großen Gefäße einen Schatten, der durch folgende Strukturen begrenzt wird:
p.a.-Aufnahme | Rechts |
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Links |
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Seitbild | Ventral |
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Dorsal |
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Das Herz projiziert sich im p.a.-Bild zu etwa einem Drittel rechts und zu zwei Dritteln links der Mittellinie. Sein Querdurchmesser auf Ventrikelhöhe beträgt unter 50 % des maximalen inneren Thoraxquerdurchmessers (Herz-Thorax-Quotient). Bei einer Liegendaufnahme muss berücksichtigt werden, dass u.a. durch den a.p.-Strahlengang, den größeren Abstand zum Röntgendetektor und der geringeren Inspirationstiefe das Herz artifiziell vergrößert erscheint.
Im Seitbild liegt der rechte Ventrikel dem Sternum meist zu einem Drittel, maximal zur Hälfte an. Hier kann durch benachbartes mediastinales und vorderes epikardiales Fett das Perikard als feine Linie sichtbar sein. Die mediastinalen Konturen können im Bereich der beiden Herz-Zwerchfell-Winkel eine leichte Unschärfe aufweisen. Ursächlich ist der perikardiale Fettbürzel.
Der Retrosternalraum ist als Aufhellung erkennbar, wobei Tiefe und Transparenz von Thoraxform, Blähung der Lunge und Herzgröße abhängen. Bei Kindern kann der Retrosternalraum durch den Thymus verschattet sein.
Der Retrokardialraum ist durch den linken Vorhof, den linken Ventrikel sowie durch die Vena cava inferior nach ventral hin begrenzt. Dorsal ist die Wirbelsäule und je nach Elongation und Verkalkung die Kontur der Aorta descendens erkennbar.
Der Ösophagus ist bis auf evtl. vorhandene luftgefüllte Abschnitte nicht sichtbar. Im Seitbild bildet er mit dem Tracheahinterrand bis zur Höhe der Bifurkation einen bis zu 4 mm breiten Weichteilstreifen (s.u.).
Die mediastinalen Umschlagsfalten projizieren sich im Röntgen-Thorax als sogenannte pleuromediastinale Linien ab. Sie sind sichtbar, wenn sie fast orthograd getroffen werden. Ihre Verlagerung kann auf einen Mediastinalprozess bzw. eine Mediastinalverschiebung, ihre Unschärfe oder Auslöschung auf benachbarte Lungenprozesse hinweisen. Man unterscheidet folgende Linien:
Die Trachea ist als senkrechtes, schräg nach dorsal absteigendes Aufhellungsband erkennbar. Auf Höhe des 5.-6. BWK teilt sie sich in den steiler absteigenden rechten und flacher absteigenden linken Hauptbronchus. Der Winkel der Carina beträgt in einer Stehend-Aufnahme < 70° (± 20°). Es folgen der Bronchus intermedius und einzelne Lappenbronchien.
Der Vorderrand der Trachea ist im Seitbild aufgrund der Knorpelspangen kleinwellig konturiert, der Hinterrand ist glatt. Der Retrotrachealstreifen beträgt maximal 4 mm. Der Prätrachealstreifen stellt das radiologische Korrelat der supraaortalen Gefäße dar.
Im Röntgen-Thorax stellen die Lungenhili einen komplexen Schatten aus arteriellen und venösen Gefäßen mit zwischenliegenden Aufhellungen der zentralen Bronchien dar. Der Hilusschatten wird fast nur von den zentralen Lungengefäßen verursacht. Die Bronchialwände tragen kaum, normale Lymphknoten gar nicht dazu bei. Fast immer ist der linke Lungenhilus ca. 2 cm höher als der rechte, selten gleich hoch. Ursächlich ist die eparterielle Lage des rechten Hauptbronchus bzw. die hyparterielle Lage des linken Hautbronchus. Außerdem verursacht die rechte Pulmonalarterie zusammen mit der benachbarten oberen Lungenvene einen dichten zentralen Schatten. Links liegt zwischen den beiden Gefäßen der Hauptbronchus, sodass der zentrale Schatten weniger dicht ist. Die Arteria interlobaris bzw. die proximale Unterlappenarterie vor Aufzweigung in die Segmentarterien weist im p.a.-Bild einen Durchmesser von 9-16 mm auf.
Im Seitbild "reitet" die linke Pulmonalarterie auf dem linken Hauptbronchus, der als ovaläre Aufhellung erkennbar ist. Die rechte Pulmonalarterie liegt weiter kaudal und ventral.
Die rechte und linke obere Pulmonalvene liegt im oberen bis mittleren Hilus. Rechts ist sie zentral durch die rechte Pulmonalarterie von den zentralen Bronchien getrennt. Auf der linken Seite liegen die Bronchien zwischen ihr und der linken Pulmonalarterie. Die unteren Lungenvenen ziehen unterhalb der Unterlappenarterien schräg nach kranioventral zum linken Vorhof.
Die Fissura horizontalis ("Nebenseptum") zwischen Oberlappen und Mittellappen ist im p.a.-Bild in ca. 50 % d.F. zwischen Hilus und der 6. dorsalen Rippe zu sehen. Das rechte und linke Hauptseptum (Fissura obliqua) sind relativ konstant aber oft nur anteilig im Seitbild dargestellt, im p.a.-Bild eher selten und allenfalls kurzstreckig.
In der p.a.-Projektion überlagern sich rechts der Oberlappen und links die Segmente S3 sowie S4-S5 (Lingula) mit der jeweiligen Unterlappenspitze (S6). Weitere Überlagerungen sind:
Aufgrund der Überlagerungen ist eine genaue Zuordnung der Lungensegmente und Lungenlappen im Röntgen-Thorax nicht möglich. Daher spricht man von Ober- und Unterfeldern.
Neben dem Haupt- und Nebenseptum sind keine anderen Anteile des Lungengerüstes zu erkennen. Kontrastgebende Strukturen sind die Lungengefäße, die bis auf 1-2 cm an die Thoraxwand heranreichen. Peripher sind Arterien und Venen kaum zu unterscheiden. Zentral ist anhand des Verlaufs eine gewisse Differenzierung möglich:
Die Lungengefäßzeichnung weist aufgrund der schwerkraftabhängigen Blutverteilung eine "Kaudalisation" auf, d.h. die Summe der Gefäßquerschnitte ist in den Unterfeldern ca. dreimal so groß wie in den Oberfeldern. Bei Liegendaufnahmen nimmt die Perfusion im oberen Drittel relativ zu.
Im p.a.-Bild sind die Brustwirbelkörper mit ihren Rippen-Wirbel-Gelenken sowie den Dornfortsätzen erkennbar. Im Seitbild lassen sich die Wirbelkörper besser abgrenzen. Die Transparenz der Wirbelsäule nimmt im Seitbild von der kranialen Weichteilüberlagerung des Schultergürtels nach kaudal hin zu.
Die 12 Rippenpaare sind symmetrisch ausgebildet und verlaufen in der oberen Thoraxhälfte vom Wirbel nach lateral ansteigend bis zur hinteren Medioklavikularlinie, dann bogenförmig nach lateral und ventral abwärts und schließlich ventromedial erneut ansteigend zu den Articulationes sternocostales. Lateral überscheiden sich die Rippenkonturen. Der ventrale Knorpel-Knochen-Übergang der ersten Rippe weist oft eine deutliche Vorwölbung nach kaudal und häufig Verkalkungen auf. Auch in den nachfolgenden Rippen sind häufig nach medial ausgehende Verkalkungen der Rippenknorpel erkennbar.
Die erste Rippe setzt unterhalb des Sternoklavikulargelenks am Manubrium sterni an, die zweite Rippe auf Höhe der Symphysis manubriosternalis. Das Corpus sterni ist im p.a.-Bild kaum erkennbar, das Manubrium kann als Verschattung den Mediastinalrand überlagern. Im Seitbild sind Vorder- und Rückfläche des Sternums glatt begrenzt. Die Synchondrose erscheint transparent oder durch Sklerosierung bei älteren Patienten dicht.
Vom Manubrium ausgehend verläuft beiderseits die Klavikula nach lateral zum Akromion der Scapula (Akromioklavikulargelenk). Die Schulterblätter sind durch Vorwärtsdrehung der Arme bei p.a.-Aufnahme aus den Lungenfeldern herausgedreht. Im Seitbild sind die Konturen der Schulterblätter parallel zur BWS bzw. zur Trachea zu sehen.
Am Bildrand sind ggf. die Oberarme und Schultergelenke zu erkennen.
Der thorakale Weichteilmantel wird auf Symmetrie geprüft. Eine Differenzierung der Muskeln durch ihre Fettlamellen ist teilweise möglich. Weiterhin ist die Dicke der subkutanen Fettschicht sowie der Mammaschatten sichtbar.
Fremdkörper werden hinsichtlich ihrer korrekten anatomischen Lage bzw. ihre Spitzenprojektion beurteilt. Häufige Fremdkörper sind:
Bei der Beurteilung eines Röntgen-Thorax müssen anatomische Normvarianten sowie ungewohnte Erscheinungen normaler anatomischer Strukturen berücksichtigt werden. Dazu zählen z.B.:
Hlfreich sind weiterhin folgende Aspekte, die pathologische Veränderungen vortäuschen können:
Pathologische Bildmuster im Röntgen-Thorax lassen sich nach verschiedenen Aspekten einteilen:
Hier liegt das Augenmerk auf Transparenzerhöhungen und Transparenzminderungen. Die Röntgendichte bestimmt die normale Transparenz der Lunge. Sie wird zu ca. 2/3 vom Luftgehalt der Lunge sowie zu jeweils 1/6 von Blut und Flüssigkeit bestimmt. Das Bindegewebe des Lungengerüsts macht nur einen sehr geringen Anteil an der normalen Dichte aus. Das Interstitium der gesunden Lunge ist im Röntgen-Thorax daher fast nicht zu erkennen. Die interindividuelle Variabilität der Lungentransparenz ist jedoch hoch. Ursächlich hierfür sind v.a. extrapulmonale Einflüsse (z.B. Adipositas, Mammaschatten)
Eine Destruktion des Lungengerüsts stellt häufig das Endstadium von interstitiellen Lungenerkrankungen dar. Sie ist im Röntgen-Thorax erst spät erkennbar. Das Ausmaß lässt sich mit der CT deutlich besser erfassen.
Pathologische Veränderungen können flächenhaft (alveolär oder interstitiell) oder umschrieben (nodulär, retikulär, retikulonodulär) vorliegen. Hinsichtlich der Verteilung unterscheidet man zwischen generalisiert und fokal.
Ein beispielhafter Normalbefund eines Röntgen-Thorax lautet:
Röntgen-Aufnahme des Thorax im p.a.- und lateralen Strahlengang vom ... von ..., geb. am ... Es liegen keine Voraufnahmen zum Vergleich vor. Zwerchfellkuppeln scharf abgrenzbar, kein Pleuraerguss. Pleura allseits der Thoraxwand anliegend, kein Pneumothorax. Schmales Mediastinum mit normal weiter, mittelständiger Trachea. Normal großes Herz ohne vitiumtypische Konfiguration. Lungenhili gefäßtypisch konfiguriert. Unauffällige Lungengefäßzeichnung. Keine Konsolidierungen, Milchglastrübungen oder Rundherde. Keine pulmonalvenöse Stauung. Soweit in Hartstrahltechnik beurteilbar, keine Rippenfraktur. Regelrechte BWS-Kyphose ohne degenerative Veränderungen. Unauffälliger thorakaler Weichteilmantel. |
Tags: Röntgen-Thorax, Röntgenbefund
Fachgebiete: Innere Medizin, Radiologie
Diese Seite wurde zuletzt am 13. April 2021 um 18:51 Uhr bearbeitet.
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