Synonyme: Hypersensitivitätspneumonitis, exogen-allergische Pneumonitis (EAP)
Englisch: hypersensitivity pneumonitis
Die exogen allergische Alveolitis, kurz EAA, ist eine allergisch bedingte Entzündung der Alveolen (Alveolitis), die durch Inhalation von Feinstaub (z.B. organische Stäube, chemische Substanzen) ausgelöst wird. Sie ist nicht infektiös (daher: Pneumonitis).
Durch Einatmung organischer Stäube in die Lunge wird eine Immunreaktion ausgelöst. Dabei sollen vor allem Immunreaktionen vom Typ III (Immunkomplexe) und Typ IV (T-Lymphozyten vermittelte Spätreaktionen) eine entscheidende Rolle spielen.
Durch die Immunkomplexe vermittelt kommt es zu einer Aktivierung des Komplementsystems mit Chemotaxis von Entzündungszellen. Unter dem Einfluss von zytotoxischen T-Lymphozyten kommt es dabei auch zur Ausbildung histologisch sichtbarer Granulome im Alveolarraum. Je nach Dauer und Ausmaß der Allergenexposition kann es dabei zur akuten Pneumonitis oder zu einer langsam in kleinen pneumonitischen Schüben fortschreitenden Lungenfibrose kommen.
Nicht alle Menschen sind für eine exogen allergische Alveolitis in gleichem Maße empfänglich. Unter Atopikern ist das Erkrankungsrisiko erhöht.
Bei akuten Verläufen kommt es in der Regel maximal acht Stunden nach Kontakt mit dem Allergen zu Entzündungsanzeichen:
Chronische Verläufe zeigen in den einzelnen Schüben eine wenig ausgeprägte Symptomatik, es kommt zur schleichenden Entwicklung einer Lungenfibrose (unter anderem mit Verminderung der Vitalkapazität).
Es gibt keinen einzelnen Befund, der die Diagnose einer exogen allergischen Alveolitis erlauben würde. Daher muss die Diagnose unter Ausschluss anderer Möglichkeiten und Anwendung verschiedener diagnostischer Verfahren gestellt werden.
Die typische Klinik bildet einen Baustein der Diagnostik. Insbesondere das zeitlich abgesetzte Auftreten der Symptomatik nach dem Allergenkontakt ist differentialdiagnostisch gegenüber einem allergischen Asthma bronchiale (Sofortreaktion) zu bewerten. Bei der Auskultation der Lungen findet sich bei der akuten Verlaufsform ein basal betontes Knistern.
Der Allergenkontakt muss durch eine gezielte Anamnese herausgearbeitet werden, auch im Hinblick der möglichen Diagnose einer Berufskrankheit. Als mögliche Allergene kommen eine Vielzahl von Stäuben in Betracht, die zur Prägung verschiedenster Krankheitsbegriffe geführt haben:
Der Befund im Röntgen-Thorax ist bei akuten Verläufen relativ unspezifisch und könnte auch für eine Pneumonie sprechen. Es finden sich streifige Verschattungen basal und in den Mittelfeldern. Eine gezieltere Diagnostik und genauere Aussagen, auch bei unauffälligem Röntgenbild, kann ein hochauflösendes CT der Lunge (HR-CT) bieten (Milchglastrübung des Parenchyms).
Zum Nachweis von T-zellvermittelten Immunreaktionen kann ähnlich wie bei der Sarkoidose eine Bronchoskopie mit bronchoalveolärer Lavage durchgeführt werden. In der Spülflüssigkeit kann ein verminderter CD4/CD8-Quotient (<1, Normwert bei ca. 2) ermittelt werden. Eventuell ist auch der Nachweis von Granulozyten möglich.
Bei bekanntem Allergen kann der Nachweis von spezifischen Antikörpern die exogen allergische Alveolitis sehr wahrscheinlich machen. Bei den chronischen Verläufen der exogen allergischen Alveolitis sind die durch die Fibrose bedingten Veränderungen durch die oben genannten bildgebenden Verfahren zu erfassen.
Die exogen allergische Alveolitis sollte in erster Linie von dem sogenannten "organic dust toxic syndrome" (ODTS) abgegrenzt werden. Dabei handelte es sich um eine toxische Alveolitis, die durch direkte toxische Wirkung von Endotoxinen, Mykotoxinen oder Proteinasen ausgelöst wird.
EAA | ODTS | |
---|---|---|
Exposition | verschiedene Allergene | Endotoxine, hohe Exposition |
Latenz bis zum Auftreten | 4 bis 8 Stunden | 4 bis 12 Stunden |
Auskultation | endexspiratorische basale Rasselgeräusche | normal, möglicherweise Rasselgeräusche |
Lungenfunktion | Restriktion (selten Obstruktion), DCLO erniedrigt | normal (evtl. Restriktion) |
Präzipitine | oft spezifische IgG | meist negativ |
Grundstein jeder Therapie ist die möglichst strikte Allergenkarenz. Ohne Allergenkarenz ist eine erfolgreiche Therapie kaum durchführbar.
Zur Hemmung der Entzündungsreaktion wird bei akuten Verläufen mit Glukokortikoiden in hoher Dosierung behandelt. Daneben können behandlungsbedürftige bakterielle Superinfektionen entstehen.
Chronisch progressive Verläufe erfordern den Einsatz höherpotenter Immunsuppressiva (z.B. Azathioprin), die den Verlauf der Lungenfibrose limitieren können. In späten Stadien der Lungenfibrose können die kardialen Komplikationen (pulmonale Hypertonie, Rechtsherzinsuffizienz, Cor pulmonale) prognoselimitierend sein.
Folgende (berufsbedingte) Expositionen können zu einer exogen allergischen Alveolitis führen:
Erkrankung (bzw. Auslöser) | Expositionsquelle | Antigen | Bemerkungen |
---|---|---|---|
Pilze | |||
Bagassose | verschimmelte Zuckerrohrrückstände | Thermoactinomyces vulgaris | |
Luftbefeuchterlunge | kontaminiertes Wasser in Luftbefeuchtern | Aspergillen, thermophile Aktinomyzeten, Mikropolyspora faeni, Pullularia | subklinische Verläufe, Röntgen-Thorax häufig unauffällig, DD: Befeuchterfieber durch Endotoxine |
Champignonpflückerlunge | Kompost von Champignonkulturen, verschimmelte Speisepilze | thermophile Aktinomyzeten | evtl. begleitend trockene Pharyngitis mit Heiserkeit |
Farmerlunge | schimmeliges, "graues" Heu, schimmeliges Getreide usw. | termophile Aktinomyzeten (Micopolyspora faeni, Thermoactinomyces vulgaris, Aspergillus spp.) | Beschwerdebeginn häufig in den Wintermonaten, z.T. ungünstiger Verlauf, DD: ODTS |
Holzarbeiterlunge | Holzstaub, Holzfasern, Schimmelpilze | versch. Hölzer, Cryptostroma corticale (Ahornrinde), Aspergillus fumigatus/niger, Thermoactinomyces vulgaris, Bacillus subtilis | uch in Kombination mit Typ-I-Allergie |
Innenraum-Alveolitis | Arbeits-, Versammlungs-, Wohnräume | meist Schimmelpilze, Aspergillen, Serpula l., Thermoactinomyces vulgaris, Thermopolyspora | Allergenquellen: Holz, Topfblumen |
Käsewäscher-Krankheit | Schimmel auf Käse | Penicillium casei, Penicillium roqueforti | auch in Kombination mit Typ-I-Allergie |
Kaffeearbeiterlunge | Kaffee-Rösterei | in grünen Kaffeebohnen | bronchopulmonale Symptome, keine sicheren Alveolitiden |
Korkarbeiterlunge | Schimmelpilz auf feuchtem Kork | Penicillium frequetans | bei Korkarbeitern auch häufige Exposition gegenüber Isocyanaten |
Malzarbeiterlunge | frühere Verfahren zur Mälzung durch Umschaufel der Maische mit der Hand (Brauereien) | Aspergillen, Mucor mucedo | |
Maschinenarbeiter-Alveolitis | Schimmelpilze, aber auch Bakterien in kontaminiertem Schleifwasser, Kühlschmiermitteln und Schneidöle | Microspora faeni, Thermoaktinomyces vulgaris, Alternaria tenuis, Aspergillus fumigatus, Fusarium vulgaris/solani | häufig auch Pseudomonas |
Obstbauernlunge | Schimmelpilze in den Kühlräumen | Aspergillen, Penicillium notatum | inhalativer Provokationstest meist negativ |
Paprikaspalterlunge | Heimarbeiter | Mucor stolonifer, Capsicin | eher historische Erkrankung |
"Schimmelpilz"-Alveolitis | Abfallentsorgung, Abwasserdrainagen, Blumenerde, Sauna | Cephalosporium, Aspergillen, u.a. Schimmelpilze | |
Sommer-Alveolitis | in japanischen Häusern, Betten, morschem Holz, Vogelkot | Trichosporon cutaneum | häufigste Alveolitis in Japan, hohe antigene Potenz |
Strohdachlunge | Strohdächer von Eingeborenen, in getrocknetem Gras und Laub | Sacharomonospora viridis | beschrieben in Neu-Guinea |
Tabakarbeiterlunge | Transport und Verarbeiten der getrockneten Tabakblätter | Aspergillus fumigatus/ umbrosus, Micropolyspora faeni, Thermoactinomyces vulgaris | evtl. blande Verläufe |
Winzer-Lunge | Weinbau | Botrytis cinerae | Einzelbeobachtungen mit Lungenfibrose |
Tiere/Proteine | |||
Fischmehl-Alveolitis | Tierfutterherstellung | Tierfutter aus Fischmehl | |
Kornkäferlunge | Hühnerzüchter, Futtermittel, Laboratorien | Sitophilus granarius, evtl. andere Insekte | ausgeprägte EAA, auch in Kombination mit Typ-I-Allergie |
Perlmutt-Lunge | Schmuckindustrie, Verarbeitung von Perlmutt | Hornstoffverwandte Conchagene | subchronischer Verlauf während der Exposition |
Ratten-, Mausprotein-Alveolitis | Exkremente von Nagetieren | Serumproteine im Urin | |
Schweinezüchterlunge | Schweinezucht | Schweineborsten, -epithelien, -urin | DD: ODTS |
Vogelhalterlunge | Exkremente und Federn von Tauben, Hühnern und Wellensittichen | Vogelserumproteine (Feder, Kot, Milben), Schimmelpilze | evtl. Lungenfibrose ohne Prodromi |
Chemikalien | |||
arzneimittel-induzierte Alveolitis | Pharmaindustrie, Medikamentennebenwirkung | Penicillin, Amiodarone, Goldsalze, Minocyclin, Nilutamide, Nitrofurantoin, Nomifensin, Carbamazepin, Methotrexat, Silikon | andere Organsysteme (Niere, Gefäße) können mitbetroffen sein |
Isocyanat-Alveolitis | Herstellung von Polyurethanen, 2-Komponent-Lacken und Klebern | Isocyanate | überwiegend Typ-I-Allergie, klinische Lungenbeteiligung in Einzelfällen beschrieben |
Kaminrot-Alveolitis | Kosmetik-, Nahrungsmittelfarbstoff | Coccus cactus | |
Polymeren-Kunststoff-Lunge | Staub von Polymeren, Haarspray (Pyrrolidin), Erhitzen von PVC-Folien bei Verpackungen | Antigenwirkung nicht gesichert, Ursache möglicherweise allergene Zusätze oder Phthalate | Fremdkörperspeicherung mit intrapulmonalen Granulomen, bronchitische Symptomatik (DD: akutes, toxisches Polymeren-Fieber), wahrscheinlich eher Speicherkrankheit ohne wesentliche Antigenwirkung |
Proteasen-, Waschmittellunge | Waschmittel- und pharmazeutische Industrie | Alkalase, Maxalase, Subtilisin, Papain, evtl. Pankreatin | Kombination mit Typ-I-Allergie |
Säureanhydrid-Alveolitis | Herstellung von Epoxidharzen, Weichmachern | Trimellith-Anhydrid (TMA), Pyromellith-Dianhydrid, Tetrachlorophthalsäure-Anhydrid, Hexahydrophthalsäure-Anhydrid | Einzelfälle beschrieben mit Lungenfibrose |
Zirkonium | Schleifstaub von Spezialmetallen | Zirkonium | Rundherde, Hautinfiltrate, histologisch ähnlich der Berylliose |
siehe auch: berufsbedingte Lungenerkrankung
Tags: Lungenerkrankung
Fachgebiete: Pneumologie
Diese Seite wurde zuletzt am 22. September 2021 um 15:59 Uhr bearbeitet.
Um diesen Artikel zu kommentieren, melde Dich bitte an.