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Berufsbedingte Lungenerkrankung

1. Definition

Berufsbedingte Lungenerkrankungen sind Erkrankungen der Lunge, die sich als Folge einer Exposition gegenüber einem beruflichen Agens entwickeln. Eine ätiologische Abklärung ist entscheidend für die Behandlung und Prognose des Patienten.

2. Epidemiologie

Vermutlich treten 15-20 % der Fälle von Asthma bronchiale und COPD bei Patienten über 15 Jahren berufsbedingt auf.

3. Ätiologie

Berufsbedingte Lungenerkrankungen können durch u.a. durch anorganische Stäube (Pneumokoniosen) und organische Stäube verursacht werden. Weiterhin spielen toxische Chemikalien (v.a. Gase und Dämpfe) eine Rolle.

3.1. Anorganische Stäube

Stoff Beruf Pulmonale Reaktion
Asbest
  • Bergbau, Baugewerbe, Schiffsbau
  • wird in vielen Entwicklungsländern noch verwendet
  • Herstellung und Verarbeitung in Deutschland seit 1995 verboten
Silizium
  • Bergbau, Steinschnitt, Sandschliff, Steinbruch
  • hohes Risiko insbesondere in Entwicklungsländern
Kohlestaub
  • Bergbau
  • letzte Steinkohlezeche in Deutschland 2018 geschlossen
Beryllium
  • Herstellung von Legierungen
  • "High-Tech"-Industrie
Weitere Metalle (Aluminium, Chrom, Kobalt, Nickel, Titan, Wolfram, Carbide)
  • verschiedene Berufsgruppen
  • großes Spektrum (u.a. akute Pneumonitis, Asthma, Lungenkrebs)

3.2. Organische Stäube

Stoff Beruf Pulmonale Reaktion
Baumwollstaub
  • Spinnerei, Produktion
  • steigende Inzidenz in Entwicklungsländern, abnehmend in Industrieländern
Getreidestaub
  • Speicher, Hafenarbeiter, Müller, Bäcker
andere landwirtschaftliche Stäube (Pilzsporen, Pflanzenprodukte, Insektenüberreste, Vogel- und Nagerkot, Endotoxine, Mikroorganismen, Pollen)
  • auch bei häuslicher Exposition

3.3. Weitere Noxen

Viele toxische Chemikalien können zu Asthma, chronischer Bronchitis bzw. COPD, exogen-allergischer Alveolitis, Pneumokoniosen und Krebs führen:

Stoff Exposition Akut (starke/akzidentielle Exposition) Chronisch (geringgradige Exposition)
Anhydride
  • Asthma
  • chronische Bronchitis
  • exogen-allergische Alveolitis
saure Dämpfe (Schwefel-, Salpetersäure)
  • Herstellung von Kunstdüngern, chlorierten organischen Verbindungen, Farb- und explosiven Stoffen, Gummiprodukten, Metall­ätzungen und Plastik
  • Schleimhautirritation
  • nach 2-3 Tagen chemische Pneumonitis
  • Bronchitis
  • leicht reduzierte Lungenfunktion bei Kindern mit lebenslanger häuslicher Exposition gegenüber relativ hohen Konzentrationen
Akrolein, andere Aldehyde
  • Rauchbestandteil bei Verbrennung von Plastik, Holz, Tabak
  • Reizung der oberen Atemwege
Ammoniak
  • Kühlungen, Raffination von Petroleum, Herstellung von Kunstdüngern, explosiven Stoffen, Plastik und anderen Chemikalien
  • Reizung der oberen Atemwege
  • chronische Bronchitis
Cadmiumdämpfe
  • Schmelzen, Löten, Batterieproduktion
  • Schleimhautirritation
  • ARDS
  • COPD
Formaldehyd
  • Herstellung und Verarbeitung von Harzen, Leder, Gummi, Metallen und Holz
  • Laborangestellte
  • Einbalsamierer
  • Emissionen von Urethanschaumisolationen
  • wie saure Dämpfe
Halogenide (Cl, Br, F)
  • Bleichen in Papier- und Textilindustrie
  • Herstellung von Chemikalien
  • synthetisches Gummi, Plastik, Desinfektionsmittel, Raketenbrennstoff, Benzin
  • Schleimhautirritation
  • Lungenödem
  • evtl. verminderte FVC nach 1-2 Jahren
Schwefelwasserstoff
  • Nebenprodukt verschiedener industrieller Prozesse
  • Prozessierung und Lagerung von Öl bzw. -produkten
  • Reizung der Konjunktiven
  • chronische Bronchitis
  • rezidivierende Pneumonien
Isozyanate (TDI, HDI, MDI)
  • Produktion von Polyurethanschäumen, Plastik, Klebemitteln, Oberflächenüberzügen
  • Schleimhautirritation
  • Dyspnoe, Husten, Giemen
  • Lungenödem
  • Reizung der oberen Atemwege, Husten
  • Asthma
  • Exogen-allergische Alveolitis
  • reduzierte Lungenfunktion
Stickstoffdioxid
  • Siloarbeiten, Metallätzungen, Schweißen
  • explosive Stoffe, Raketenbrennstoff
  • Nebenprodukt bei Verbrennung fossiler Brennstoffe
  • Emphysem (Tierversuche)
  • chronische Bronchitis bei Kindern mit lebenslanger häuslicher Exposition
Ozon
  • Bogenschweißen, Mehlbleichung
  • Deodorantien
  • Emissionen von Kopiergeräten
  • photochemische Luftverschmutzung
  • Schleimhautirritationen
  • vorübergehend reduzierte Lungenfunktion
  • Asthma-Exazerbation
  • erhöhte kardiopulmonale Mortalität
  • Asthma bei Kindern
Phosgen
  • organische Verbindungen, Metallurgie
  • Freisetzung von chlorhaltigen Verbindungen
  • verzögerte Induktion von Bronchiolitis und Lungenödem
  • chronische Bronchitis
Schwefeldioxid
  • Herstellung von Schwefelsäure, Bleichmitteln, Überzügen von nicht eisenhaltigen Metallen, Kühlmitteln
  • Verbrennung fossiler Brennstoffe
  • Nahrungsmittelherstellung
  • holzverarbeitende Industrie
  • Schleimhautreizung, Nasenbluten
  • Bronchospasmus (v.a. bei Asthma)
  • chronische Bronchitis

Weitere Umweltkarzinogene sind die Ursache von ca. 10 % aller Bronchialkarzinome. Weiterhin können sie zu chronischer Bronchitis bzw. COPD und Lungenfibrose führen. Sie sind jedoch insbesondere im Rahmen der häuslichen Exposition relevant. Beispiele sind:

4. Diagnostik

4.1. Anamnese

Entscheidend für die Diagnose einer berufsbedingten Lungenerkrankung ist eine eingehende Anamnese:

  • genaue Arbeitsabläufe
  • spezifische Kontaminationen
  • sichtbare Stäube, chemische Gerüche
  • Verfügbarkeit und Gebrauch von persönlichen Atemschutzeinrichtungen
  • Größe und Belüftung des Arbeitsplatzes
  • Symptome bei anderen Mitarbeitern
  • zeitlicher Bezug zwischen Exposition am Arbeitsplatz und Symptomen
  • alternative Quellen möglicher toxischer Belastungen

4.2. Lungenfunktionsprüfung

Anorganische oder organische Stäube können eine interstitielle Lungenerkrankung induzieren, die sich als restriktive Ventilationsstörung mit verminderter Diffusionskapazität zeigt. Weiterhin können verschiedene organische Stäube oder Chemikalien ein berufsbedingtes Asthma bronchiale oder COPD bedingen. In diesem Fall können Veränderungen der FEV1 vor und nach der Arbeit hinweisend sein.

4.3. Bildgebung

Bei Exposition gegenüber Mineral- und Metallstäuben, die eine Hypersensitivitätspneumonitis auslösen, sowie gegenüber organischen Stäuben eignet sich die Durchführung eines Röntgen-Thorax zur Diagnose und Verlaufskontrolle. Entscheidend bei der Beurteilung ist die internationale röntgenologische Staublungen-Klassifikation der International Labour Organization (ILO). Kleine, noduläre Transparenzminderungen finden sich v.a. bei Silikose und Anthrakose, streifige Verschattungen beispielsweise bei der Asbestose.

Bei Patienten mit anamnestischer Asbestexposition wird ein CT-Thorax (Pleuraplaques) bzw. HR-CT (pulmonale Asbestose) empfohlen.

4.4. Weitere Diagnostik

In bestimmten Situationen kommen weitere diagnostische Methoden zum Einsatz, z.B.:

  • Haut-Prick-Testungen oder Titerbestimmungen spezifischer IgE-Antikörper: Nachweis einer Sensibilisierung gegen bestimmte Stoffe, die potenziell ein berufsbedingtes Asthma verursachen können (z.B. Mehlstaub in Bäckereien)
  • spezifische präzipitierte IgG-Antikörper, die eine Hypersensitivitätspneumonitis auslösen können (z.B. Taubenantigene bei Vogelhaltern)
  • Beryllium-Lymphozytenproliferationstest: bei Arbeitern in der Kerntechnologie
  • Tuberkulose-Hauttests: bei Beschäftigten im Gesundheitswesen
  • Bronchoskopie mit transbronchialer Biopsie (TBB): chronische Berylliose
  • VATS zur Gewinnung von größeren Gewebeproben: Hypersensitivitätspneumonitis oder Riesenzell-Pneumonie in Folge einer Kobalt-Exposition
Stichworte: Asthma, COPD, Noxe, Staub
Fachgebiete: Arbeitsmedizin

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