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Nicht-tuberkulöses Mykobakterium

(Weitergeleitet von Atypische Mykobakteriose)

Synonyme: atypische Mykobakterien, ubiquitäre Mykobakterien, opportunistische Mykobakterien, Umweltmykobakterien, NTM, MOTT (obsolet)
Englisch: Mycobacteria other than tuberculosis, mycobacteria other than tubercle bacilli, MOTT, nontuberculous mycobacteria, environmental mycobacteria, atypical mycobacteria

1. Definition

Nicht-tuberkulöse Mykobakterien, kurz NTM, ist ein nicht taxonomischer Sammelbegriff für Mykobakterien, die nicht zum Mycobacterium-tuberculosis-Komplex sowie zu Mycobacterium leprae gehören. Häufig wird auch die Bezeichnung "atypische Mykobakterien" verwendet, um sie von den "typischen Mykobakterien", d.h. den Tuberkulose- und Lepra-Erregern abzugrenzen.

2. Hintergrund

Mykobakterien sind unbewegliche, nicht Sporen bildende Stäbchenbakterien. Sie sind obligat aerob, sodass sie sich unter sauerstofffreien Bedingungen nicht vermehren können. Viele Erreger haben eine lange Generationszeit von 12 bis 20 Stunden, wobei ein lipidhaltiger Nährboden für das Wachstum gegeben sein muss.

Mykobakterien lassen sich prinzipiell nur schwach nach Gram anfärben, da ihre Zellwand im Gegensatz zu anderen grampositiven Bakterien über einen hohen Anteil an Lipiden verfügt, die den Indikator-Farbstoff schlecht aufnehmen und speichern können. Trotzdem werden sie zu den grampositiven Stäbchen gezählt.

Das Merkmal, das alle Mykobakterien gemeinsam haben, ist die Säurefestigkeit. Während der sogenannten Ziehl-Neelsen-Färbung wird der Farbstoff Karbolfuchsin aufgenommen, aber unter Einwirkung von einer Salzsäure-Alkohol-Mischung nicht wieder abgegeben. Dieses Phänomen basiert auf dem Vorhandensein von Wachsen, langkettigen Mykolsäureverbindungen in der Zellwand, die dem Erreger eine Säureresistenz verleihen. Sie ermöglicht dem Bakterium eine Magenpassage ohne durch die Magensäure abgetötet zu werden. Mykobakterien befallen im menschlichen Wirtsorganismus vor allem Phagozyten (z.B. Makrophagen), wodurch eine spezifische Wirtsreaktion ausgelöst wird.

3. Vertreter

4. Epidemiologie

MOTT kommen ubiquitär in der Umwelt (Wasser, Boden) und in der Schleimhautflora von Mensch und Tier vor. Einige Subspezies bewohnen dabei spezifische Nischen, z.B.:

  • Mycobacterium simiae: Grundwasser
  • Mycobacterium fortuitum: Fußbäder
  • Mycobacterium immunogenum: Flüssigkeiten zur Metallverarbeitung

Inzidenz und Prävalenz von NTM-Infektionen sind weltweit betrachtet höher als die der Tuberkulose. Da die Bakterium im Sputum von vielen Patienten nachweisbar sind, ist es entscheidend, zwischen einer harmlosen Kolonisation und einer Infektion zu unterscheiden.

Solange die Immunabwehr nicht gestört ist oder umgangen wird, verursachen die meisten NTM beim Menschen nur selten Erkrankungen. Eine direkte Übertragung von Mensch zu Mensch ist sehr selten und fast nur bei Patienten mit Mukoviszidose beschrieben. Risikofaktoren für eine Erkrankung sind:

5. Klinik

Nicht-tuberkulöse Mykobakterien befallen vor allem die Lunge, die Lymphknoten oder die Haut. In manchen Fällen kommt es zu einer generalisierten Infektion.

5.1. Lunge

Eine Lungeninfektion ist in Industrieländern die häufigste Form einer atypischen Mykobakteriose. Sie wird v.a. durch Erreger des Mycobacterium-avium-Komplexes hervorgerufen. Betroffen sind insbesondere Frauen in der 6. und 7. Lebensdekade. Typische Symptome sind ein chronischer Hustenreiz und eine langsam progrediente Erschöpfung.

Weiterhin kann Mycobacterium kansasii ein der Tuberkulose ähnliches klinisches Bild mit Hämoptysen, Thoraxschmerzen und Kavernenbildung hervorrufen. Rasch wachsende NTM (z.B. Mycobacterium abscessus) sind mit ösophagealen Motilitätsstörungen (z.B. Achalasie) assoziiert.

5.2. Lymphknoten

Die häufigste Infektion durch NTM bei Kleinkindern in Industrieländern ist die zervikale Lymphadenopathie. Sie wird v.a. durch MAC verursacht und zeigt sich als schmerzlose, indurierte Schwellung ohne systemische Krankheitszeichen. Auch intrathorakale Lymphknoten können isoliert betroffen sein. Diskutiert wird eine Übertragung durch infizierte Hühner.

5.3. Haut und Weichteile

Eine kutane Infektion mit NTM setzt i.d.R. eine geschädigte Haut als Eintrittspforte voraus. Haupterreger sind Mycobacterium fortuitum (nach Fußbädern) sowie Mycobacterium abscessus und Mycobacterium chelonae über kontaminierte chirurgische Instrumente. Die Hautinfektion manifestiert sich in Form von schmerzhaften, erythematösen Abszessknötchen ohne systemische Krankheitszeichen.

Mycobacterium marinum kann durch Schwimmbäder, Aquarien und Fischschuppen übertragen werden. Die Papeln oder Ulzera werden auch als Schwimmbadgranulom bezeichnet. Bei fortgeschrittener Infektion kann es zu einer Tendinitis (v.a. des Handgelenks) kommen.

Mycobacterium ulcerans kommt v.a. in tropischen Gewässern Afrikas vor. Infektionen entstehen nach Hautverletzungen oder Insektenbissen durch Kontakt zu kontaminiertem Wasser. Hauptsymptome sind schmerzlose Ulzera (Buruli-Ulkus) und eine Osteomyelitis.

5.4. Generalisierte Infektionen

Generalisierte Mykobakterien werden v.a. durch MAC oder Mycobacterium kansasii bei Patienten mit fortgeschrittener HIV-Infektion hervorgerufen. Haupteintrittspforte ist der Darm mit Ausbreitung in die Blutbahn und das Knochenmark. Der klinische Verlauf ist unspezifisch mit Abgeschlagenheit, Fieber, Gewichtsverlust, Organvergrößerungen, Lymphknotenschwellungen und Anämie.

6. Diagnostik

Die Nachweismethoden sind prinzipiell identisch mit denen zum Nachweis von Tuberkulose. Zu untersuchendes Material kann je nach Befall aus Wunden, Sputum, einer BAL, Blut, dem Urin sowie Stuhl oder Magensaft gewonnen werden.

7. Therapie

Je nach Spezies sind verschiedene Therapieansätze möglich. MOTT sind oft resistent gegen Isoniazid und oft auch gegen viele andere Antituberkulotika. Eine Resistenztestung ist in der Regel nur bei MAC für Clarithromycin und bei Mycobacterium kansasii für Rifampicin indiziert. Um eine Resistenzentwicklung zu vermeiden, werden mehrere Antibiotika kombiniert eingesetzt.

Bei MAC-Infektionen werden i.d.R. ein Makrolid (Clarithromycin oder Azithromycin) sowie Ethambutol und ein Rifamycin (Rifampicin oder Rifabutin) eingesetzt. Bei HIV-Patienten müssen Wechselwirkungen zwischen Rifamycinen und antiretroviralen Medikamenten beachtet werden. Meist wird die Behandlung 12 Monate nach negativem Kulturergebnis fortgesetzt. Weitere Substanzen zur MAC-Behandlung sind intravenöse oder inhalative Aminoglykoside, Fluorchinolone und Clofazimin. Bei Patienten mit einer Makrolidresistenz kommen chirurgische Verfahren (z.B. Resektion von ausgeprägten Bronchiektasen) infrage.

Bei Infektion mit Mycobacterium kansasii werden Isoniazid (300 mg/d), Rifampicin (600 mg/d) und Ethambutol (15 mg/kgKG/d) verwendet. Weitere Wirkstoffe sind Clarithromycin, Fluorchinolone und Aminoglykoside. Nach negativem Kulturergebnis wird die Therapie für ein weiteres Jahr fortgesetzt.

Bei Mycobacterium marinum sind Kombinationen aus einem Makrolid, Ethambutol und einem Rifamycin empfohlen. Auch wirksam sind Sulfamethoxazol, Doxycyclin und Minocyclin. Die Behandlung wird 1–2 Monate über die klinische Ausheilung der Weichteilinfektion hinaus fortgeführt.

Die Therapie anderer atypischer Mykobakteriosen ist weniger genau definiert. Generell sind Makrolide und Aminoglykoside wirksam.

8. Prävention

Eine MAC-Prophylaxe kann bei HIV-Patienten ab einer CD4-Zahl < 50/µl erwogen werden, wenn sich die Einleitung der antiretroviralen Therapie um mehr als 4 Wochen verzögert. Eingesetzt werden Azithromycin (1250 mg wöchentlich), Clarithromycin (1000 mg/d) oder Rifabutin (300 mg/d).

9. Literatur

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