Synonyme: Morbus Parkinson, Parkinson-Krankheit
Englisch: idiopathic Parkinson's disease, IPD
Das idiopathische Parkinson-Syndrom, kurz IPS, ist eine der häufigsten neurodegenerativen Erkrankungen. Seine Kardinalsymptome sind Akinese, Rigor, Tremor und posturale Instabilität.
Das idiopathische Parkinson-Syndrom ist mit einer Prävalenz von 150 auf 100.000 Einwohner in Deutschland eine der häufigsten neurologischen Erkrankungen. Das mittlere Erkrankungsalter liegt zwischen dem 50. und 60. Lebensjahr. Betroffen sind v.a. Männer. Beginnt die Erkrankung vor dem 40. Lebensjahr, spricht man von einer "früh beginnenden" Parkinson-Erkrankung ("Early Onset Parkinson's Disease", EOPD), bei Beginn vor dem 21. Lebensjahr von einer "juvenilen" Parkinson-Erkrankung. In einem solchen Fall ist ein genetischer Hintergrund wahrscheinlich.
Die Ursache ist aktuell (2020) noch ungeklärt. Vermutet wird eine multifaktorielle Genese:
Eine mögliche Kausalkette liefert die sogenannte Braak-Hypothese. Demnach beginnt die Erkrankung im Darm (Frühsymptom: Obstipation) oder im Bulbus olfactorius (Frühsymptom: Geruchsstörung) mit Akkumulation von α-Synuclein im enterischen Nervensystem und retrogradem Transport ins ZNS. Mögliche Umweltfaktoren und der genetische Hintergrund bestimmen dabei das Erkrankungsalter und den Verlauf.
Beim IPS kommt es zum Verlust und zur Degeneration von dopaminergen Neuronen, vor allem in den ventrolateralen Anteilen der Substantia nigra pars compacta.
Darüber hinaus sind die Neurone des Locus coeruleus (noradrenerg), der Raphe-Kerne (serotoninerg), des Nucleus basalis Meynert (cholinerg), des dorsalen Vaguskern und des Bulbus olfactorius betroffen. Im späteren Verlauf kommt es ebenfalls zu einer Beteiligung der Hirnrinde und der peripheren sympathischen Ganglien.
In den degenerierenden Neuronen finden sich sogenannte Lewy-Körper. Dabei handelt es sich um hyaline eosinophile Einschlusskörperchen. Darüber hinaus zeigt sich ein extrazelluläres Pigment, sowie eine Mikroglia- und Astroglia-Aktivierung.
Weiterhin kann man pathohistologisch α-Synuklein-Aggregate in Hautnerven (v.a. zervikal) identifizieren. Diese Ablagerungen führen möglicherweise zu einer Fehlfunktion der betroffenen Synapsen. Tierexperimentelle Studien lassen sogar vermuten, dass sich abweichend gefaltetes α-Synuklein - analog zur Creutzfeldt-Jakob-Krankheit - wie ein Prion verhält.
Nach dem klinischen Verlauf lassen sich verschiedene Formen des IPS differenzieren:
Die motorischen Symptome prägen das klinische Bild des idiopathischen Parkinson-Syndroms. Die typischen Leitsymptome sind Hypokinese (verminderte Bewegungsamplitude) bzw. Akinese (hochgradige Bewegungsarmut, Bewegungsstarre) und Bradykinese (Bewegungsverlangsamung). Sie treten in Kombination mit weiteren Kardinalsymptomen wie Rigor, Ruhe- und/oder Haltetremor sowie einer posturaler Instabilität (Haltungsinstabilität mit Verlust der Haltungsreflexe) auf.
Die Symptomatik präsentiert sich in der Regel zunächst halbseitig und armbetont, im weiteren Verlauf nimmt sie zu und greift auf die Gegenseite über.
Die Akinese fällt klinisch u.a. durch eine Hypomimie, eine Dysarthrie mit Mikrophonie sowie eine Palilalie auf. Bei hochgradiger Störung der Mimik kommt es zu einer Amimie mit Maskengesicht. An den Extremitäten präsentiert sich die Akinese z.B. durch ein kleinschrittiges Gangbild, ein vermindertes Mitschwingen der Arme beim Gehen, eine reduzierte Finger- bzw. Fußgeschicklichkeit und eine Störung von alternierenden Bewegungen. Die Patienten zeigen zudem ein verkleinertes Schriftbild (Mikrographie). Darüber hinaus berichten sie über Schwierigkeiten beim Aufstehen bzw. Umdrehen im Bett.
Unter Rigor versteht man einen erhöhten Ruhetonus der Muskulatur. Er manifestiert sich durch ein subjektiv empfundenes Steifigkeitsgefühl. Bei der passiven Bewegung der Extremitäten lässt sich diese Steifigkeit durch einen zähen Bewegungswiderstand objektivieren. Dabei kommt es zum sogenannten "Zahnradphänomen". Der Rigor tritt unabhängig von der Geschwindigkeit der Gelenksbewegung auf. Ggf. kann er zu Rücken- bzw. Schulter-Arm-Schmerzen führen.
Typisch für das idiopathische Parkinson-Syndrom sind Ruhetremor und/oder Haltetremor. Die Frequenz des Tremors beträgt dabei in der Regel etwa 4-8 Hz. Häufig zeigt er sich als sogenannter "Pillendreher-Tremor" an den Händen. Beim Beginn von Willkürbewegungen nimmt seine Amplitude ab. Der Tremor wird durch geistige Beschäftigung oder Emotionen intensiviert.
Die posturale Instabilität zeigt sich durch eine Fallneigung, die nicht primär durch visuelle, vestibuläre, zerebelläre oder propriozeptive Störungen erklärbar ist. Normalerweise wird das Gleichgewicht beim Stehen und Gehen durch Reflexe reguliert, die weitgehend autonom ablaufen. Beim IPS kommt es zu einer Verminderung dieser Reflexe, so dass die Betroffenen nicht in der Lage sind, sich selbst "aufzufangen", wenn sie aus dem Gleichgewicht gebracht werden.
Weitere mögliche Symptome sind:
Im weiteren Verlauf der Erkrankungen können u.a. folgende Komplikationen auftreten:
Unter der Medikation kann es ferner zu Wirkungsfluktuationen bzw. Wirkungsschwankungen kommen.
Das Staging erfolgt mittels der Skala nach Hoehn und Yahr bzw. der Unified Parkinson's Disease Rating Scale (UPDRS) oder der MDS-UPDRS.
Die Diagnose eines Parkinson-Syndroms wird klinisch gestellt. Zur Differenzierung des IPS gegenüber anderen Formen des Parkinson-Syndroms werden verschiedene Zusatzuntersuchungen hinzugezogen. Zu den standardmäßig durchzuführenden Untersuchungen gehören:
Die Diagnose eines IPS stützt sich auf folgende Kriterien:
Neben den sekundären und atypischen Parkinson-Syndromen sind folgende Erkrankungen wichtige Differenzialdiagnosen des IPS:
Eine kausale Therapie ist zur Zeit (2020) nicht möglich. Sämtliche Behandlungsansätze sind rein symptomatisch. Je nach Alter, Erkrankungsdauer, Begleiterkrankungen und sozialer Situation kommen folgende therapeutische Möglichkeiten zum Einsatz:
Die medikamentöse Therapie eines IPS sollte rechtzeitig und patientenindividuell erfolgen.
Therapeutika der 2. Wahl werden lediglich in speziellen klinischen Situationen angewendet. Dazu zählen:
Bei stärkerer Symptomatik bzw. bei beginnenden Fluktuationen kann eine Kombination verschiedener Präparate eingesetzt werden, z.B. L-Dopa + Non-Ergot-Dopaminagonisten oder MAO-B-Hemmer oder COMT-Hemmer.
Sollte eine medikamentöse Therapie nicht zum gewünschten Erfolg führen und ist das IPS stark ausgeprägt (starke Wirkfluktuationen, ausgeprägte Off-Phasen, starke Dyskinesien), besteht die Möglichkeit der tiefen Hirnstimulation (DBS). Ein Hirnschrittmacher kann dabei je nach dominierender Symptomatik an unterschiedlichen Lokalisationen implantiert werden.
Als nicht-medikamentöse Maßnahmen kommen u.a. begleitend in Betracht:
Die Krankheit zeigt einen progredienten und stadienhaften Verlauf, der mit verschiedenen motorischen und kognitiven Beeinträchtigungen verbunden ist. Bei rechtzeitiger Erkennung und guter Therapie ist die Lebenserwartung jedoch nicht deutlich verkürzt.
Tags: Akinese, Neurodegenerative Erkankung, Parkinson-Syndrom, Parkinson-Therapie, Posturale Instabilität, Rigor, Tremor
Fachgebiete: Neurologie
Diese Seite wurde zuletzt am 25. Dezember 2020 um 14:53 Uhr bearbeitet.
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