(Weitergeleitet von Rhinogene Granulomatose)
Synonyme: Morbus Wegener, Allergische Angiitis und Granulomatose, Klinger-Wegener-Churg-Syndrom (bzw. Wegener-Klinger-Churg-Syndrom), rhinogene Granulomatose, Riesenzellgranuloarteriitis Wegener-Klinger-Churg, Granulomatosis Wegener, Wegenersche Granulomatose
Englisch: granulomatosis with polyangiitis, Wegener's granulomatosis
Die Granulomatose mit Polyangiitis, kurz GPA, ist eine rheumatische Erkrankung, die mit granulomatösen Veränderungen der Atemwege und einer Vaskulitis der mittleren und kleinen Blutgefäße einhergeht.
Seit 2011 empfehlen internationale rheumatologische Fachgesellschaften die Bezeichnungen Morbus Wegener durch Granulomatose mit Polyangiitis zu ersetzen. Grund hierfür ist die Vergangenheit des deutschen Pathologen Friedrich Wegener (1907–1990) während der Zeit des Nationalsozialismus. Wegener war Mitglied der NSDAP, SA und des Nationalsozialistischen deutschen Ärztebundes (NSDÄB).
Die Inzidenz der GPA beträgt etwa 0,9/100.000 pro Jahr. Dabei sind Männer und Frauen gleich häufig betroffen. Der Häufigkeitsgipfel liegt im vierten Lebensjahrzehnt.
Die Ursache der GPA ist derzeit (2020) unklar. Ein Zusammenhang mit einer chronischen Besiedlung mit Staphylococcus aureus wird diskutiert.
Die GPA kann nach EUVAS (European Vasculitis Study Group) in fünf klinische Subgruppen eingeteilt werden:
Subgruppe | Beschreibung |
---|---|
Lokalisierte GPA |
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Frühe systemische GPA |
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Generalisierte GPA |
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Schwere GPA |
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Refraktäre GPA |
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Das VCRC (Vasculitis Clinical Research Consortium) unterscheidet bei der GPA zwei Verläufe (unabhängig vom Serumkreatinin):
Verlauf | Beschreibung |
---|---|
Limitierter Verlauf |
Lokalisiertes oder frühes systemisches Stadium nach EUVAS |
Schwerer Verlauf |
Zusätzlich lebensbedrohliche Organdysfunktion |
Die Granulomatose mit Polyangiitis beginnt in 90 % d.F. als lokal begrenzte Erkrankung in den Atemwegen.[1] Es kommt initial also nicht zu einer Glomerulonephritis oder anderen systemischen Krankheitsmanifestationen. Typische Manifestationen der lokal begrenzten Granulomatose mit Polyangiitis sind:
Die Ulzerationen im Nasenrachenbereich können zur Nasendeformation (Septumdeviation Nasenseptumperforation, Sattelnase) führen.
Im weiteren Verlauf kommt es zu generalisierten Symptomen. Gefürchtet ist die Pauci-Immun-Glomerulonephritis (50 % d.F.), die weder Ablagerungen von Antikörpern oder Immunkomplexen aufweist. Sie verläuft häufig unter dem pathologischen Muster einer RPGN. Weiterhin kann es durch ausgedehnten Befall der Lungen (60 %) im Sinne einer Pneumonie zu Husten, Dyspnoe und Einblutungen mit Hämoptysen kommen. Das kombinierte Auftreten wird als pulmorenales Syndrom bezeichnet.
Weitere mögliche Manifestationen sind:
Häufig kommt es im systemischen Krankheitsstadium zur Entwicklung einer B-Symptomatik (Fieber, Nachtschweiß, Gewichtsverlust)
Organ | Manifestation | zu Beginn (in %) | im Verlauf (in %) |
---|---|---|---|
Niere | Glomerulonephritis | 18 | 77 |
Hals, Nase, Ohren | Gesamt: | 73 | 92 |
Sinusitis | 51 | 85 | |
Nasale Erkrankungen | 36 | 68 | |
Otitis media | 25 | 44 | |
Hörverlust | 14 | 42 | |
Subglottische Stenose | 1 | 16 | |
Ohrenschmerzen | 9 | 14 | |
Orale Läsionen | 3 | 10 | |
Lunge | Gesamt: | 45 | 85 |
Pulmonale Infiltrate | 25 | 66 | |
Pulmonale Rundherde | 24 | 58 | |
Hämoptysen | 12 | 30 | |
Pleuritis | 10 | 28 | |
Augen | Konjunktivitis | 5 | 18 |
Dakrozystitis | 1 | 18 | |
Skleritis | 6 | 16 | |
Exophthalmus | 2 | 15 | |
Augenschmerzen | 3 | 11 | |
Visusverlust | 0 | 8 | |
Netzhautläsionen | 0 | 4 | |
Hornhautläsionen | 0 | 1 | |
Iritis | 0 | 2 | |
Andere | Arthralgien/Arthritis | 32 | 67 |
Fieber | 23 | 50 | |
Husten | 19 | 46 | |
Hautläsionen | 13 | 46 | |
Gewichtsverlust > 10 % | 15 | 35 | |
Periphere Neuropathie | 1 | 15 | |
ZNS-Beteiligung | 1 | 8 | |
Perikarditis | 2 | 6 | |
Hyperthyreose | 1 | 3 | |
Quelle: "Wegener's granulomatosis: An analysis of 158 patients" (Ann Intern Med 116:488, 1992, zitiert nach: Harrisons Innere Medizin, dt. Ausgabe der 15. Auflage – Berlin 2003, ISBN 3-936072-10-8, S. 2146-2149) |
Der Verdacht einer Granulomatose mit Polyangiitis ergibt sich durch klinische und labormedizin]]ische Zeichen sowie mit Hilfe bildgebender Verfahren. Die Sicherung der Diagnose erfolgt mittels Biopsie und histologischer Untersuchung.
Als Test auf eine GPA hat sich in der Labormedizin die Bestimmung von c-ANCA durchgesetzt. Die Antikörper richten sich gegen PR3, eine Proteinase der neutrophilen Granulozyten. C-ANCA sind bei der GPA im generalisierten Stadium in 80-90 % d.F. nachweisbar, jedoch korreliert ihr Titer nicht zuverlässig mit der Krankheitsaktivität. Beispielsweise sind Anstiege der c-ANCA-Werte im Blut häufig schon deutlich vor dem Auftreten eines Rezidivs nachweisbar. Weitere serologische Befunde sind:
Weitere unspezifische Laborbefunde in Zusammenhang mit einer GPA sind:
Im Röntgenthorax können eventuell Rundherde und Infiltrate festgestellt werden. Bei Verdacht auf zerebralen Befall sind evtl. Läsionen mittels MRT nachweisbar. Dabei werden unter Umständen auch granulomatöse Veränderungen der Nasennebenhöhlen auffällig.
Des Weiteren finden sich in der CT des Thorax solitäre oder multiple Lungenrundherde (v.a. subpleural in Unterfeldern), wobei 50 % Pseudokavernen aufweisen. Auch Milchglastrübungen des Lungenparenchyms sind bei der GPA häufig. Sie sind Ausdruck von rezidivierenden alveolären Blutungen, die zu entzündlichen und fibrotischen Veränderungen führen.
Als diagnostischer Goldstandard dient die histopathologische Untersuchung einer Biopsie, die man aus der Nase oder anderen befallenen Organen (Lunge, Niere) entnimmt. Die Granulomatose mit Polyangiitis ist charakterisiert durch:
In Nierenbiopsien sind häufig als Ausdruck abgelaufener vaskulitischer Episoden Mikroaneurysmata festzustellen.
Bei gesicherter Diagnose sollte umgehend eine Remissionsinduktion eingeleitet werden. Anschließend wird eine Remissionserhaltung durchgeführt. Wichtig ist es, die Nierenschädigung als die Lebenserwartung begrenzenden Faktor möglichst minimal zu halten. Engmaschige Kontrollen und eine konsequente medikamentöse Therapie sind hierfür notwendig.
Die Wahl der Remissionsinduktion wird individuell in Abhängigkeit vom Ausmaß der Erkrankung gewählt. Besteht keine akute Lebensgefahr oder Beteiligung lebenswichtiger Organe (z.B. Hautbefall ohne Ulzerationen, Myositis, nasale Erkrankung ohne Involvierung des Knochens) wird eine immunsuppressive Kombinationstherapie empfohlen:
Bei akuter Lebensgefahr oder Beteiligung lebenswichtiger Organe (z.B. Nierenversagen, pulmorenales Syndrom, zerebrale Vaskulitis, Perimyokarditis) wird eine aggressive immunsuppressive Kombinationstherapie indiziert:
In Notfallsituationen (z.B. dialysepflichtige Niereninsuffizienz, pulmonale Blutung) ist eine Plasmapherese und eine Hochdosis-Glukokortikoidgabe notwendig.
Bei therapierefraktäre Patienten wird Cyclophosphamid durch Rituximab ausgetauscht bzw. umgekehrt.
Die Remissionserhaltung erfolgt über mindestens 24 Monate nach Erreichen der Remission. Dabei wird eine Kombination aus Glukokortikoiden (Prednisolon 10 mg/d) und einem Immunsuppressivum verwendet:
Die zusätzliche Gabe von Cotrimoxazol (800/160 mg p.o. 1-0-1) kann das Rezidivrisiko senken und eine Dosiseinsparung bei Immunsuppressiva ermöglichen.
Hinweis: Diese Dosierungsangaben können Fehler enthalten. Ausschlaggebend ist die Dosierungsempfehlung in der Herstellerinformation.
Unbehandelt hat die GPA eine sehr schlechte Prognose und führt u.a. aufgrund der rapiden Nierenschädigung (RPGN) durchschnittlich innerhalb eines Jahres zum Tode. Unter optimaler Therapie ist die Prognose deutlich besser. So liegt die 5-Jahres-Überlebensrate dann bei über 85 %. In 75 % d.F. kommt es zur kompletten Remission, wobei Rezidive häufig sind.
Auch bei adäquater Therapie hat die GPA jedoch eine hohe Mortalität im 1. Jahr (ca. 10 %). Die häufigste Todesursache sind infektiöse Komplikationen im Rahmen der immunsuppressiven Therapie.
Fachgebiete: Rheumatologie
Diese Seite wurde zuletzt am 14. Mai 2020 um 18:39 Uhr bearbeitet.
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