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Urtikaria

(Weitergeleitet von Nesselsucht)

von lateinisch: urtica - Brennnessel
Synonym: Nesselsucht, Nesselfieber
Englisch: urticaria, hives

1. Definition

Die Urtikaria ist eine heterogene Gruppe von Hauterkrankungen mit charakteristischer Hautreaktion in Form von Quaddeln und/oder Angioödemen.

2. Nomenklatur

Die Urtikaria hat eine Vielzahl an möglichen Ursachen. In der Literatur werden z.T. jegliche Krankheitsbilder mit entsprechenden Hautreaktionen als Urtikaria bezeichnet, wobei einige Autoren eine Abgrenzung zu Erkrankungen vornehmen, bei denen die Quaddel nur ein Teilsymptom darstellt (z.B. bei akuter Anaphylaxie).

3. Epidemiologie

Die Urtikaria ist weltweit eines der häufigsten dermatologischen Krankheitsbilder. Die Lebenszeitprävalenz beträgt ca. 25 %.

4. Pathophysiologie

Die Ursachen einer Urtikaria können vielfältig sein, wobei die typische Quaddelreaktion durch vasoaktive Mediatoren hervorgerufen wird. Dazu zählen beispielsweise Histamin, Kallikrein und Eikosanoide. Diese werden i.d.R. nach Aktivierung und Degranulierung von Mastzellen und z.T. von basophilen Granulozyten freigesetzt.

Mastzellen können durch eine Vielzahl an Reizen stimuliert werden:

5. Einteilung

5.1. ...nach Ätiologie

5.2. ...nach Typ

Die aktuelle (2019) internationale Leitlinie unterscheidet folgende Typen der Urtikaria:[1]

Verläuft die physikalische Urtikaria oder die Sonderformen chronisch, spricht man auch von einer chronischen induzierbaren Urtikaria.

6. Klinik

6.1. Quaddel

Die Primäreffloreszenz der Urtikaria ist die Quaddel (Urtika). Sie stellt ein oberflächliches, tastbar erhabenes, scharf begrenztes Erythem der Haut dar, das durch Glasspateldruck abblasst. Meist entwickelt sich eine Quaddel innerhalb von Sekunden bis Minuten und verschwindet anschließend nach etwa 3 bis 8 Stunden. Bei einigen Urtikariaformen zeigt sich eine Abhängigkeit von der Konzentration des Auslösers. In diesen Fällen reicht das Spektrum von alleinigem Juckreiz über Erytheme bis zur voll entwickelten Quaddel.

Typisch für die Quaddel ist ein intensiver Juckreiz, insbesondere während der Entstehungsphase. Im Verlauf nimmt der Juckreiz meist ab. Dabei kommen Kratzeffekte nur selten vor, da die Quaddeln nur gescheuert und gerieben werden. Weiterhin lässt sich eine tageszeitliche Dynamik mit Maximum am Abend feststellen.

Gelegentlich kann ein Orangenhautphänomen bei seitlichem Druck infolge von Serumaustritt ausgelöst werden. Häufig findet sich ein unterschiedlich breites, z.T. fleckiges Reflexerythem um eine einzelne Quaddel, das durch den Axonreflex hervorgerufen wird.

Die Quaddel ist inter- und intraindividuell variabel in Farbe, Größe und Form:

Durch Austritt von Erythrozyten in das Gewebe können hämorrhagische Quaddeln entstehen. Anschließende Hämosiderinablagerungen bei der Abheilung führen zu einer Hyperpigmentierung.

6.2. Angioödem

Liegen die Ödeme in der tiefen Dermis oder in der Subkutis, entsteht keine Quaddel, sondern eine meist hautfarbene Schwellung, das Angioödem (Urticaria profunda). Es verursacht z.T. Schmerzen, aber nur selten einen Juckreiz. Die Rückbildung kann bis zu 72 Stunden dauern. Angioödeme können ebenfalls am gesamten Integument auftreten, sind jedoch häufiger im Bereich der Lider, Lippen und Genitale zu finden, können aber auch Zunge, Glottis oder Larynx betreffen.

Meist treten Angioödeme in Kombination mit einer Urtikaria auf; sie können jedoch auch ohne Quaddeln vorkommen (z.B. beim hereditären Angioödem).

6.3. Begleitsymptome

Selten treten assoziierte Allgemeinsymptome auf wie z.B. Müdigkeit, Abgeschlagenheit oder Fieber. Palmoplantare Parästhesien, Übelkeit, Brechreiz und Schwindel deuten auf eine beginnende anaphylaktische bzw. anaphylaktoide Reaktion hin, die bis zum Schock fortschreiten kann. Eine Heiserkeit ist hinweisend auf ein potenziell lebensbedrohliches Glottis- oder Larynxödem.

7. Histopathologie

Die klassische Quaddel ist histopathologisch charakterisiert durch:

Beim Angioödem zeigen sich ähnliche Veränderungen v.a. in der tiefen Dermis und Subkutis.

8. Differenzialdiagnosen

Quaddeln sind hinweisend auf eine Urtikaria. Fehlt der Juckreiz oder dominieren tiefe Schwellungen (z.B. bei Druckurtikaria) ergeben sich Schwierigkeiten bei der Diagnostik. Persistieren die Effloreszenzen über 24 Stunden, erscheinen sie hämorrhagisch und/oder heilen sie unter Hyperpigmentierung ab, muss eine Probebiopsie zum Ausschluss einer Urtikariavaskulitis erfolgen. Diese ist gekennzeichnet durch Leukozytoklasie, Fibrinablagerungen und Erythrozytenextravasate. Auch das Sweet-Syndrom sowie das Erythema elevatum diutinum zeigen eine längere Persistenz der Quaddeln.

Außerdem müssen differenzialdiagnostisch urtikarielle Hautveränderungen im Frühstadium eines bullösen Pemphigoids erwogen werden.

Weitere Erkrankungen, die mit Quaddeln oder Angioödemen einhergehen können, jedoch i.d.R. nicht zur Urtikaria gezählt werden, sind:

9. Diagnostik

Eine erfolgreiche Diagnostik mit Feststellung der Ursache ist vor allem bei chronisch-rezidivierenden Verlaufsformen möglich, da so die Umstände bei Auslösung besser analysiert werden können.

Wertvollstes diagnostisches Instrument ist dabei die Anamnese, in der die Begleitumstände der Urtikaria abgeklärt werden können. Je nach Ergebnis der Anamnese und körperlichen Untersuchung sollten vorliegende Erkrankungen (z.B. Infektionen, Autoimmunerkrankungen) und bekannte Allergien abgeklärt werden.

Weitere diagnostische Maßnahmen ergeben sich je nach Verdachtsdiagnose, z.B.:

10. Therapie

Bei bekannter Ursache sollte primär eine kausale Therapie erfolgen, z.B. durch Expositionsprophylaxe gegenüber Allergenen.

Bei akuten Formen werden symptomatisch H1-Rezeptorantagonisten (z.B. Azelastin, Cetirizin, Loratadin) verabreicht. Bei fehlendem Ansprechen nach zwei Wochen kann eine bis zu vierfache Dosissteigerung erfolgen. Als Therapie der zweiten Wahl eignet sich die kurzfristige Gabe von oralen Glukokortikoiden für 3 bis 4 Tage (z.B. 40 mg Prednisolonäquivalent pro Tag).

Ein Angioödem oder eine Anaphylaxie bedarf einer sorgfältigen Überwachung und je nach Symptomatik weitergehenden Therapiemaßnahmen.

Die chronische spontane Urtikaria wird anhand einer Stufentherapie mit H1-Rezeptorantagonisten sowie ggf. mit Omalizumab und weiteren Wirkstoffen behandelt.

Hinweis: Diese Dosierungsangaben können Fehler enthalten. Ausschlaggebend ist die Dosierungsempfehlung in der Herstellerinformation.

11. Literatur

  • Wedi B., in Braun-Falco O. et al. - Dermatologie und Venerologie, 7. Auflage, Springer 2016

12. Quellen

Stichworte: Hauterkrankung, Quaddel
Fachgebiete: Dermatologie

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