von lateinisch: facere - machen, ausführen; urtica - Brennessel
Synonyme: Urtikaria factitia, Urticaria facticia, dermographische Urtikaria, symptomatischer urtikarieller Dermographismus
Englisch: factitious urticaria, symptomatic dermatographism urticaria (SDU)
Als Urticaria factitia bezeichnet man eine reaktive, stark juckende Quaddelbildung der Haut (Urtikaria) als unmittelbare Folge einer physikalischen Reizung in Form von Kratzen, Scheuern oder Reiben.
Die Urticaria factitia ist die häufigste Form der physikalischen Urtikaria.
Die Ätiologie ist aktuell (2019) nicht bekannt.
Ursächlich für die Quaddelbildung ist eine reizbedingte lokale Mastzelldegranulation mit histamininduzierter Vasodilatation und kapillärer Permeabilitätssteigerung. Häufig ist diese Erkrankung mit physisch oder psychisch belastenden Situationen (z.B. Operationen), Medikamenteneinnahme (z.B. Penicillin, Acetylsalicylsäure), Parasitosen oder Insektenstichreaktionen assoziiert.
Bei der Urticaria factitia ist charakterisiert durch ein wellenartiges Anfluten von starkem Juckreiz, meist morgens nach dem Aufstehen oder abends beim Zubettgehen. Durch leichte Scherkräfte unter Druckeinwirkung (z.B. Reiben, Scheuern) entwickeln sich innerhalb von Minuten in dem Kontaktbereich sowie darüber hinaus linear angeordnete, konfluierende Quaddeln, begleitet von einem Reflexerythem. Häufig kann bereits das Reiben von Kleidung die Symptome auslösen.
Die Quaddeln sind i.d.R. nicht rund, sondern je nach Stimulus strich- bzw. streifenförmig angeordnet. Der Juckreiz wird durch Reiben beantwortet, sodass ein Circulus vitiosus entsteht. Kratzartefakte finden sich bei der Urtikaria im Allgemeinen nicht.
Ähnlich wie beim urtikariellen Spätdermographismus existiert auch eine verzögert eintretende, lang anhaltende Verlaufsform (Urticaria factitia tarda).
Wichtig ist bei einer neu aufgetretenen Urticaria factitia die Abklärung auf ein Angioödem, das bei einer Urticaria factitia häufig als Komorbidität auftritt. Weiterhin kommt die Urticaria factitia häufig in Kombination mit einer chronischen spontanen Urtikaria oder einer anderen physikalischen Urtikaria vor.
Die Reizspezifität, die kurze Latenzzeit von 1 bis 5 Minuten bis zum Eintreten der Hautreaktion und die Dauer von meist 20 bis 30 Minuten ermöglicht eine differentialdiagnostische Abgrenzung gegenüber anderen Formen der physikalisch induzierten Urtikaria.
Entsprechend kann die Symptomatik durch Bestreichen der Haut mittels eines stumpfen Gegenstandes (Stift, Holzspatel) provoziert werden (Dermatographismus). Idealerweise verwendet man einen standardisierten Dermographometer, mit dessen Spitze ein Druck von 20 bis 160 g/mm2 anwendbar ist.
Wichtig ist außerdem die Abgrenzung zur Urticaria pigmentosa (kutane Mastozytose), unter anderem durch Messung der Tryptase im Serum.
Falls möglich, sollten Reizexpositionen vermieden werden. Die symptomatische Therapie besteht aus der kontinuierlichen Therapie mit H1-Rezeptorantagonisten, gegebenenfalls in bis zu vierfacher Dosis. Zur lokalen Therapie des Juckreizes eignen sich Zinkschüttelmixtur oder Cremes mit Polidocanol (bis 5 %) oder kühlendem Menthol.
Bei Therapieresistenz kommen Omalizumab, Montelukast, Ciclosporin oder eine UVB-Phototherapie in Frage.
Im Mittel dauert die Erkrankung 6 bis 7 Jahre an, bevor sie von selber wieder verschwindet.
Fachgebiete: Dermatologie
Diese Seite wurde zuletzt am 9. Dezember 2019 um 18:32 Uhr bearbeitet.
Um diesen Artikel zu kommentieren, melde Dich bitte an.