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Therapie des Magenkarzinoms

1. Definition

Die Therapie des Magenkarzinoms umfasst alle kurativen und palliativen Maßnahmen zur Behandlung des Magenkarzinoms.

2. Hintergrund

Das Magenkarzinom ist das häufigste Malignom des Magens. Aufgrund von fehlenden Frühsymptomen wird es häufig erst in fortgeschrittenen Stadien diagnostiziert. Für die Therapie entscheidend ist die TNM- sowie die Laurén-Klassifikation. Letztere unterteilt die Magenkarzinome in drei Formen:

Adenokarzinome des gastroösophagealen Übergangs (AEG-Karzinome) weisen diagnostische und therapeutische Besonderheiten auf. Sie werden nach Siewert topografisch in drei Typen eingeteilt.

Magenkarzinome können endoskopisch oder chirurgisch in kurativer Intention entfernt werden. In einigen Fällen kommt eine perioperative (Radio-)Chemotherapie in Frage. In palliativen Situationen kann u.a. eine Chemotherapie erwogen werden.

3. Endoskopische Resektion

Eine endoskopische Resektion wird empfohlen bei intraepithelialen Neoplasien jeglicher Größe sowie bei Magenfrühkarzinomen vom intestinalen Typ. Ausnahmen stellen ulzerierte T1a-Karzinome über 3 cm sowie bestimmte T1b-Karzinome dar. Diese werden genau wie Magenfrühkarzinome vom diffusen Typ i.d.R. chirurgisch behandelt.

Die endoskopische Resektion erfolgt in kurativer Zielsetzung als endoskopische Submukosa-Dissektion (ESD). Bei sehr kleinen Läsionen kann auch eine endoskopische Mukosaresektion (EMR) erfolgen. Diese ist mit einer niedrigen Komplikationsrate verbunden, erlaubt jedoch bei größeren Läsionen häufig keine En-bloc-Resektion. Stattdessen ist oft nur eine Resektion in mehreren Fragmenten möglich (Piece-meal-Technik).

Typische Komplikationen nach endoskopischer Resektion sind Blutungen (2-23 % d.F.) und Perforationen (0,5-10 % d.F.) mit einer Latenzzeit von bis zu 10 Tagen. Sie können jedoch i.d.R. endoskopisch bzw. konservativ behandelt werden. Postinterventionell werden Protonenpumpenhemmer (PPIs) verabreicht. Des Weiteren erfolgt eine Testung auf Helicobacter pylori und ggf. eine Eradikationstherapie.

Bei inkompletter Resektion sollte eine postinterventionelle Endoskopie und Biopsie sowie ggf. eine chirurgische Therapie erfolgen. Rezidive treten v.a. innerhalb des 1. Jahres auf und können erneut endoskopisch reseziert werden.

4. Kurative chirurgische Resektion

Neben einer endoskopischen Resektion von geeigneten Frühkarzinomen stellt die chirurgische Resektion die einzige Möglichkeit zur kurativen Behandlung dar. Sie kommt grundsätzlich bei allen T-Stadien in Betracht, vorausgesetzt der Patient ist funktionell operabel. Ziel ist dabei die vollständige Entfernung des Tumors und der regionären Lymphknoten (R0-Resektion). Nicht operiert werden Patienten mit T4b-Tumoren, die nicht-resektable Strukturen betreffen sowie Patienten mit Fernmetastasen.

Bei Frühkarzinomen kann sowohl eine laparoskopische subtotale distale Resektion oder Gastrektomie als auch eine offene Resektion durchgeführt werden. Bei anderen Magenkarzinomen werden laparoskopische Verfahren derzeit (2020) nicht empfohlen.

Standardverfahren ist die radikale Gastrektomie mit D2-Lymphadenektomie:

Unter Einhaltung der erforderlichen Sicherheitsabstände kann bei Karzinomen des unteren Magendrittels sowie bei Karzinomen vom intestinalen Typ des mittleren Drittels eine subtotale Gastrektomie mit Lymphadenektomie ausreichen.

Bei AEG-Tumoren gelten folgende operative Therapieempfehlungen:

  • AEG Typ I: transthorakale subtotale Ösophagektomie mit Resektion des proximalen Magens und anschließendem Magenhochzug und intrathorakaler Anastomose
  • AEG II: transthorakale Ösophagektomie und obere Magenresektion oder transhiatal erweiterte Gastrektomie mit distaler Ösophagusresektion
  • AEG Typ III: transhiatal erweiterte Gastrektomie und distale Ösophagusresektion, z.T. Ösophagogastrektomie und Rekonstruktion durch Koloninterposition.

Bei R1- und R2-Resektion kann in kurativer Intention eine Nachresektion oder eine postoperative Radiochemotherapie durchgeführt werden. Sind diese Therapieoptionen nicht möglich, liegt eine palliative Situation vor. Bei isoliertem Lokalrezidiv kann eine erneute Operation durchgeführt werden.

5. Perioperative Therapie

Eine perioperative, d.h. präoperativ begonnene (neoadjuvante) und postoperativ fortgesetzte (adjuvante) Chemotherapie wird in folgenden Situationen empfohlen:

  • fakultativ: lokalisierte Adenokarzinome des Magens oder ösophagogastralen Übergangs im Stadium cT2
  • lokalisierte Magenkarzinome im Stadium cT3
  • resektable Magenkarzinome im Stadium cT4

Bei AEG kann neben einer perioperativen Chemotherapie auch eine neoadjuvante Radiochemotherapie durchgeführt werden.

Der Standard in der perioperativen Chemotherapie besteht aus der Dreierkombination FLOT (5-Fluoruracil mit Folinsäure, Oxaliplatin, Docetaxel). Alternative Therapieprotokolle sind:

Der Einsatz von Antikörper und small molecules zur perioperativen Therapie wird derzeit (2020) in Studien untersucht.

Nach neoadjuvanter Therapie wird ein Restaging mittels Computertomographie (CT) und Ösophagogastroduodenoskopie (ÖGD) durchgeführt. Bei Tumorprogress sollte die präoperative Therapie abgebrochen, eine frühzeitige Operation angestrebt und keine postoperative Therapie durchgeführt werden.

6. Adjuvante Therapie

Bei Patienten mit R0-Resektion und Lymphadenektomie, die keine präoperative Chemotherapie erhalten haben, kann bei Vorliegen von bestimmten Risikofaktoren eine postoperative Radiochemo- oder Chemotherapie erwogen werden.

7. Palliative Therapie

Eine palliative Situation liegt vor bei:

  • Fernmetastasen
  • fortgeschrittenem Stadium mit nicht resektablem Tumor
  • funktionell inoperablen Patienten

7.1. Pallative Chemotherapie

Bei funktioneller Inoperabilität oder Irresektabilität eines lokal begrenzten Adenokarzinoms kann eine meist platinbasierte Radiochemotherapie analog zum Ösophaguskarzinom durchgeführt werden. Patienten, die eine Operation ablehnen oder funktionell inoperabel sind, besitzen unter Radiochemotherapie ein medianes Überleben von ca. 3 Jahren (2-Jahres-Überlebensrate von 50-70 %). Bei irresektabler Erkrankung beträgt das mediane Überleben ca. 1,5 Jahre (2-Jahres-Überlebensrate von 20 %).

Bei palliativen Patienten sollte frühestmöglich eine Chemotherapie angeboten werden, vorausgesetzt der Patient befindet sich in gutem Allgemeinzustand (ECOG 0-1). Die Chemotherapie kann die Überlebenszeit verlängern und die Lebensqualität verbessern.

Vorher sollte jedoch der HER2-Status bestimmt werden: Bei Tumoren ohne HER-2-Überexpression besteht die Erstlinientherapie aus dem ECF-Schema. Dies führt zur Verlängerung der Überlebenszeit um durchschnittlich 6,7 Monate (medianes Gesamtüberleben von 8-19 Monaten). Alternativen sind:

  • EOX
  • DCF: Docetaxel, Cisplatin, 5-FU: vergleichsweise hohe Toxizität, v.a. bei sehr gutem Allgemeinzustand
  • FLOT: Oxaliplatin besser verträglich als Cisplatin, v.a. für ältere Patienten
  • Cisplatin + Capecitabin: v.a. bei alters- oder ernährungsbedingt eingeschränkten Patienten
  • FOLFIRI: Irinotecan + 5-FU: platinfreie Alternative, v.a. bei hochgradiger Niereninsuffizienz

Bei HER2-positiven Tumoren kann durch die zusätzliche Gabe von Trastuzumab eine Verbesserung der Überlebenszeit um ca. 2 Monate erreicht werden. In klinischen Studien werden außerdem Cetuximab, Panitumumab und Bevacizumab getestet.

Als Zweitlinientherapie kommen Irinotecan, Docetaxel, Paclitaxel oder Ramucirumab in Frage. Zugelassen ist nur Ramucirumab alleine oder in Kombination mit Paclitaxel. Diese Substanzen können eine Verbesserung des medianen Überlebens um ca. 2 Monate bewirken (im Vergleich zur alleinigen supportiven Behandlung).

7.2. Weitere palliative Therapien

Neben einer palliativen Chemotherapie existieren weitere palliative Therapieoptionen:

Immuncheckpoint-Inhibitoren (Pembrolizumab, Nivolumab, Avelumab, Atezolizumab, Durvalumab) werden derzeit (2020) in klinischen Studien bei selektierten Patienten (z.B. mit nachgewiesener Mikrosatelliteninstabilität nach Ausschöpfung zugelassener Therapien) getestet. In den USA ist Pembrolizumab seit 2017 für Patienten mit PD-L1-positiven Adenokarzinomen (AEG-Tumoren und Magenkarzinom) in der Drittlinientherapie zugelassen. In Asien ist es sogar unabhängig von der PD-L1-Expression zugelassen.

8. Ernährungstherapie

Bei jedem Tumorpatienten sollte ab Diagnosestellung der Ernährungszustand regelmäßig beurteilt und frühzeitig Interventionen eingeleitet werden. Dabei ist auch auf eine ausreichende Vitamin-D- und Vitamin-B12-Versorgung zu achten. Nicht empfohlen ist die Supplementation von Vitamin C, Selen und Zink. Die Datenlage zu Omega-3-Fettsäuren ist widersprüchlich.

Präoperativ ist bereits eine adäquate Ernährungstherapie einzuleiten, da eine Mangelernährung die postoperative Morbidität und Letalität negativ beeinflusst. Postoperativ kann innerhalb von 24 Stunden mit einer enteralen Substratzufuhr begonnen weden. Die frühzeitige Ernährung reduziert die Infektionsrate und Krankenhausverweildauer. Daher kann intraoperativ eine Ernährungssonde gelegt werden (nasojejunale Sonde oder Feinnadelkatheter-Jejunostomie).

Weiterhin ist auf ausreichende körperliche Aktivität und/oder Bewegungstraining zu achten.

9. Komplementäre Therapie

Komplementäre Therapieansätze können ggf. zusätzlich zu oben genannten Behandlungsoptionen angewendet werden:

Bei folgenden Substanzen bzw. Maßnahmen ist eine Wirksamkeit bei anderen Entitäten nachgewiesen, jedoch kann aufgrund unzureichender Datenlage keine Empfehlung für das Magenkarzinom ausgesprochen werden:

Nicht empfohlen aufgrund von unzureichender Datenlage oder potentiellen Nebenwirkungen sind:

Stichworte: Magenkarzinom, Magenkrebs
Fachgebiete: Viszeralchirurgie

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07.11.2021, 10:26
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