Homöopathie
Englisch: homeopathy
Definition
Die Homöopathie ist eine wissenschaftlich nicht anerkannte, alternative Heilmethode. Sie wurde von Samuel Hahnemann (1755-1843) begründet.
Hintergrund
Hahnemann glaubte, in einem Selbstversuch mit Chinarinde an sich malariatypische Symptome zu erkennen. Er schloss daraus, dass Stoffe, die bei Gesunden Krankheitssymptome hervorrufen, diese Symptome bei Erkrankten beseitigen könnten. Der sogenannte Chinarindenversuch konnte nie reproduziert werden und gilt heute als Zufall oder Fehldeutung durch Hahnemann.[1] Hahnemann legte die Grundsätze der Homöopathie in seinem Hauptwerk, dem "Organon der Heilkunst" nieder.
Hahnemanns Methode liegt keine schlüssige Ätiologie, also eine Lehre von Entstehung und Ursachen von Krankheiten, zugrunde. Er sieht "… eine (nicht einzig der Chirurgie anheim fallende) Krankheit nur in einer besondern, krankhaften, dynamischen Verstimmung unserer Lebenskraft (Lebensprincips) in Gefühlen und Thätigkeiten" (§ 29 Organon) und ist insofern noch dem vorwissenschaftlichen Animismus, der Erklärung von Lebensphänomenen durch eine "Allbeseeltheit" verpflichtet. Spätestens mit der Entwicklung von Zellularpathologie durch Virchow und andere Wissenschaftler Mitte des 19. Jahrhunderts waren diese Vorstellungen nicht mehr haltbar.
Infolgedessen behandelt die Hahnemann-Methode keine Krankheiten, sondern ist vollständig symptombezogen. Hahnemann bestritt, dass von einer Krankheit mehr als die Symptome erkennbar seien (§ 22 Organon). Die homöopathische Methode ist somit eine symptomorientierte Arzneimittellehre, die nicht auf der Annahme einer physiologischen, sondern einer irrationalen "geistartigen" Wirkung beruht. Sie kann nicht den Naturheilverfahren zugerechnet werden.
Hahnemanns damals als Erfolge angesehene Ergebnisse beruhten vor allem auf der Vermeidung der damals üblichen belastenden Behandlungsmethoden wie z.B. dem Aderlass, die häufig zur Verschlechterung der Symptomatik oder gar zum Tode des Patienten führten.
Ausübung
In Deutschland wird Homöopathie sowohl von Ärzten als auch von Heilpraktikern ausgeübt. Ärzte müssen für den Erwerb der Zusatzbezeichnung "Homöopathie" eine zusätzliche Ausbildung absolvieren, die unter anderem Kurse und Fallseminare mit Supervision umfasst. Anschließend wird eine Prüfung vor der Ärztekammer abgelegt. Die Anwendung der Homöopathie durch wissenschaftlich ausgebildete Ärzte ist umstritten. Das gilt auch für die Abgabe homöopathischer Produkte für die Selbstmedikation durch Apotheker.[2]
In Österreich darf Homöopathie nur von Ärzten nach einer speziellen Ausbildung angewendet werden.
Grundsätze der Homöopathie:
- Wirkstoffprüfungen an gesunden Menschen. Durch die Gabe von hochpotenzierten "Urstoffen" soll empirisch das Symptombild gefunden werden, das der jeweilige Urstoff beim Gesunden hervorruft. Sie sind nicht mit den umfangreichen Medikamentenstudien nach dem Arzneimittelrecht vergleichbar, vor allem deshalb nicht, weil die Kausalität von Symptombildung und Stoffgabe nicht verifizierbar ist. Dies zeigt sich auch an der Vielzahl von Symptombildern für den gleichen Stoff in den Verzeichnissen ("Repertorien") der Homöopathen, welche die Subjektivität bei der Arzneimittelprüfung widerspiegeln.
- Das Simile-Prinzip ("Ähnliches heilt Ähnliches"). Bei der Behandlung wird versucht, das in der homöopathischen Anamnese erhobene Symptombild möglichst genau mit dem Arzneimittelbild eines Stoffes aus den Arzneimittelprüfungen in Deckung zu bringen und daraus das homöopathische Mittel zu bestimmen. Homöopathisch wird zum Beispiel ein Durchfall behandelt, indem man eine Substanz sucht, die selbst einen Durchfall mit gleichem Symptombild erzeugt und von dieser eine sehr niedrig konzentrierte Verdünnung ("hohe Potenzierung") als Arzneimittelgabe wählt. Das Simile-Prinzip geht auf alte, längst widerlegte Ansätze einer Naturerklärung zurück, die auf der psychologischen Neigung des Menschen zum Auffinden von Bedeutungszusammenhängen beruht.
- Potenzierung, d.h. Herstellung sehr niedrig konzentrierter Verdünnungen (oft 1:1030 bis 1:10200), wobei bei einer Stufe von mehr als 1:1023 statistisch kein Molekül des Ausgangsstoffes mehr in der Lösung enthalten ist. Sie werden gegen den eigentlichen Wortsinn als Potenzierungen bezeichnet, d.h. gerade so genannte "Hochpotenzen" enthalten kaum noch Wirkstoffmoleküle. Der Potenzierungsvorgang erfolgt stufenweise nach vorgeschriebenen ritualisierten Bedingungen, wodurch eine sogenannte "Dynamisierung" des Stoffes erreicht werden soll. Die Forderung nach Verdünnung entstand ursprünglich, weil Hahnemann in seinem Grundrepertoire auch giftige Stoffe verwendete - dies geschieht auch heute noch. Hahnemann hat die Potenzierung allerdings dann zum wesentlichen Wirkprinzip erhoben. Er postulierte eine immer höhere Wirkung mit erhöhtem Potenzierungsgrad durch die Übertragung "geistartiger Kräfte" auf die Trägersubstanz, die dann ihre Wirksamkeit im Körper des Patienten entfalten sollen. Vor dem Hintergrund dieser Hypothese warnte Hahnemann ausdrücklich vor der Verwendung zu hoher "Potenzen".
Bewertung
Die Arzneimittelprüfungen gelten wissenschaftlich als kausal nicht begründbar, das Simile-Prinzip hat keinerlei Bestätigung in der Entwicklung der evidenzbasierten Medizin gefunden. Das Prinzip der Potenzierung widerspricht physikalischen Gesetzmäßigkeiten. Die Homöopathie verharrt im Wesentlichen bei den von Hahnemann vor 200 Jahren aufgestellten Grundsätzen. In Anbetracht der Entwicklung der Wissenschaft im Allgemeinen und der forschenden Medizin im Besonderen besitzt das Hahnemannsche Modell in der modernen Medizin keine Relevanz.[3][4]
Die Studienlage spricht nicht für eine über den Placebo-Effekt hinausgehende Wirksamkeit homöopathischer Verfahren.
Nach Angaben der British Homeopathic Association existierten nach dem Stand von Ende 2014 insgesamt 189 auswertbare randomisierte Vergleichsstudien. Das bisher größte systematische Review unter Einbeziehung von 176 dieser Vergleichsstudien hat die Australische Gesundheitsbehörde NHMRC 2015 veröffentlicht.[5] Die Qualitätssicherung dieser Veröffentlichung war ungewöhnlich umfangreich u.a. durch Einbeziehung des australischen Cochrane-Zentrums und unabhängiger Gutachter aus dem Bereich der Komplementärmedizin. Das NHMRC kam zu dem Ergebnis, dass eine spezifische Wirksamkeit homöopathischer Mittel nicht belegt werden konnte und hat folgende Empfehlung veröffentlicht:
"Die Homöopathie sollte nicht für Beschwerden eingesetzt werden, die chronisch oder gefährlicher Natur sind oder gefährlich werden können. Menschen, die sich für die Homöopathie entscheiden, könnten ihre Gesundheit riskieren, falls sie Behandlungen zurückweisen oder aufschieben, für deren Wirksamkeit und Sicherheit belastbare Evidenz existiert."
Wirtschaftliche Bedeutung
Da viele homöopathische Arzneimittel nicht verschreibungspflichtig sind, wird ein Großteil ohne Verordnung direkt in der Apotheke an die Patienten abgegeben, ist also Teil des OTC-Markts.
Der Bundesverband der Arzneimittelhersteller e.V. (BAH) taxiert das Umsatzvolumen von Homöopathika 2017 auf der Basis von IMS-Zahlen auf rund 628 Mio. Euro. Davon entfallen 533 Mio. auf die Selbstmedikation, 95 Mio. Euro auf den Verordnungsmarkt.[6] Die Verordnung von Homöopathika durch Ärzte zu Lasten der GKV ist aufgrund ihrer fehlenden Wirkung umstritten. In einigen Europäischen Ländern (z.B. in England, Spanien, Frankreich) ist diese Praxis bereits aufgehoben bzw. der Zeitpunkt der Aufhebung verbindlich beschlossen.
Weblinks
- MedWatch Homöopathie, abgerufen am 11.10.2019
Quellen
- ↑ Versuch einer Reproduktion des Chinarindenversuchs
- ↑ Check zur Homöopathie-Beratung: Apotheken verschweigen Stand der Wissenschaft, abgerufen am 11.10.2019
- ↑ Die Marburger Erklärung zur Homöopathie von 1992
- ↑ Bemerkungen zu der Überprüfung der Homöopathie durch das Reichsgesundheitsamt 1936 bis 1939 von Fritz Donner
- ↑ Review der Australischen Gesundheitsbehörde NHMRC
- ↑ Der Arzneeimittelmarkt in Deutschland 2017. Zahlen und Fakten. Bundesverband der Arzneimittelhersteller, abgerufen am 11.10.2019
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