Brachytherapie
von altgriechisch: βραχύς ("brachys") - kurz
Definition
Bei der Brachytherapie handelt es sich um eine besondere Form der Radiotherapie (Bestrahlung), bei der Tumoren mit Hilfe einer radioaktiven Strahlenquelle aus "kurzer Entfernung" (direkt auf der Körperoberfläche, im Gewebe oder in Körperhöhlen) bestrahlt werden können.
Formen
Man unterscheidet folgende zwei Formen der Brachytherapie:
Afterloading
Beim Afterloading wird das Tumor-Gewebe zunächst mittels kurzen invasiven Eingriffs mit einigen nicht-strahlenden Führungen in Form von Schläuchen, Hohlröhren oder Hohlnadeln "gespickt" (beim Mammakarzinom z.B. 17 Schläuche).
Daraufhin werden die Schläuche an einen Quellentresor (Strahlungsquelle) angeschlossen, durch das (automatisiert) Strahlenquellen über die Führungen in den Tumor eingefahren werden. Sie verbleiben dort für einen bestimmten Zeitraum und werden danach wieder entfernt. Ein solches Strahlungs-Gerät ist z.B. ein 192Ir-HDR-Afterloader (kompaktes und mobiles Gerät mit Gammastrahlen aus dem Isotop Iridium-192), das grob wie folgt eingesetzt wird:
- Am Ende eines dünnen flexiblen Führungsdrahtes befindet sich eine kleine Punktquelle (Größe ca. 1mm x 3mm).
- Der Afterloader führt den Führungsdraht mit Punktquelle über einen vorher eingebrachten Katheter in das Zielvolumen ein.
- Die Punktquelle kann in Millimeterschritten bewegt werden.
- Die berechnete Standposition wird "Dwell-Position" genannt.
- An dieser Position bleibt die Quelle eine gewisse Zeit stehen (zuvor berechnete Standzeit = "Dwell-Time")
Angewandte Dosen:
- High Dose Rate (HDR)
- Medium Dose Rate (MDR)
- Pulsed Dose Rate (PDR)
- Low Dose Rate (LDR)
Die Afterloading-Therapie wird (verglichen mit der Seed-Implantation) auf breiterer Ebene eingesetzt. Zum Einsatz kommt sie u.a. bei:
- Prostatakarzinom
- Mammakarzinom
- Bronchialkarzinom
- Mundbodenkarzinom
- Tumoren im HNO-Bereich
- gynäkologischen Tumoren
- Ösophaguskarzinomen
Oft wird die Afterloading-Brachytherapie mit Teletherapie (Bestrahlung von extern und aus größerer Entfernung als bei der Brachytherapie) kombiniert (standardmäßig z.B. beim Prostatakarzinom).
Seed-Implantation
Die Seed-Implantation verwendet strahlende "Seeds" (Implantate, ca. 4,5 mm groß), die unter Ultraschall-Kontrolle in den Tumor eingepflanzt werden und ihn von Innen zerstören. Seed haben eine "Low Dose Rate" (LDR). Zum Schutz vor ihrer Wanderungstendenz im Gewebe sind die Seeds in Vicrylfäden eingewebt (z.B. "Rapid Strand"). Verwendete Nuklide sind die Isotope Palladium-103 oder Iod-125.
Verfahren
Interstitielle Brachytherapie
Die interstitielle Brachytherapie arbeitet mit der Spickung des Gewebes und Afterloading-Verfahren (oder alternativ mit Seed-Implantaten). Angewendet wird das Verfahren z.B. beim Prostatakarzinom, Mammakarzinom und bei HNO-Tumoren.
Intrakavitäre Brachytherapie
Bei der intrakavitären Brachytherapie werden Strahlenquellen in vorhandene Körperöffnungen oder Hohlräume eingebracht, zum Beispiel beim Zervixkarzinom oder Bronchialkarzinom und bei der Radiosynoviorthese.
Intravaskuläre Brachytherapie
Für die intravaskuläre Brachytherapie werden Strahlungsquellen direkt in Blutgefäße eingelegt. Dies kann z.B. in der Kardiologie zum Einsatz kommen (intrakoronaren Brachytherapie). Zu den verwendeten Nukliden zählen u.a. die Isotope Strontium-90 und Yttrium-90.
Kontakttherapie (oberflächliche Brachytherapie)
Bei der Kontakttherapie wird die Strahlenquelle direkt auf die betroffene Oberfläche aufgelegt, z.B. beim Aderhautmelanom.
Vor- und Nachteile
Vorteile
Vorteile der Brachytherapie gegnüber anderen Verfahren sind u.a.:
- ein verkürzter Krankenhausaufenhalt im Vergleich zu einer Operation
- kürzere oder gar keine Vollnarkose
- keine großen Narben
- relativ geringes Infektionsrisiko
- geringeres Inkontinenz- und Impotenz-Risiko bei Prostatakarzinom
- Schonung der Haut bei Mammakarzinom
Nachteile
- Kosten
- oft Vollnarkose zur Implantation erforderlich
- nicht zu verachtendes Risiko der Inkontinenz, Impotenz, Beeinträchtigung der Blasen- und Harnröhren-Funktion bei Prostata-Ca (wenn auch geringer als bei OP)