Niereninsuffizienz (Hund)
Synonyme: Nierenerkrankung, Nierenfunktionsstörung, Nierenversagen
Englisch: renal failure
Definition
Die Niereninsuffizienz des Hundes ist eine Unterfunktion einer oder gar beider Nieren, die zu einer Erhöhung der Konzentration harnpflichtiger Substanzen im Blut führt.
Klassifikation
Anhand der Ätiologie, der Pathogenese sowie der Dauer der Erkrankung kann zwischen zwei Formen einer Niereninsuffizienz unterschieden werden:
Ätiologie
Akute Niereninsuffizienz
Akute Niereninsuffizienzen werden durch
- renale,
- prärenale und
- postrenale Ursachen hervorgerufen.
prärenal | renal | postrenal |
---|---|---|
Hypotonie | endogene Toxine | obstruktive Uropathien |
| ||
Volumenmangel | exogene Toxine, Medikamente | Ruptur ableitender Harnwege |
|
|
|
Gefäßverschlüsse | akute Nephritis | |
|
Chronische Niereninsuffizienz
Die chronische Niereninsuffizienz ist eine progressive und unheilbare Erkrankung, die durch eine Schädigung der Nieren definiert ist, die seit mindestens drei Monaten besteht. Sie ist eine häufige Erkrankung älterer Hunde, die infolge primärer oder sekundärer Nephropathien entsteht, und sich oft aus einer akuten Niereninsuffizienz entwickelt:
- Glomerulonephritis
- Pyelonephritis
- tubulointerstitielle Nephritis
- hyperkalzämische Nephropathien
- Amyloidose
- kongenitale Nephropathien
Pathogenese
Akute Niereninsuffizienz
Die akute Niereninsuffizienz ist durch eine rasche Verschlechterung der Nierenfunktion gekennzeichnet, die mit einer Reduktion der glomerulären Filtrationsrate (GFR) einhergeht. Abhängig vom Schweregrad der Noxe kann es zu einem mehr oder weniger ausgeprägten Anstieg von Harnstoff, Kreatinin und Phosphor kommen. In schweren Fällen kommt es zu einer Verminderung (Oligurie) oder gar zum vollständigen Sistieren (Anurie) der Harnproduktion. Die Pathophysiologie wird in vier Phasen unterteilt:
- Initialphase: verminderte GFR, unauffällige Klinik und Labor, dauert ca. 1 bis 2 Tage
- Extensionsphase: Schädigung teils unabhängig vom Insult, gekennzeichnet durch Ischämie, Hypoxie und Entzündung von Nierenparenchym
- Phase der Aufrechterhaltung: kann unterschiedlich lange andauern (Tage bis Wochen) und geht mit oligurischen oder polyurischen Phasen einher
- Erholungsphase: progressive Normalisierung der Nierenfunktion, wobei die Genesung nicht absehbar ist oder nie vollständig stattfindet
Chronische Niereninsuffizienz
Bleiben die Auslöser bestehen, kommt es zum vollständigen Verlust der betroffenen Nephrone. Die verminderte Nephronenzahl ist ursächlich für die aus der chronischen Niereninsuffizienz hervorgehenden Symptome. Die verbliebenen intakten Nephrone versuchen die Leistung auszugleichen, sodass es zu einer gesteigerten Aktivität und folglich zu einer kompensatorischen Hypertrophie kommt.
Diese Leistungssteigerung wird durch autokrine und parakrine Faktoren gesteuert: Durch die Freisetzung von Renin kommt es zur Aktivierung des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems, sodass Angiotensin II entsteht. Dieses Hormon hat verschiedene lokale (Vasokonstriktion efferenter Arteriolen, Steigerung des glomerulären Transports, Wachstumsfaktor) und systemische Effekte (periphere Vasokonstriktion und Natriumretention). Aufgrund dessen kommt es zu glomerulärer und systemischer Hypertonie, erhöhtem glomerulären Blutdurchfluss, Hyperfiltration und gesteigertem tubulären Stoffwechsel. Die Niere kann auf diese Weise kurzfristig die GFR steigern, wobei langfristig massive Schäden an den Glomeruli entstehen. Folglich kommt es zu Glomerulosklerose, Fibrose, Tubuluszerstörung und letztendlich auch zum totalen Verlust weiterer Nephrone.
Die unterschiedlichen Pathomechanismen haben weitreichende Auswirkungen auf den gesamten Organismus mit Ausbildung typischer Symptome, z.B.: erhöhte Konzentration harnpflichtiger Substanzen, verminderte endokrine Nierenfunktion (Anämie, Hypertonie u.ä.), verminderte Phosphatausscheidung, sekundärer renaler Hyperparathyreoidismus und weitere Pathologien.
Klinik
Erkrankte Hunde zeigen unterschiedliche Symptome, abhängig von der Art der Niereninsuffizienz.
akute Niereninsuffizienz | chronische Niereninsuffizienz |
---|---|
|
|
Diagnose
Die Diagnostik beinhaltet neben einer umfangreichen Anamnese und klinischen Untersuchung verschiedene Untersuchungsmethoden:
- Blutbild, Serologie und Blutgasanalyse
- Bildgebende Diagnostik (Röntgen, Ultraschall)
- Harnanalyse (Harnteststreifen, Zytologie), Messung der GFR und renaler Biomarker
- Biopsie inkl. Zytologie
- Zystoskopie
akute Niereninsuffizienz | chronische Niereninsuffizienz | |
---|---|---|
Labor: |
|
|
Röntgen: |
|
|
Ultraschall: |
|
|
Therapie
Die Therapie ist von der Art und dem Schweregrad der Niereninsuffizienz abhängig. Neben der Vermeidung auslösender Ursachen müssen folgende Maßnahmen getroffen werden:
- Rehydratation (Infusionstherapie)
- Behandlung der Oligurie/Anurie (Furosemid, Mannitol)
- Behandlung der Polyurie (Flüssigkeits- und Elektrolytsubstitution)
- Behandlung der Elektrolyt- und Säure-Basen-Verschiebungen (Infusionstherapie, Bikarbonat, Elektrolytsubstitution)
- Behandlung urämischer Komplikationen (Maropitant, Ondansetron, Omeprazol, Sucralfat)
- Behandlung der Hypertension (Amlodipin)
- Ernährung (nasoösophageale Sonde, Nierendiät mit Phosphatbinder)
Literatur
- Kohn B, Schwarz G (Hrsg.). 2017. Praktikum der Hundeklinik. 12., aktualisierte Auflage. Stuttgart: Enke Verlag in Georg Thieme Verlag KG. ISBN: 978-3-13-219961-3
um diese Funktion zu nutzen.