Harnröhre (Veterinärmedizin)
Synonym: Urethra
Definition
Die Harnröhre bzw. Urethra der Haussäugetiere bildet den Abschluss der Harnwege.
Hintergrund
Anatomie
Die Harnröhre kann ähnlich dem Ureter als muskulös-häutiger Schlauch beschrieben werden. Der Ursprung an der Harnblasen-Harnröhren-Grenze ist nicht immer leicht festzulegen, insbesondere dann, wenn der Harnblasenhals in die Harnröhre konisch übergeht. Als Kriterium nimmt man hierbei jene Stelle, an der sich beide Plicae uretericae zur unpaaren Christa urethralis vereinigt haben. Diese Vereinigung wird auch als innere Harnröhrenöffnung (Ostium urethrae internum) betitelt.
Der nachfolgende Verlauf, sowie die Länge und auch der Aufbau der Harnröhre sind geschlechtsspezifisch sehr unterschiedlich.
Urethra masculina
Die männliche Harnröhre (Urethra masculina) ist deutlich länger ausgebildet und lässt sich aufgrund ihrer Lage und Herkunft in zwei Abschnitte untergliedern:
Pars pelvina urethrae
Die dem Beckenboden aufliegende Pars pelvina urethrae nimmt ihren Beginn am Ostium urethrae internum. Man kann den nach kaudal verlaufenden Beckenabschnitt der Harnröhre abermals in zwei Teilabschnitte aufteilen:
- Pars praeprostatica: Dieser Anfangsabschnitt erstreckt sich bis zum Colliculus seminalis, wobei von dorsal die Crista urethralis ins Lumen vorragt. Der Samenhügel weist beiderseits das Ostium ejaculatorium als Öffnung des Ductus deferens und eventuell des Ductus excretorius auf. Der Colliculus seminalis wird außerdem seitlich vom Sinus prostaticus flankiert, wobei in dieser grubenartigen Vertiefung die Ductuli prostatici münden. Ab hier beginnt der Übergang in den zweiten Teilabschnitt der Harnröhre, die Pars prostatica.
- Pars prostatica: Sie wird auch als Harn- und Samenweg der Harnröhre bezeichnet. Dieser Abschnitt wird vom Corpus prostatae umgeben, wobei die Pars disseminata prostatae in die Harnröhrenwand eingebaut ist. Außerdem wird die Pars prostatica manschettenartig vom Musculus urethralis umfasst. Bei der Passage des Beckeneingangs verengt sich die Urethra - der Arcus ischiadicus formt hier den Isthmus urethrae. In direkter Nachbarschaft, außer beim Hund, entlässt die Glandula bulbourethralis ihre Ausführungsänge in die Urethra.
Pars penina urethrae
Der zweite Hauptabschnitt der männlichen Harnröhre beginnt als Pars penina (spongiosa) urethrae am Isthmus urethrae. Schweine und Wiederkäuer weisen hier eine dorsale Aussackung, den Recessus urethralis, auf. Diese Aussackung nimmt bei diesen Tieren auch den Ductus glandulae bulbourethralis auf. Der weitere Verlauf der Harnröhre senkt sich in den Sulcus urethralis des Corpus penis ein. Dieser Harnröhrenabschnitt überragt bei den meisten Haussäugetieren, mit Ausnahme von Katze und Schwein, frei die Glans penis und wird als Processus urethrae bezeichnet. Bei Schafen und Ziegen ist dieser Fortsatz besonders lang ausgeprägt. Das distale Ende der Harnröhre ist mit dem Harnröhrenausgang (Ostium urethrae externum) erreicht.
Urethra feminina
Die weibliche Harnröhre, Urethra feminina, ist vergleichsweise kurz. Sie ist dehnungsfähig und liegt in ihrem Verlauf der Symphysis pelvina auf. Sie erstreckt sich vom Ostium urethrae internum bis zur Grenze von Vagina und Vestibulum vaginae.
In ihrem Verlauf zwischen Beckenboden und Vagina ist die Harnröhre von retroperitonealem Bindegewebe umgeben. Sie weist zuerst einen rundlichen, später einen eher querovalen Querschnitt auf. Das kaudale Ende der Harnröhre wird vom quergestreiften Musculus urethralis umfasst, der in seinem Verlauf zunehmend an Stärke gewinnt. Er umgreift die Harnröhre nicht gänzlich, liegt ihr also an den Ventral- und Seitenflächen auf und geht übergangslos in die Muskulatur von Vagina und Vestibulum (Musculus constrictor vestibuli) über.
Auch die weibliche Harnröhre findet ihr Ende mit dem Ostium urethrae externum. Die beim Hund und Katze als schlitzförmige bis ovale Öffnung vorliegende äußere Harnröhrenöffnung liegt auf einer hügeligen Schleimhautwulst und ist am Übergang zwischen Vestibulum vaginae und Vagina anzutreffen.
Gefäß- und Nervenversorgung
Urethra masculina
Die arteriellen Zuflüsse entstammen entweder direkt der Arteria pudenda interna oder stellen Verzweigungen derer dar:
- Arterien der Pars pelvina urethrae:
- Ramus urethralis: entstammt der Arteria vesicalis caudalis
- Ramus urethralis: entstammt der Arteria prostatica
- Arteria urethralis: entstammt der Arteria pudenda interna
- Arterien der Pars penina urethrae:
- Rami urethrales: entstammen der Arteria bulbi penis
Der venöse Rückfluss erfolgt über die gleichnamigen Venen:
- Venen der Pars pelvina urethrae:
- Ramus urethralis: fließt in die Vena vesicalis caudalis ab
- Ramus urethralis: fließt in die Vena prostatica ab
- Vena urethralis: fließt in die Vena pudenda interna ab
- Venen der Pars penina urethrae:
- Rami urethrales: fließen in die Vena bulbi penis ab
- Lymphe: die Lymphgefäße ziehen zu folgenden Lymphknoten:
- Lymphonodi sacrales
- Lymphonodi hypogastrici (Pferd)
- Lymphonodi scrotales
Die Innervation der männlichen Harnröhre erfolgt über den Plexus pelvinus, den Plexus prostaticus und den Nervus pudendus (M. urethralis), dessen vegetative Fasern auch die Pars penina urethrae versorgen.
Urethra feminina
Die Arterien stellen direkte Abgänge oder Verzweigungen der Arteria pudenda interna dar:
- Arterien
- Ramus urethralis: entstammt der Arteria vesicalis caudalis
- Ramus urethralis: entstammt der Arteria vaginalis
- Arteria urethralis: entstammt der Arteria pudenda interna
Die Venen folgen den Arterien und werden dementsprechend gleich benannt:
- Venen
- Ramus urethralis: fließt in die Vena vesicalis caudalis ab
- Ramus urethralis: fließt in die Vena vaginalis ab
- Vena urethralis: fließt in die Vena pudenda interna ab
- Lymphe: die Lymphgefäße ziehen zu folgende regionäre Lymphknoten
Aufgrund des kurzen Verlaufs ist die Innervation der weiblichen Harnröhre einfach gestaltet. Die vegetative Versorgung entstammt dem Plexus pelvinus, die motorische Innervation dem Nervus pudendus (M. urethralis).
Histologie
Aufgrund der geschlechterspezifischen Unterschiede wird der histologische Aufbau getrennt betrachtet.
Urethra masculina
- Pars pelvina urethrae: Der Wandbau gleicht jenem der weiblichen Harnröhre, wobei das Stratum spongiosum mit dem Harnröhrenschwellkörper in Verbindung steht. Der proximale Harnröhrenabschnitt besitzt somit folgende Schichtung:
- Tunica mucosa: mit Glandulae urethrales (auch in der Pars penina zu finden) und Urothel besetzt
- Tunica muscularis
- Tunica adventitia
- Pars penina urethrae: die Wandschichtung der Pars penina wird vorwiegend durch den Schwellkörpermantel (Corpus spongiosum penis) beherrscht. Er liegt als erektiles Gewebe rund um die Urethra. Der Schwellkörper besitzt folgende Architektur:
- Tunica albuginea corporis: außenliegende Schicht
- Trabeculae corporis spongiosi: von der Tunica albuginea entsendete Trabekel in zentraler Richtung auf die Urethra zu
- Cavernae corporis spongiosi: liegen zwischen den einzelnen Trabekeln und stellen Schwellräume dar, die bei einer Erektion anschwellen und somit das Urethralumen weitstellen
Urethra feminina
Die weibliche Harnröhre zeigt eine klassische Schichtung auf:
- Tunica mucosa:
- Lamina epithelialis mucosae: zeigt beim Hund, Schwein, Rind und Pferd tubulöse Einsackungen, Lacunae urethrales, in denen sich beim Hund und Rind intraepithelialee Drüsen, die Glandulae urethrales befinden; besteht vorwiegend aus Urothel, das gegen Harnröhrenausgang hin zu einem mehrschichtigem Epithel wird, das laufend abschilfert
- Lamina propria mucosae: die Schleimhaut ist von einem venöser Schwellkörper (Stratum spongiosum) unterlagert
- Tunica muscularis: enthält glatte Muskelzellen die als Fortsetzung der glatten Muskulatur des Harnblasenhalses angesehen werden können
- Tunica adventitia: das lockere Bindegewebe verbindet die Harnröhre mit ihrer Umgebung
Funktion
Urethra masculina
Die männliche Harnröhre dient - im Gegensatz zur weiblichen, nicht nur dem Harntransport, sondern wird als Harn- und Samenweg genutzt. Der Kontinenzapparat entspricht der weiblichen Harnröhre.
Urethra feminina
Die Harnkontinenz wird vom Zusammenspiel der glatten Muskulatur (der Tunica muscularis), des mit elastischen Fasern durchzogenen Bindegewebes (der Tunica adventitia), des Schwellgewebes sowie des Musculus urethralis gewährleistet.
Literatur
- Nickel, Richard, August Schummer, and Eugen Seiferle. Band II: Eingeweide. Lehrbuch der Anatomie der Haustiere. Parey, 2004.
- Künzel, Wolfgang. Topographische Anatomie, Hochschülerschaft Veterinärmedizinische Universität (Hersausgeber), 3. Auflage. WS 2011/12
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