Nebenschilddrüse (Veterinärmedizin)
Synonyme: Glandula parathyreoidea, Epithelkörperchen, pl. Glandulae parathyroideae bzw. Nebenschilddrüsen
Definition
Die Glandulae parathyreoideae bzw. Epithelkörperchen sind zwei kleine, paarige Organe, die für die Parathormonbereitstellung verantwortlich sind und bei allen Haussäugetieren vorkommen.
Sie entsprechen der Nebenschilddrüse des Menschen.
Nomenklatur
Die Nebenschilddrüsen sind kleine, stecknadel- bzw. linsen- bis bohnengroß geformte Organe. Sie tragen ihren Namen nur zum Teil zurecht, da sie ihre ursprüngliche Nähe zur Schilddrüse im Verlauf der Ontogenese oft verlieren. Aus diesem Grund ist die Bezeichnung Epithelkörperchen zutreffender. Man unterscheidet:
- Inneres Epithelkörperchen, Glandula parathyreoidea interna
- Äußeres Epithelkörperchen, Glandula parathyreoidea externa
Embryologie
Die Epithelkörperchen werden im Zuge der Entwicklung in der Wand der III. und IV. Pharyngealtasche angelegt - in unmittelbarer Nachbarschaft zur Schilddrüse und zum Thymus. Die Epithelkörperchen der IV. Pharyngealtasche können von den Schilddrüsenlappen umwachsen und somit in ihr Inneres aufgenommen werden. Aus diesem Grund werden die Abkömmlinge der IV. Pharyngealtasche auch als die inneren, die Abkömmlinge der III. Pharyngealtasche als die äußere Epithelkörperchen bezeichnet. Die inneren Epithelkörperchen können - wie z.B. beim Schwein - gänzlich fehlen.
Anatomie
Morphologie
Frische Epithelkörperchen haben eine weiche bis leicht derbe Konsistenz und sind heller gefärbt als das Schilddrüsenparenchym. Sie zeigen tierartliche und individuelle Unterschiede und können gelblichweiß, bräunlich, graurötlich oder rötlichbraun ausgebildet sein.
Beim Fleischfresser und kleinen Wiederkäuer erscheinen die Epithelkörperchen glatt, beim Schwein und Rind zart lobuliert und beim Pferd fein gekörnt.
Epithelkörperchen zeigen im Gegensatz zu den umgebenden Lymphknoten, die im frischen Querschnitt feuchtglänzend sind, eine glanzlose und "trocken" erscheinende Oberfläche.
Größe und Gewicht
Sowohl die Größe als auch das Gewicht sind neben tierartlichen Unterschieden stark vom Alter und Geschlecht abhängig. Junge Tiere zeigen meist kleinere Epithelkörperchen als ältere Tiere. Bei weiblichen Tieren sind sie vor allem in der Zeit der Laktation deutlich größer als bei männlichen Tieren oder Kastraten.
Gefäßversorgung
Die Nebenschilddrüsen werden von kleinen Seitenästchen der Arteria carotis communis bzw. Vena jugularis interna versorgt, die auch als Arteriae und Venae parathyreoideae bezeichnet werden. Gleichzeitig können auch die der Schilddrüse zugeordneten Arteriae und Venae thyreoideae craniales für die arterielle und venöse Versorgung der Nebenschilddrüsen zuständig sein.
Innervation
Über die Arterieen werden den Nebenschilddrüsen marklose Fasern des sympathischen Systems zugeführt. Diese entstammen in Kopfnähe vom Ganglion cervicale craniale. Die markhaltigen parasympathischen Fasern werden vom Nervus laryngeus caudalis herangeführt.
Topographie
Inneres Epithelkörperchen
Das innere Epithelkörperchen liegt als Abkömmling der IV. Schlundtasche bei Katze, Hund und kleinen Wiederkäuern in den meisten Fällen innerhalb des Schilddrüsenparenchyms. Beim Rind findet es man selten, beim Pferd nur in Ausnahmefällen innerhalb der Schilddrüse.
Häufig ist es an der medialen und der Trachea zugewandten Fläche der Schilddrüse in deren Bindegewebskapsel eingebettet. Gelegentlich kann es aber auch an der lateralen Seite aufgefunden werden.
Äußeres Epithelkörperchen
Das Epithelkörperchen der III. Schlundtasche entwickelt sich in der Nachbarschaft der Thymusanlage und behält in den meisten Fällen seine ursprünglich enge Lagebeziehung zum Thymus. Beim Schwein und bei den Wiederkäuern gelangt es aufgrund der mächtigen Entwicklung des Halsteils des Thymus weit kranial bis in die Nähe der Karotisgabelung. Beim Pferd hingegen verlagert sich das äußere Epithelkörperchen aufgrund des sich rückbildenden Thymus nach kaudal in die Nähe der Lymphonodi cervicales caudales vor den Brusteingang.
Das am dorsomedialen Rand bzw. an der lateralen oder medialen Fläche der Schilddrüsenlappen des Pferdes liegende Epithelkörperchen entspricht dem inneren Epithelkörperchen. Es wurde früher als Glandula parathyreoidea externa angesproch. In ganz seltenen Fällen kann beim Pferd auch ein Epithelkörperchen im Schilddrüsenparenchym vorkommen.
Tierartliche Unterschiede
Hund
Das äußere Epithelkörperchen der Hunde liegt in der kranialen Hälfte der Schilddrüsenlappen der lateralen Fläche oder dem vorderen Drüsenpol direkt auf. Es kann aber auch der lateralen Fläche weiter kaudal angelagert sein oder in ganz seltenen Fällen auch am dorsalen Rand oder unmittelbar kaudal vom hinteren Drüsenpol ausgebildet sein. Es zeigt sich als abgeplattetes, ovales, gelb bis gelbrot bzw. gelbbraun gefärbtes Gebilde, das deutlich von der Schilddrüse unterscheidbar ist. Bei kleinen Hunden ist es etwa hirsekorn-, bei großen Hunden zirka reiskorngroß.
Das innere Epithelkörperchen ist in den meisten Fällen ins Parenchym der Schilddrüse eingelagert, kann jedoch auch ins Drüsengewebe eingesenkt sein oder auch ganz oberflächlich an der medialen Fläche oder am dorsalen Rand der Drüsenlappen zu finden sein. Sowohl in Form, als auch Farbe und Größe entspricht es weitgehend dem äußeren Epithelkörperchen.
Katze
Die Nebenschilddrüsen der Katze verhalten sich in etwa wie jene der Hunde, nur liegen die äußeren Epithelkörperchen meist am kaudalen Rand der Schilddrüsenlappen.
Schwein
Beim Schwein scheinen die inneren Epithelkörperchen gänzlich zu fehlen. Das äußere Epithelkörperchen liegt lateral der Karotisgabel oder in deren unmittelbarer Nachbarschaft im Fett oder zwischen den Läppchen des kranialen Thymusendes. Aufgrund der Lage ist es oftmals nicht leicht auffindbar. Es besteht die Möglichkeit einer Verwechslung mit Lymphknoten, akzessorischen Schilddrüsen oder Thymusläppchen. Zur Unterscheidung kann die festere Konsistenz der Epithelkörperchen im Gegensatz zum umliegenden Fett- oder Thymusgewebe herangezogen werden. Außerdem sind sie graurötlich bis hellrot gefärbt und zeigen eine granulierte Oberfläche. Das Gewicht liegt in etwa bei 0,08 bis 0,1 Gramm. Eine sichere Identifizierung ist oft nur mikroskopisch möglich.
Schaf und Ziege
Das äußere Epithelkörperchen liegt beim Schaf und bei der Ziege am kaudodorsalen Rand der Glandula mandibularis unter dem Atlasflügel oder dorsolateral, seltener jedoch medial, von der Karotisgabel. Bei jüngeren Tieren kann es auch im Thymusgewebe eingebettet sein. Es zeigt sich als hellrot, graurot oder bräunlich gefärbtes Organ mit plump-ovaler Gestalt und einer Länge von 4 bis 8 Millimeter bzw. einem Gewicht von 0,2 bis 0,23 Gramm. Im Vergleich zum Schwein ist es deutlich leichter auffindbar. Beim Schaf können auch zwei oder mehr äußere Epithelkörperchen vorkommen.
Das innere Epithelkörperchen ist in den meisten Fällen vollständig in das Schilddrüsenparenchym eingebettet und liegt im Bereich des kranialen Lappenpols. Da ihm eine deutliche Bindegewebskapsel fehlt, lässt es sich makroskopisch nicht leicht erkennen.
Rind
Beim Rind liegt das äußere Epithelkörperchen medial der Karotisgabel und ventrolateral vom Nervus vagus in Höhe des Abganges des Nervus laryngeus cranialis (Ganglion distale). Beim Kalb ist es meist im Thymus eingebettet und wird lateral von der Arteria carotis communis bzw. der Glandula mandibularis verdeckt. Die Epithelkörperchen sind abgeplattete, rundliche bis ovale Organe, die 5 bis 12 Millimeter lang werden und ein Gewicht von 0,05 bis 0,3 Gramm aufweisen. Aufgrund ihrer grau- bis rotbraunen Farbe sind sie deutlich vom umliegenden Gewebe abgrenzbar. An den frischen Schnittflächen kann man eine mehr oder weniger deutliche Lobulierung erkennen.
Das innere Epithelkörperchen ist kaffeebraun gefärbt und besitzt kaulquappen- oder tropfenförmige Gestalt. Es liegt meistens am dorsalen Rand, an der medialen Fläche der Schilddrüsenlappen in deren Parenchym eingebettet. In manchen Fällen kann es jedoch auch ganz von Schilddrüsengewebe umgeben sein.
Pferd
Das äußere Epithelkörperchen beim Pferd wird mit dem sich rückbildenden Thymus nach brustwärts verlagert. In den meisten Fällen liegt es dann - meist in zwei oder mehrere Knötchen aufgeteilt - in der Nähe der Lymphonodi cervicales caudales, zirka 15 Zentimeter vor der 1. Rippe im Binde- und Fettgewebe eingebettet, der Trachea auf.
Die inneren Epithelkörperchen liegen beim Pferd den Schilddrüsenlappen entweder am dorsomedialen oder kranialen Rand oder in der Kranialhälfte der Lateral- oder Medialfläche auf. In einigen Fällen können sie bis zu 1 Zentimeter von der Schilddrüse entfernt im Bindegewebe eingebettet vorgefunden werden. In seltenen Fällen kann es sich bei im Schilddrüseninneren vorgefundenen Epithelkörperchen auch um akzessorische Epithelkörperchen handeln. Die inneren Epithelkörperchen an der Schilddrüsenoberfläche sind abgeplattet und als ovale, etwa erbsengroße Organe ausgebildet. Sie sind gelblichweiß, hellgelb, rötlichgelb oder braunrot gefärbt und heben sich, wenn sie mit der Schilddrüse verwachsen sind, deutlich von deren Oberfläche ab, da sie durch eine bindegewebeige Kapsel von ihr getrennt sind. Ihr mittleres Gewicht liegt in etwa bei 0,29 bis 0,31 Gramm.
Funktion
Die Hauptfunktion der Epithelkörperchen und ihres Hormons (Parathormon) ist die homöostatische Kontrolle des Calcium- und Phosphatspiegels im Serum und damit in der Regelung des Calciumstoffwechsels. So mobilisiert das Nebenschilddrüsenhormon bei vermehrtem Calciumverbrauch (Trächtigkeit, Milchproduktion) Calcium und Phosphor aus dem Knochengewebe, was mit einer Vergrößerung der Epithelkörperchen einhergeht. Außerdem beeinflusst Parathormon die neuromuskuläre Erregbarkeit.
Akzessorische Epithelkörperchen kommen als versprengtes Drüsengewebe im lockeren Bindegewebe der Schilddrüsenumgebung, entlang der Luftröhre im Halsbereich, im präkardialen Mittelfellspalt (Mediastinum craniale) oder sogar im Nackenfett vor. Sie sind dazu in der Lage, bei einem Ausfall der regulären Nebenschilddrüsen, deren Funktion vollständig zu übernehmen.
Histologie
Unter dem Mikroskop erkennt man, dass die von einer dünnen Bindegewebskapsel umhüllten Epithelkörperchen - im Gegensatz zur Schilddrüse - aus dicht beieinander gedrängten, polygonalen Epithelzellsträngen und -haufen aufgebaut sind. Diese sind in einem engmaschigen Netz von Blutkapillaren eingebettet, die sich in Ausnahmefällen auch zu kleinen, zystenartigen Hohlräumen gruppieren können.
Es können helle und dunkle Hauptzellen unterschieden werden, die vermutlich unterschiedliche Funktionsstadien eines Zelltyps repräsentieren und für die Synthese des Parathormons verantwortlich sind. Die Bedeutung der selten vorkommenden, aber auffälligen, großen, azidophil granulierten oxyphilen Zellen ist noch weitgehend unbekannt (2017).
Klinik
Auch wenn die Epithelkörperchen klein sind, haben sie eine lebenswichtige Funktion. Eine Parathyreoidektomie führt sowohl beim Mensch als auch beim Tier über kurz oder lang zur Tetanie und nachfolgend zum Tod. Hier ist die Überlebensrate bei den Fleischfressern am geringsten, bei Pflanzenfressern am größten.
Literatur
- Nickel, Richard, August Schummer, and Eugen Seiferle. Band IV: Nervensystem. Lehrbuch der Anatomie der Haustiere. Parey, 2004.
- Egerbacher, Monika, Gabner, Simone et al., Gewebelehre und mikroskopische Anatomie. Skriptum für Übungen und Konversatorien der Histologie. Veterinärmedizinische Universität Wien. Stand: 01.10.2015