Ontogenese
Synonym: Ontogenie
Englisch: ontogeny, ontogenesis
Definition
Unter der Ontogenese versteht man allgemein die Geschichte des strukturellen Wandels eines Organismus ohne Verlust seiner Organisation.
Ontogenese in der Biologie
In der Biologie bezieht sich der Begriff Ontogenese auf den Prozess der Individualentwicklung artgleicher Nachkommen mehrzelliger Arten über deren Lebensspanne. Er wird abgegrenzt von der Stammesentwicklung, der Phylogenese, dieser Arten.
So wird z.B. bei Wirbeltierarten die Entwicklung eines einzelnen Wirbeltiers von der befruchteten Eizelle zum erwachsenen Lebewesen, dann weiter über degenerative Alterungsprozesse bis zum Tod beobachtet. Normalerweise beinhaltet der Begriff, je nach betrachtender Disziplin, die Entwicklungsprozesse und morphologischen Formen, die allen Individuen einer Art gemeinsam sind.
Im Rahmen der Ontogenese entwickeln sich in der Embryonalperiode zunächst spezialisierte Gewebe und Organanlagen. Vor allem das Erbgut des Embryos und verschiedene aufeinander abgestimmte Regulationsprozesse zwischen Mutter und Embryo sind für die Formgebung und Funktionsentwicklung des Embryos verantwortlich.
Die ontogenetische Forschung beschäftigt sich aber auch mit dem Vergleich unterschiedlicher Entwicklungsergebnisse bei Individuen der gleichen Art im gleichen Entwicklungsstadium. Spätere Entwicklungsprozesse sind abhängig von der Kaskade früherer Ereignisse. Aus diesem Grund unterscheiden sich verschiedene Individuen einer Art in späteren Lebensphasen stärker voneinander - auch dann, wenn sie sich in früheren Lebensphasen ähnlicher waren.
Nicht Teil der biologischen Ontogenese sind biografische Entwicklungen und Ereignisse, die nicht durch arttypische Prädispositionen bedingt sind.
Ontogenese in der Psychologie
Der Begriff Ontogenese wird auch in verschiedenen Disziplinen der Psychologie verwendet und bezieht sich hier auf die psychische Entwicklung von menschlichen Individuen, wobei allen Individuen gemeinsame, kollektive Entwicklungsprozesse im Vordergrund stehen.
Andere Verwendungen des Begriffs
Der Begriff Ontogenese wird auch in anderen Zusammenhängen wie z.B. bei der Sprachentwicklung in der Linguistik verwendet.
Diskussion
Der Begriff der Ontogenese ist durch die Arbeiten Ernst Haeckels vorbelastet, der im ausgehenden 19. Jahrhundert die These vertrat, dass sich in der Ontogenese die Phylogenese rekapituliert. Er glaubte, dass in verschiedenen Entwicklungsphasen des Embryos einer Art die morphologischen Formen der adulten Vertreter früherer Phasen der Stammesgeschichte der Art wiedererkennbar seien und formulierte die von ihm erkannten Zusammenhänge als das von ihm so bezeichnete Biogenetische Grundgesetz.
Obwohl die wesentlichen Ergebnisse Haeckels bereits Anfang des 20. Jahrhunderts bei den meisten Forschern als widerlegt galten, wurden Haeckels Thesen bis ins späte 20. Jahrhundert hinein oft weiter in Lehrbüchern weiterverwendet. Heute (2018) gilt aufgrund aktueller Erkenntnisse der Embryologie mit der jetzt möglichen Bereitstellung mikroskopisch exakter Phänotypen der Embryonen verschiedener Wirbeltierarten auch die Behauptung Haeckels widerlegt, dass sich diese Embryonen im gleichen Entwicklungsstadium sehr ähnlich sehen. Verschiedene schwer widerlegbare, nach dem Urteil von Forschern als Umwege bei der Embryonalentwicklung bewertete Entwicklungsprozesse gelten bei einigen wenigen Forschern als letzte Belege, dass gewisse Parallelitäten von Ontogenese und Phylogenese weiterhin angenommen werden müssen.
Das Muster der Darstellung Ernst Haeckels wird auch von vehementen Gegnern seiner Theorie weitergetragen. Erich Blechschmidt konstatiert als Gegenthese, dass der menschliche Embryo in allen seinen Entwicklungsphasen weit mehr als angenommen mit der Umwelt als menschliches Wesen kommuniziere und seine Individualität seit den frühesten embryonalen Entwicklungsphasen in sich trage. Die Thesen Blechschmidts werden vor allem von Abtreibungsgegnern in der Abtreibungsdebatte aufgegriffen.
Quellen
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