Urinsediment
Synonym: Harnsediment
Englisch: urinary sediment
Definition
Das Urinsediment besteht aus den festen, ungelösten Bestandteilen des Harns. Diese Bestandteile kommen teilweise unter physiologischen Bedingungen vor, sind teilweise jedoch auch Hinweis auf einen pathologischen Prozess.
Gewinnung
Die Gewinnung und Untersuchung des Urinsediments erfolgt weitgehend standardisiert. 10 ml frischer Urin werden für etwa 5-8 Minuten bei 400 g zentrifugiert. Danach werden vom Überstand 9,5 ml verworfen und der Bodensatz in den verbliebenen 0,5 ml mit einer Pipette aufgenommen. Davon wird ein Tropfen auf einen Objektträger aufgebracht und abgedeckt. Die Betrachtung erfolgt ungefärbt in einem Phasenkontrastmikroskop bei ca. 400facher Vergrößerung. Die Auszählung von Zellen im Sediment wird in einer Zählkammer vorgenommen.
Das Urinsediment kann nach Eintrocknung auf dem Objektträger auch angefärbt werden, um z.B. Zellen oder Bakterien besser zu erkennen. Als Färbemethoden werden unter anderem die Giemsa-Färbung und die Gram-Färbung verwendet.
Beim Addis-Count erfolgt die Uringewinnung unter forcierter Diurese über eine genau festgelegte Zeitspanne. Anschließend folgt eine Zellkammerzählung. Der Addis-Count berechnet sich folgendermaßen:
- Zellzahl/µl x Urinvolumen [ml] x 1000 / Sammelzeit [min]
Referenzbereiche
- Urinsediment
- Erythrozyten: 0-5/µl (0-2/Gesichtsfeld)
- Leukozyten: 0-3/µl (<5/Gesichtsfeld)
- Plattenepithelien: vereinzelt
- Bakterien: wenige
- Zylinder: vereinzelt
- Addis-Count
- bis 2.000 Erys/min
- bis 4.000 Leukos/min
Sedimentbestandteile
Erythrozyten
Erythrozyten sind in geringer Anzahl meist harmlos, können aber auch auf eine Glomerulonephritis, einen Tumor der Niere oder der Harnwege, auf Harnwegsteine oder eine Verletzung hinweisen.
- Mengenabschätzung:
- bis 2 Erys/GF: normal
- 3-10 Erys/GF: ganz vereinzelt
- 11-20 Erys/GF: vereinzelt
- 21-50 Erys/GF: zahlreich
- > 50 Erys/GF: massenhaft
- Morphologieänderung:
- Stechapfelformen: hypoosmolarer Urin
- "Blutschatten" (hämolysierte Erys): alkalischer Urin
Die Morphologie der Erythrozyten in der Phasenkontrastmikroskopie gibt Hinweise auf den Ursprung der Störung:
- glomerulär:
- Ringformen mit Aus- und Einstülpungen
- unterschiedliche Entrundungen
- nichtglomerulär:
- abhängig von Osmolarität und Aufenthaltsdauer
- Doppelkontur
- Stechapfelform
- Schatten der Erythrozyten
Leukozyten
Leukozyten können auf Entzündungen der Niere oder der Harnwege hinweisen. Eine Leukozyturie ohne Bakteriurie kann vorliegen bei:
- Analgetika-Niere
- Chlamydien-Infektion
- Trichomonaden-Infektion
- Pilz-Infektion
- Tbc
Epithelien
- Plattenepithelzellen können vermehrt bei Harnwegsinfektionen auftreten, sind jedoch auch meistens bei gesunden Frauen im Urin zu finden.
- Urothelzellen deuten zusammen mit einer Leukozyturie oft auf einen entzündlichen Vorgang im Bereich des Nierenbeckens oder der Harnwege hin. Sie sind kleiner als Plattenepithelien und oft "geschwänzt".
- Nierenepithelzellen treten bei toxischen Schädigungen oder Viruserkrankungen der Niere im Harnsediment auf. Sie haben etwa Leukozytengröße mit großem runden Kern. Runde und polygonale Zellen stammen überwiegend aus der Niere.
Zylinder
Zylinder sind zusammengelagerte Elemente in Form der Nierentubuli und können aus verschiedenen Stoffen bestehen:
- Sogenannte hyaline Zylinder kommen auch beim Gesunden nach starker körperlicher Anstrengung vor und bestehen aus Tamm-Horsfall-Protein. Besonders viele hyaline Zylinder im Harnsediment (Zylindrurie) sind meistens Hinweis auf eine glomeruläre Proteinurie.
- Auch die granulierten Zylinder kommen nach starker körperlicher Anstrengung im Urin Gesunder vor, können jedoch auch auf eine entzündliche, degenerative Nierenerkrankung hinweisen.
- Erythrozytenzylinder (Zylinder aus Erythrozyten) sind nahezu pathognomonisch für Glomerulonephritis
- Leukozytenzylinder (Zylinder aus Leukozyten) können vorliegen bei:
- Pyelonephritis
- interstitieller Nephritis
- SLE-Nephritis
- Epithelzylinder (Zylinder aus Epithelzellen) können vorliegen bei:
- ANV (akutes Nierenversagen)
- interstitieller Nephritis
- rapid-progressiver Glomerulonephritis
- gelegentlich beim Gesunden
- Wachszylinder sind stärker lichtbrechend und breiter als hyaline Zylinder bei leichter Gelbfärbung. Sie weisen auf eine schwere chronische Niereninsuffizienz hin.
- Hämoglobin- und Myoglobinzylinder sind Hinweis auf eine Hämolyse oder einen größeren Muskeluntergang.
Kristalle
Salze wie Calciumoxalat, Amorphe Phosphate, Tripelphosphate oder Urate sind diagnostisch in der Regel nicht von Bedeutung. Treten sie vermehrt auf, spricht man von einer Kristallurie. Im sauren Urin liegen gehäuft amorphe Urate, Harnsäurekristalle und Calciumoxalate vor. Dahingegen finden sich im alkalischen Urin insbesondere Phosphate und Calciumcarbonate.
Weitere Bestandteile
- Fettkörnchenzellen sind Tubuluszellen mit eingelagerten Fetttröpfchen und kommen beim Nephrotischen Syndrom vor.
- Bakterien im Harnsediment weisen auf eine bakterielle Infektion der Harnwege hin. Sie können jedoch auch durch Verunreinigungen bei der Gewinnung der Urinprobe oder auf eine zu lange Lagerung des Urins vor der Untersuchung bedingt sein.
- Pilze treten oft zusammen mit einer Bakteriurie auf, haben jedoch meist keine diagnostische Bedeutung.
- Trichomonaden sind bei Frauen ein Hinweis auf eine Trichomonadenkolpitis oder eine Zystitis.
- Cystein im Harnsediment weist auf eine Stoffwechselerkrankung mit Ausscheidung der Aminosäure hin.
- Leucin und Tyrosin werden meistens bei degenerativen Störungen der Leber im Urin ausgeschieden.
- Kristalle, die nicht zugeordnet werden können, sollten an ausgeschiedene Arzneimittel denken lassen.
Quellen
Laborlexikon.de; abgerufen am 28.05.2021