Präanalytik
Definition
Präanalytik ist ein Begriff aus der Labormedizin. Er beschreibt den Teil des diagnostischen Prozesses, der vor der eigentlichen Erstellung des Messergebnisses liegt. Die weiteren Schritte heissen Analytik und Postanalytik. Präanalytik wird typischerweise im Kontext von Problemen benutzt, die die Qualität des Laborergebnisses verschlechtern können.
Begriffsklärung
Im engeren Sinne umschreibt Präanalytik folgende Schritte:
- Probengewinnung
- Probenlagerung
- Probentransport
- Probenvorbereitung
Dies umfasst sozusagen den Ablauf von der Kanüle bis zur Pipette. Im Idealfall sollte dabei der in vivo vorhandene Zustand einer Messgröße bis zur Analyse nicht verändert werden.
Teilweise wird Präanalytik deutlich weiter gefasst, dann gehören dazu:
- Fragestellung
- Auswahl der Parameter
- Patientenidentifikation
- Patientenvorbereitung
- Zeitpunkt der Probenentnahme
Dieser Bereich wird auch als Prä-Präanalytik bezeichnet. Hier können Überschneidungen mit der Postanalytik stattfinden, d. h. die Auswahl des falschen Parameters führt in der Folge zu einer falschen Diagnose und Behandlung.
Die "Probenverwechslung", das heisst die Einsendung von Probenmaterial mit einer falschen Patientenidentifikation, ist wahrscheinlich die bei weitem größte Fehlerquelle der gesamten Laboranalytik. Hierfür wurde der plakative Begriff "Wrong Blood in Tube" geprägt.
Bedeutung
Die Präanalytik hat im Gesamtablauf den größten Einfluss auf die Qualität des Ergebnisses. Schätzungsweise 75% aller "Laborfehler" sind im Bereich der Präanalytik angesiedelt.
Die Richtlinien der Bundesärztekammer zur Laboratoriumsdiagnostik[1] enthalten genaue Vorschriften zur Präanalytik. Unter anderem ist jedes medizinische Labor verpflichtet, den Einsendern eine schriftliche Anleitung zur korrekten Probengewinnung zur Verfügung zu stellen.
Beispiele
Probengewinnung
- Traumatische Blutentnahme führt zur Gerinnungsaktivierung
- Zu starker Sog beim Füllen der Monovetten führt zu Hämolyse
- Blutentnahme am Arm proximal von einer Infusion oder aus einem Zentralen Zugang führt häufig zu einem Verdünnungsfehler
- Werden Monovetten, die Antikoagulantien enthalten, nicht sofort gemischt, können Gerinnsel entstehen
- Citratblutproben müssen bis zum Sollvolumen gefüllt sein, da die Probe sonst über-antikoaguliert ist
- Wird bei Blutproben für die BGA das Röhrchen nicht luftfrei gefüllt, äquilibriert sich das Gas aus der Luft mit der Blutprobe
- Bei der Gewinnung von Sammelurin wird das ausgeschiedene Volumen zu niedrig bestimmt, wenn der Patient nicht alle Urinportionen sammelt
- Aus Unkenntnis oder Angst, bei einem Fehler ertappt zu werden, wird Material in andere Probenröhrchen umgefüllt oder zusammengeführt
- Probenmaterial, das in einem bestimmten zeitlichen oder örtlichen Zusammenhang steht (Blutentnahme vor und nach einem bestimmten Test, Abstriche von verschiedenen Lokalisationen) wird nicht oder nicht richtig gekennzeichnet
Probenlagerung
- Einige Parameter sind sehr empfindlich und müssen im Bereich von Minuten analysiert werden, z. B. Blutgase und Ammoniak
- Im Bereich von 1-2 Stunden treten Beeinträchtigungen des Blutzuckers, des Homocysteins oder der Thrombozytenfunktion auf. Für diese Parameter werden spezielle Probenröhrchen empfohlen.
- Längere Lagerung führt zu Kalium-Freisetzung, Hämolyse, Degeneration von Blutzellen und Zersetzung von Gerinnungsfaktoren. Die Qualität des Blutbildes lässt nach, noch stärker sind Zellen im Liquor betroffen.
- Eine Keimzahlbestimmung im Urin kann bei entsprechenden Bedingungen (Wärme) schon bei kurzer Lagerung erheblich verfälscht werden
- Bilirubin und Porphyrine sind lichtempfindlich
Probentransport
- Zu langer Transport erzeugt dieselben Probleme wie die Probenlagerung (s.o.).
- Ungeeignete Rohrpostsysteme können Blutproben durch Stöße und Vibrationen beeinträchtigen.
- Bei Transport in Lieferwagen oder Postversand können starke Temperaturschwankungen, evtl. sogar Frost, auftreten. Anfrieren führt zu Hämolyse.
- Einige wenige Parameter (Kryoglobuline, Kälteagglutinine) können nur in körperwarm transportierten Proben untersucht werden.
Probenvorbereitung
- Citratblut, aus dem eine Thrombozytenzählung bei EDTA-Pseudothrombozytopenie gemacht werden soll, wird als Gerinnungsprobe betrachtet und zentrifugiert
- Wenn eine Blutprobe einen Analyten in ungewöhnlicher hoher Konzentration enthält, z.B. sehr hoher Antikörpertiter, kann dieser beim Pipettieren in die folgende Probe verschleppt werden
Erweiterte Präanalytik
- Der Patient ist bei der Blutzuckermessung nicht nüchtern.
- Der Urinstatus wird kontrolliert, während eine Patientin menstruiert, dies täuscht eine Hämaturie vor.
- HbA1c wird bei einem Patienten angefordert, der eine Anämie hat oder dem bereits Erythrozytenkonzentrate transfundiert wurden. Das "Blutzuckergedächtnis" ist nur korrekt, wenn die durschnittliche Erythrozytenlebenszeit 120 Tage beträgt und es sich um patienteneigene Erythroyzten handelt.
- Ein Patient erhält Biotin hoch dosiert als Medikament, dies stört Laboruntersuchungen, die mit einer Streptavidin/Biotin-Bindung arbeiten. Welche Untersuchungen dies sind, ist methodenabhängig, häufig ist die Bestimmung des Thyrotropins (TSH) und der Schilddrüsenhormone betroffen.
- Bei einem Unfallopfer wird nach der operativen Versorgung ein Drogentest gemacht. Die bei der Narkose verwendeten Medikamente verursachen positive Ergebnisse für Barbiturate, Morphine oder Benzodiazepine.
- Bei der Hepatitis-Diagnostik wird als Suchtest für eine HBV-Infektion Anti-HBs angefordert, d. h. der Impftiter, und nicht HBs-Ag, der Marker für die Krankheitsaktivität.
- Der Patient erhält erst eine Notfalltransfusion mit EK der Blutgruppe 0, erst danach wird eine Probe für die Bestimmung der Blutgruppe abgenommen. Die Blutgruppe ist nicht mehr eindeutig bestimmbar.
- Bei einem Asiaten wird die APC-Resistenz bestimmt. Die Mutation tritt nur bei Europäern auf; dieser Fehler verursacht nur unnötige Kosten.
- Als Thrombophiliediagnostik werden "Faktor II und Faktor V" bestimmt statt der Prothrombinmutation G20210A und der Faktor V Mutation LEIDEN.
- Zur Kontrolle eines Digitoxin-Spiegels wird irrtümlich Digoxin angefordert (oder umgekehrt).
- Medikamentenspiegel werden nicht im richtigen Zeitfenster kontrolliert.
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