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Blutgruppensystem

1. Definition

Bei einem Blutgruppensystem handelt sich um ein Antigen, das im Blut vorkommt, polymorph ist und unabhängig vererbt wird. Antigen bedeutet, dass ein Empfänger, der dieses Merkmal nicht exprimiert, durch eine Transfusion oder Schwangerschaft sensibilisiert werden kann und Antikörper bildet. Nach der aktuellen Definition muss außerdem das kodierende Gen für das entsprechende Protein oder Glykoprotein bekannt sein.

2. Arten von Blutgruppensystemen

2.1. Erythrozyten

Am bekanntesten sind die Blutgruppensysteme der Erythrozyten. Diese werden häufig auch vereinfacht als "die Blutgruppe" bezeichnet. Zurzeit (2021) gibt es 43 anerkannte erythrozytäre Blutgruppensysteme, die neben dem klassischen Namen mit einer Nummer gekennzeichnet werden.

Das wichtigste System, das ABO- oder AB0-System, heißt 001/ABO, das zweitwichtigste System, Rhesus, heißt 004/RH und das drittwichtigste, das Kell-System, heißt 006/KEL. Das jüngste Mitglied der Blutgruppensysteme ist ABCC1 (043/ABCC1). Die Nomenklatur der Blutgruppensysteme wird durch eine Arbeitsgruppe der International Society of Blood Transfusion betreut.

Polymorphismen, die nicht die gesamte Definition eines Blutgruppensystems erfüllen, werden als "collection" bezeichnet.

Die ersten 15 erythrozytären Blutgruppensysteme nach ISBT-Nomenklatur
Nr. Symbol Name Gen CD-Nr.
001 ABO ABO ABO -
002 MNS MNS GYPA, GYPB CD235a, CD235b
003 P1PK P1PK A4GALT, B3GALT3 CD77
004 RH Rhesus RHD, RHCE CD240
005 LU Lutheran BCAM CD239
006 KEL Kell KEL CD238
007 LE Lewis FUT3 -
008 FY Duffy ACKR1 CD234
009 JK Kidd SLC14A1 -
010 DI Diego SLC4A1 CD233
011 YT Cartwright ACHE -
012 XG Xg XG CD99
013 SC Scianna ERMAP -
014 DO Dombrock ART4 CD297
015 CO Colton AQP1 -

2.2. Thrombozyten

Die Blutgruppensysteme der Thrombozyten werden heute mit dem HPA-System klassifiziert. Diese "Humanen Plättchenantigene" (human platelet antigens) haben ältere Bezeichnungen abgelöst. Sie sind auf den Thrombozytenglykoproteinen lokalisiert. Das wichtigste System ist HPA1, früher PLA1, noch früher Zwehl (Zw).

2.3. Granulozyten

Für die neutrophilen Granulozyten existiert analog die HNA-Nomenklatur (human neutrophil antigens).

2.4. Plasmaproteine

Auch bei den Plasmaproteinen gibt es Polymorphismen, die Blutgruppeneigenschaften haben. Ein Beispiel ist das Haptoglobin mit den drei Phänotypen Hp 1-1, Hp 2-1 und Hp 2-2.

3. Häufigkeitsverteilung

Die Bedeutung von Blutgruppensystemen und die Verteilung der Polymorphismen ist weltweit sehr unterschiedlich. In bestimmten Populationen kann ein Merkmal auch gar nicht polymorph sein. Einige indigene Völker tragen zu 100% die Blutgruppe 0, innerhalb dieser Population ist die Bedingung eines Polymorphismus nicht erfüllt.

In Westeuropa sind ca. 15% der Menschen Rhesus-negativ. In weiten Teilen Asiens, unter anderem Japan und Taiwan, sind es nur ca. 0,5%. Dies hat zur Folge, das ein Rhesus-negativer Besucher aus Europa, der dort eine Transfusion benötigt, nicht ohne Weiteres mit Rhesus-negativem Blut versorgt werden kann.

Wenn die Häufigkeitsverteilung der Phänotypen in einem Blutgruppensystem stark einseitig ist, also fast alle Individuen für den "Phänotyp A positiv" und nur sehr wenige "Phänotyp A negativ" sind, spricht man von hochfrequenten Antigenen. Bei seltenen Antigenen ist die Verteilung umgekehrt, dass heißt der Fall "Phänotyp A negativ" ist die Regel und "Phänotyp A positiv" ist die Ausnahme.

4. Klinische Bedeutung

Die wesentliche klinische Bedeutung von Blutgruppensystemen ist die Möglichkeit, durch Schwangerschaften, Bluttransfusionen oder Organtransplantationen gegen Antigene sensibilisiert zu werden, die der eigene Körper nicht exprimiert. Die Folge einer solchen Sensibilisierung können u. a. sein:

Neben der Schwere der Reaktion, die unterschiedlich ausfallen kann, ist hierbei auch von Bedeutung, wie die Antigenverteilung in der Bevölkerung ist und wie schwierig es ist, kompatible Blutprodukte zu bekommen.

Die individuelle Ausprägung von Blutgruppensystemen beeinflusst auch die Anfälligkeit gegenüber Infektionskrankheiten. Gut bekannt ist die Tatsache, dass das Duffy-Antigen ein Rezeptor für Malaria-Plasmodien ist. In Malaria-Endemiegebieten ist durch den dadurch entstehenden Selektionsdruck die Blutgruppe Duffy(a-, b-), welcher der Rezeptor fehlt, besonders häufig anzutreffen.

Die ABO-Blutgruppe hat einen erheblichen Einfluss darauf, wie hoch das Risiko ist, an einer Infektion mit gramnegativen Stäbchen zu erkranken. Ein Zusammenhang zwischen ABO-Typ und Infektionsrisiko konnte auch für weitere Erreger, hauptsächlich Bakterien, nachgewiesen werden.

Für viele Blutgruppensysteme konnten inzwischen belegt werden, dass die Anfälligkeit für bestimmte Infektionen beeinflusst wird. Umgekehrt hat das Infektionsrisiko durch bestimmte Erreger einen Einfluss auf die weltweite Verteilung der Blutgruppeneigenschaften.[1]

5. Weblinks

6. Quellen

  1. Cooling L: Blood Groups in Infection and Host Susceptibility Clin Microbiol Rev 2015; 28: 801-870, frei zugänglich, abgerufen am 22.09.2022

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