Peritonitis (Hund)
Synonym: Bauchfellentzündung
Englisch: peritonitis
Definition
Unter einer Peritonitis bzw. Bauchfellentzündung versteht man eine akut oder chronisch verlaufende Entzündung des Peritoneums (Bauchfell) beim Hund.
Klassifikation
Abhängig von der Ätiologie, dem Verlauf und der Ausdehnung der Entzündung kann die Peritonitis unterschiedlich klassifiziert werden. Dabei ist jedoch zu beachten, dass die verschiedenen Formen auch kombiniert auftreten können (z.B. aseptische sekundäre Peritonitis).
… nach Genese
… nach Art
… nach Verlaufsform
- akute Peritonitis
- chronische Peritonitis
… nach Ausdehnung
- lokale Peritonitis
- generalisierte Peritonitis
Ätiologie
Die Ätiologie einer Peritonitis ist vielfältig und bestimmt den weiteren Krankheitsverlauf.
Peritonitis-Art bzw. -Form | Auslöser (Beispiele) |
---|---|
primäre Peritonitis: |
intraabdominale Infektionsquelle, z.B.:
|
sekundäre Peritonitis: |
intraabdominaler Infektionsherd, z.B.:
|
aseptische Peritonitis: |
intraabdominale Applikation von:
|
septische Peritonitis: |
|
Pathogenese
Die Pathomechanismen hängen von der Art und Form der Peritonitis bzw. den auslösenden Ursachen ab.
Die primäre Peritonitis kommt beim Hund sehr selten vor – nur dann, wenn die Infektion durch ein geschwächtes Immunsystem und/oder Immunsuppression begünstigt wird. Zu den typischen Erregern einer primären Peritonitis zählen Clostridien, Nokardien und Aktinomyzeten sowie (selten) auch Parasiten (z.B. Mesocestoides spp.), die durch hämatogene Streuung (Aussaat) in die Bauchhöhle gelangen.
Die sekundäre Peritonitis hingegen stellt die übliche Peritonitis-Form beim Hund dar. Sie entsteht infolge eines intraabdominalen Infektionsherdes und/oder nach einer Verletzung bzw. Bauchdeckenperforation. Da das Immunsystem in der Regel normal arbeitet, kommt es zu einer raschen Aktivierung von Entzündungszellen. Anhand der Genese unterscheidet man zwischen den beiden folgenden Typen:
- aseptische sekundäre Peritonitis
- septische sekundäre Peritonitis
Auslöser einer aseptischen sekundären Peritonitis sind entweder chemische, toxische oder mechanische Irritationen, wie z.B. Magensaft, Galle, Pankreasenzyme, Harn oder auch Blutgerinnsel sowie intraperitoneal applizierte Antibiotika bzw. Antiseptika. Während die aseptische sekundäre Peritonitis eine sterile Entzündung darstellt, entwickelt sich diese in Anwesenheit verschiedener Bakterien (z.B. aufgrund erhöhter Permeabilität der Darmwand im Rahmen eines Schocks) zu einer fulminanten septischen sekundären Peritonitis weiter.
Septischen Peritonitiden entstehen meistens durch Infektionen, die vom Magen-Darm-Trakt ausgehen (z.B. Nahtdehiszenz oder perforierter Fremdkörper bzw. rupturierte Hohlorgane). Bei dieser Art der Entzündung sind jedoch immer mehrere aerobe und anaerobe Bakterienarten beteiligt, v.a. Escherichia coli, Bacteroides fragilis, Clostridien und Enterokokken. Diese Entzündungen verlaufen meist akut bis perakut, wobei der Schweregrad von der Anzahl, der Art und der Virulenz der eingebrachten Bakterien abhängt. Neben der Menge und Art der Bakterien hat auch die Kombination verschiedener Pathogene einen Einfluss auf den Verlauf der Erkrankung.
Ein Großteil der generalisierten septischen Peritonitiden ist ursprünglich lokal begrenzt. Solange das lokale Immunsystem die Entzündungsprozesse hemmen kann, bleibt die Infektion örtlich begrenzt. Dabei kommt es initial zu einer lokal begrenzten Vasodilatation und Erhöhung der Gefäßpermeabilität, was wiederum die Einwanderung von Entzündungszellen initiiert. Es folgt eine massive Fibrinausschwitzung, die wiederum fibrinöse Verklebungen verursacht und bei vollständiger Eliminierung der Erreger durch Fibrinolyse wieder gelöst wird. Bleibt der Entzündungsprozess hingegen bestehen, wandern Fibroblasten ein und es kommt zur fibrinösen Verwachsung. Der Körper kann dabei den Infektionsherd absiegeln (bedeckte Verletzung), oder auch abkapseln (Abszess). Kann die Entzündung jedoch nicht begrenzt werden, breitet sich die Infektion ungehemmt aus und entwickelt sich zu einer generalisierten Peritonitis (Peritonitis diffusa) weiter. Durch eine Steigerung der Durchblutung und Erhöhung der Gefäßpermeabilität wird massiv Flüssigkeit ins Abdomen abgegeben, wodurch sich die Bauchhöhle mit Bakterien und abgestorbenen Leukozyten füllt und zu einer riesigen Abszesshöhle umwandelt.
Klinik
Während aseptische sowie lokal begrenzte Peritonitiden häufig mild bzw. gar asymptomatisch verlaufen können, geht die septische Peritonitis mit einer systemischen Erkrankung einher.
Betroffene Tiere zeigen einen stark beeinträchtigtes Allgemeinbefinden, wobei die initialen Symptome häufig unspezifisch sind. Im weiteren Krankheitsverlauf manifestieren sich Symptome eines akuten Abdomens, wie z.B. plötzliche Zeichen abdominalen Unwohlseins bzw. Schmerzen, angespanntes Abdomen, Fieber und ein schlechter Allgemein- sowie Kreislaufzustand. Manchmal kommt es auch zum Ileus, zu Erbrechen, Durchfall und Schocksymptomen. Die Hunde dehydrieren rasch, da sie viel Flüssigkeit ins Abdomen, aber auch durch das anhaltende Erbrechen und den Durchfall verlieren. Durch die Sepsis entwickelt sich rasch das klinische Bild eines hyperdynamischen Schocks bzw. SIRS. Die Schleimhäute sind injiziert, der Puls ist hochfrequent und pochend, die kapilläre Rückfüllzeit ist verkürzt und es kommt zu Tachypnoe und hochgradigem Fieber. Später geht der hyperdynamische Schock in einen hypovolämischen oder auch dekompensierten septischen Schock über.
Diagnose
Peritonitiden, v.a. septischer Genese, lassen sich meistens ohne Schwierigkeiten diagnostizieren. Neben einer umfangreichen Anamnese und klinischen Untersuchung sind unterschiedliche Untersuchungsverfahren notwendig:
- Blutuntersuchung
- bildgebende Diagnostik (Röntgen, Ultraschall)
- Bauchpunktion (zytologische, bakterielle und labormedizinsche Untersuchung)
Abdomenröntgen
Im Röntgenbild zeigt sich ein deutlicher Detailverlust des Abdomens, der anfangs lokal, später generalisiert auftritt. Die Organkonturen sind verstrichen und es zeigt sich eine spinngewebe- bis milchglasartige diffuse regionale Verschattung (intraabdominaler Erguss). Dieser Befund ist zwingend mit einer Bauchhöhlenpunktion abzuklären.
Ultraschalluntersuchung
Mithilfe eines Ultraschalls können intraabdominale Ergüsse leicht dargestellt werden. Gleichzeitig können auch viele Ursachen einer sekundären Peritonitis (z.B. Fremdkörper, Pankreatitis, Abszesse u.ä.) direkt nachgewiesen werden. Dabei lassen sich bereits schon geringe Mengen an freier Flüssigkeit diagnostizieren und gezielt aspirieren.
Blutuntersuchung
Das Blutbild ist häufig unspezifisch. Oft lässt sich eine Leukozytose mit Neutrophilie und toxischer Linksverschiebung nachweisen. Die Leukozytenzahl kann aber auch normal oder sogar erniedrigt (Leukopenie) sein. Die serologischen Befunde sind ebenfalls wenig spezifisch. Oftmals zeigt sich eine Hypoproteinämie, Azotämie, Hypokaliämie und Azidose. Bei gleichzeitiger Hypoglykämie kann von einer ungünstigen Prognose ausgegangen werden.
Bauchpunktion
Der klassische Befund des aspirierten Exsudats geht mit einer erhöhten Zell- und Eiweißkonzentration einher. Im zytologischen Bild dominieren vorwiegend neutrophile Granulozyten, die oft degeneriert sind.
Zellen | Zellzahl | Befund |
---|---|---|
Leukozyten | < 500/µl | physiologisch |
1.000-2.000/µl | mild bis moderat | |
> 2.000/µl | schwergradig |
Neben Bakterien ist auch ein erniedrigter Glukosegehalt ein spezifischer Indikator für eine septische Peritonitis. Ein Befund von unter 2,75 mmol/l (50 mg/dl) ist hochverdächtig. Eine Differenz von Blut- zu Bauchhöhlenglukose über 1,1 mmol/l (20 mg/dl) ist zu 100 % sensitiv und spezifisch für eine septische Peritonitis.
Therapie
Jede septische Peritonitis bei Hund ist ein chirurgischer Notfall und erfordert umgehend eine Laparotomie. Ziel der Operation ist die Auffindung sowie Behebung der Ursache, die mit einem umfangreichen Debridement und einer ausgiebigen Lavage der Bauchhöhle einhergeht. Um diesen Eingriff durchführen zu können, müssen die Patienten vorab stabilisiert und narkose- bzw. operationsfähig gemacht werden. Die Therapie setzt sich daher aus folgenden zwei Grundpfeilern zusammen:
- konservative Behandlung
- chirurgische Behandlung
Konservative Behandlung
Der septische und/oder hypovolämische Schock muss durch eine aggressive Infusionstherapie mit Ringer-Laktat-Lösung (50 bis 90 ml/kgKG) sowie Sauerstoffzufuhr bekämpft werden. Bei signifikanter Hypoalbuminämie sind zusätzlich kolloidale Lösungen zu verabreichen. Parallel dazu sind Elektrolytverschiebungen (z.B. Hypokaliämie und Hyponatriämie) auszugleichen und Glukose (50 ml 50 %ige Glukose) zu substituieren. Mittels Blutgasanalyse wird der Säure-Basen-Haushalt überwacht und gegebenenfalls mit Bikarbonat (metabolische Azidose) korrigiert.
Zusätzlich ist eine prompte parenterale Antibiose indiziert. Hierfür sind unbedingt bakterizid wirkende Breitspektrumantibiotika oder auch Kombinationen verschiedener Wirkstoffe zu verwenden. Bis zum Vorliegen des Antibiogramms muss die Auswahl vorerst empirisch erfolgen, wobei sich z.B. eine Kombination von Ampicillin (20 bis 30 mg/kgKG i.v. alle 6 bis 8 Stunden), Gentamicin (6 mg/kgKG s.c. alle 24 Stunden) und Metronidazol (10 mg/kgKG i.v. alle 12 Stunden) bewährt hat. Auch die Kombination von Amoxicillin (20 bis 30 mg/kgKG i.v. alle 6 bis 8 Stunden) und Enrofloxacin (10 mg/kgKG langsam i.v. alle 12 bis 24 Stunden) wird empfohlen, wobei die erste Kombination aufgrund besserer Wirksamkeit zu bevorzugen ist. Als Alternative können auch Cephalosporine der 3. Generation wie z.B. Cefoxitin (30 bis 40 mg/kgKG i.v. alle 6-8 Stunden) oder Cefotaxim (25 bis 50 mg/kgKG i.v. alle 6 bis 8 Stunden) verwendet werden.
Parallel dazu ist für eine ausreichende analgetische Behandlung zu sorgen. Hierfür eignet sich z.B. eine Methadon-Lidocain-Ketamin-Dauertropfinfusion (MLK-DTI). Zusätzlich ist ein Antiemetikum wie z.B. Metoclopramid (0,1 bis 0,5 mg/kgKG s.c. alle 6 Stunden, nicht bei Obstruktionen), Ondansetron (0,1 bis 0,2 mg/kgKG i.v.) oder Maropitant (1 mg/kgKG s.c. alle 24 Stunden) zu verwenden. Bei Blutdruck-instabilen Patienten ist Dopamin oder Dobutamin indiziert, um eine Hypotonie zu behandeln.
Hinweis: Diese Dosierungsangaben können Fehler enthalten. Ausschlaggebend ist die Dosierungsempfehlung in der Herstellerinformation.
Chirurgische Behandlung
Sobald der Patient stabil ist, ist eine umfangreiche Laparotomie vorzunehmen. Hierbei sind folgende Schritte durchzuführen:
- Eröffnung der Bauchhöhle
- Probenentnahme für Bakterienkultur inkl. Antibiogramm
- Behandlung der Ursache (z.B. rupturierter Darm, Resektion des Abszesses)
- Lösen von Verklebungen
- umfangreiches Debridement
- ausgiebige abdominale Lavage (körperwarme NaCl- oder Ringer-Laktat-Lösung, 200 bis 300 ml/kgKG)
- Wahl zwischen offener oder geschlossener Peritonealdrainage
Prognose
Die Prognose ist immer vorsichtig zu stellen. Eine septische Peritonitis geht mit einer Mortalitätsrate von 20 bis 48 % einher.
Literatur
- Kohn B, Schwarz G (Hrsg.). 2017. Praktikum der Hundeklinik. 12., aktualisierte Auflage. Stuttgart: Enke Verlag in Georg Thieme Verlag KG. ISBN: 978-3-13-219961-3
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