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Ethylenglykol-Intoxikation (Hund)

Synonyme: Ethylenglykol-Vergiftung, Frostschutzmittel-Vergiftung

1. Definition

Ethylenglykol-Intoxikationen sind häufige Vergiftungen (Intoxikationen) beim Hund. Sie werden vor allem durch die Aufnahme von Frostschutzmitteln ausgelöst und führen zu lokalen sowie zentralnervösen Schäden.

2. Chemie

Ethylenglykol (1,2-Ethandiol) ist eine farb- sowie geruchlose und leicht visköse Flüssigkeit, die sich sehr gut mit Wasser vermischt. Die Dichte beträgt 1,11 g/ml (bei 20 °C) und die Summenformel lautet C2H6O2 bzw. C2H4(OH)2.

Aufgrund des süßen Geschmacks wird Ethylenglykol gerne von Hunden oral aufgenommen. Da die Substanz vorwiegend in Frostschutzmitteln in Automobilkühlern enthalten ist, treten Intoxikationen hauptsächlich in näherer Umgebung zu Autos auf (z.B. Garage).

3. Physiologie

Ethylenglykol wird rasch über den Magen-Darm-Trakt resorbiert. Die höchsten Plasmakonzentrationen können bereits ein bis sechs Stunden nach der Exposition gemessen werden. Im Gegensatz dazu ist die dermale Resorption schlecht, sodass Vergiftungen nur bei intensivem Kontakt mit defekten Hautoberflächen entstehen können.

Der zweiwertige Alkohol (HO–CH2–CH2–OH) wird in der Leber durch die Enzyme Alkoholdehydrogenase und Aldehyddehydrogenase metabolisiert. Bei der Verstoffwechslung entstehen unter anderem folgende Verbindungen:

Die Ausscheidung der Metabolite sowie des Ausgangsstoffs erfolgt über die Nieren. Die Plasmahalbwertszeit beträgt etwa drei Stunden. Bei einer Sättigung der Alkoholdehydrogenase ist die Plasmahalbwertszeit verlängert.

4. Pathophysiologie

Intoxikationen mit Ethylenglykol verlaufen in zwei zeitlich getrennten Phasen ab:

  • Phase 1: die Symptome werden maßgeblich durch Ethylenglykol selbst verursacht
  • Phase 2: die Symptome werden von den verschiedenen Metaboliten bestimmt

In Phase 1 kommt es zu einer teils massiven Reizung der Schleimhäute mit Erbrechen und rauschähnlichen Zuständen, geprägt von Ataxie und ZNS-Depression. In Phase 2 hingegen wirken die Metabolite (v.a. Glycoaldehyd und Oxalsäure) neuro- und nephrotoxisch. Durch die Ablagerung von Calciumoxalatkristallen in den Tubuli kommt es zum Nierenversagen mit Ausbildung entsprechender Symptome. Die Stoffwechselprodukte verursachen auch eine ausgeprägte metabolische Azidose.

5. Toxizität

Die minimale letale Dosis (LDLo) von unverdünntem Ethylenglykol beträgt beim Hund 6,6 ml/kgKG. Die orale mittlere Letaldosis (LD50) von Diethylglykol liegt bei 10 ml/kgKG.

Die ersten Symptome treten etwa 30 Minuten nach der Ethylenglykol-Aufnahme auf und dauern etwa zwölf Stunden. Die metabolische Azidose stellt sich erst nach etwa drei Stunden ein. Rund 36 bis 72 Stunden nach der Intoxikation kommt es zur Ausbildung der Nierensymptomatik.

6. Klinik

Die erste Vergiftungsphase ist durch rauschähnliche Symptome geprägt. Die Tiere wirken müde und es treten Erbrechen und Durchfall, Hypersalivation, Ataxie, tetanische Krämpfe (aufgrund Hypokalzämie) und Somnolenz auf. Nach einer scheinbaren Erholung stellt sich die zweite Phase der Intoxikation ein, die mit Niereninsuffizienz, Oligurie, Urämie und Proteinurie einhergeht.

Es kommt zu einer raschen Verschlechterung des Allgemeinzustandes.

7. Differenzialdiagnosen

8. Diagnose

Anamnese, klinische Untersuchung und die typischen Symptome sind hinweisend für eine Ethylenglykol-Intoxikation. Bei Ungewissheit können Calciumoxalatkristalle im Urin sowie Ethylenglykol im Blut (Gaschromatographie) nachgewiesen werden.

Alternativ können die Kontaktstellen (z.B. Maulhöhle oder Pfoten) sowie Erbrochenes oder Urin mit der Wood-Lampe untersucht werden (Ethylenglykol fluoresziert).

9. Therapie

Intoxikationen müssen stets nach dem ABCDE-Schema behandelt werden:

Anschließend folgt eine Dekontamination und Elimination des Giftes mithilfe einer Magenspülung. Diese Maßnahme ist jedoch nur unmittelbar nach der Aufnahme sinnvoll. Parallel dazu ist die renale Ausscheidung mittels Diurese (z.B. Mannitol 0,5 bis 2 g/kgKG langsam mit Ringer-Laktat-Lösung infundieren) zu forcieren und eine Antidot-Therapie mit Ethanol einzuleiten. Die Ethanol-Serumkonzentration sollte dabei mindestens 50 mg/dl (11 mmol/l) betragen. Die folgende Dosierungsempfehlung erzielt eine Ethanol-Serumkonzentration zwischen 50 und 100 mg/dl. Die Serumkonzentration an Ethanol kann beim Hund mit der Widmark-Formel berechnet werden.

Ethanol-Therapie
Applikation Menge
(ml/kgKG)
Konzentration
(Alkohol)
Verdünnung Intervalle
(Stunden)
peroral 2,5 40 % 3/7/14/24
intravenös
(Bolus)
5,5 20 %
  • NaCl 0,9
  • Glukose 5 %
  • 4/8/16/20/24
  • 30/36/42/48
intravenös
(DTI)
1,3 30 %
  • NaCl 0,9 %
  • Glukose 5 %
Bolus, gefolgt von
0,42/Std. 30 %
  • NaCl 0,9 %
über 2 Tage als DTI

Alternativ kann Fomepizol (4-Methylpyrazol) angewendet werden. Femopizol hemmt über einen kompetitiven Mechanismus die Alkoholdehydrogenase. Es hat dabei eine größere Affinität als Ethanol und zeigt deutlich weniger Nebenwirkungen. Hierfür kann folgendes Schema angewendet werden:

  • 20 mg/kgKG i.v. initial als Bolus
  • dann 15 mg/kgKG i.v. 12 und 24 Stunden nach Initialdosis
  • dann 5 mg/kgKG i.v. 36 Stunden nach Initialdosis
  • bei Bedarf: Wiederholungen alle 12 Stunden

Hinweis: Diese Dosierungsangaben können Fehler enthalten. Ausschlaggebend ist die Dosierungsempfehlung in der Herstellerinformation.

Zusätzlich sind symptomatische Maßnahmen zur Dehydratation (Infusionstherapie) und zum Ausgleich der Azidose (Bikarbonatinfusion) indiziert. Bei Übelkeit können Antiemetika (Metoclopramid oder Domperidon) verabreicht werden.

10. Quellen

11. Literatur

  • Niemand HG (Begr.). Suter PF, Kohn B, Schwarz G (Hrsg.). 2012. Praktikum der Hundeklinik. 11., überarbeitete und erweiterte Auflage. Stuttgart: Enke-Verlag in MVS Medizinverlag Stuttgart GmbH & Co. KG. ISBN: 978-3-8304-1125-3
  • Frey HH, Löscher W (Begr.). Löscher W, Richter A (Hrsg.). 2016. Lehrbuch der Pharmakologie und Toxikologie für die Veterinärmedizin. 4., vollständig überarbeitete Auflage. Stuttgart: Enke Verlag in Georg Thieme Verlag KG. ISBN: 978-3-13-219581-3

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