Niere (Fleischfresser)
Synonyme: Ren, Nephros
Englisch: kidney
Definition
Die Niere der Fleischfresser ist ein Ausscheidungsorgan für Stoffwechselprodukte und nicht-abbaubare exogene Substanzen. Sie dient der Regulation des Wasser- und Elektrolythaushalts sowie der Regulation des Säure-Basen-Gleichgewichts.
Anatomie
Die Nieren sind rötlich-braune, bohnenförmige Organe. Beim Fleischfresser erscheinen sie dick und machen etwa 0,25 % der Körpermasse aus, was beim Hund in etwa 50 g sind.
Morphologie
An der Niere lassen sich folgende Strukturen benennen:
- Facies ventralis: zum Bauch hin zeigende Fläche
- Facies dorsalis: zum Rücken hin zeigende Fläche
- Extremitas cranialis: zum Kopf zeigender Nierenpol
- Extremitas caudalis: zum Schwanz zeigender Nierenpol
- Margo medialis: zur Medianebene zeigender Nierenrand
- Nierenhilus (Hilus renalis): Einziehung am medialen Rand, Ein- und Austrittsstelle von Blutgefäßen und Harnleiter
- Nierenbucht (Sinus renalis): Hohlraum, der vom Hilus renalis ins Innere der Niere zieht und Nierenbecken, Anfangsabschnitt des Harnleiters, Gefäße und deren umgebendes Fett- und Bindegewebe beherbergt
- Nierenbecken (Pelvis renalis): liegt im Sinus renalis und weist tierspezifische Ausbuchten (Recessus pelvis) auf
- Margo lateralis: zur Seite zeigender Nierenrand
Aufbau
Die Niere weist von außen nach innen folgende Schichtungen auf:
- perirenale Fettkapsel (Capsula adiposa renis): umgibt die Nieren ringsum
- Bindegewebskapsel (Capsula fibrosa renis): derbe Bindegewebskapsel, die der Niere ihre Form verleiht
- Nierenrinde (Cortex renis)
- Nierenmark (Medulla renis)
Um den Aufbau der Nierenrinde und des -marks zu verstehen, muss man die Organentwicklung betrachten. So treten bei der Entwicklung der Niere Furchen auf, die wiederum die kegelförmigen Nierenlappen, Lobi renales, begrenzen. Diese Lobi bilden die morphologische Baueinheit und können in verschiedene Abschnitte unterteilt werden.
- Nierenpyramide (Pyramis renalis): bildet in Summe den Markteil einer Niere
- Rindenkappe (Lobulus corticalis renalis): sitzt der Pyramis kappenartig auf
- Nierenpapille (Papilla renalis): bildet das spitze Ende eines Lappen, auf der ein Sammelrohr in Form eines Ductus papillaris mündet
- Columna renalis: stellt die Säule der Rinde dar, die zwischen den Markpyraminden liegt
Da bei den Fleischfressern diese Lappung größtenteils verloren geht, verschmelzen die Rindenkappen zur Nierenrinde und die Pyramiden zum Nierenmark. Im Gegensatz zur Rinderniere gehen die Furchen an der Oberfläche völlig verloren, weshalb die Nieren der Fleischfresser als einwarzige glatte Nieren bezeichnet werden. Da bei ihnen auch die Nierenpapillen zu einer einheitlichen Leiste, der Crista renalis (Papilla magna), verschmelzen, wird die Fleischfresserniere zu den einwarzig glatten Nieren gezählt.
Durch die Ductus papillares entstehen Öffnungen (Foramina papillaria) auf dem Scheitel der Crista renalis, weshalb deren Oberfläche siebartig erscheint. Sie wird deshalb auch als Area cribrosa bezeichnet. Obwohl die Lobi renales verschmelzen, kann man auf einer Schnittfläche die ursprüngliche Lappung auch bei den Nieren der Fleischfresser erkennen. Hier markieren einerseits die Nierensäulen (Columnae renales), die sich als Rindengewebe zwischen die Basis der Pyramiden schieben, andererseits auch die Interlobararterien, die Grenzen zweier benachbarter Nierenlappen.
Gefäßversorgung
Die Niere weist aufgrund ihrer Filterfunktion ein komplexes Gefäßsystem auf, das aus sich verzweigten und verknäulten Arterien und Venen zusammensetzt.
Arterie
Die arterielle Versorgung der Nieren wird durch einen direkten Abgang der Arteria renalis aus der Bauchaorta gewährleistet. Die Arterie teilt sich im Bereich des Hilus renalis in ihre Äste auf, wobei diese dann in hierarchischer Reihenfolge wie folgt weiter ins Niereninnere ziehen:
- Arteriae interlobares renis: verlaufen zwischen den Nierenlappen in Richtung Nierenrinde
- Arteriae arcuatae renis: bogenartiger Weiterverlauf an der Rinden-Mark-Grenze und umkreisen so die Basis der Pyramiden, geben dabei ab:
- Arteriolae rectae: gerade rückläufige Arteriolen, die mit den gleichnamigen Venolen ein nutritives Kapillarbett im Nierenmark bilden
- Arteriae interlobulares renis: gehen von den bogenartigen Arterien ab und treten in die Nierenrinde ein, wobei sich ihre Endäste in den Nierenkapseln verzweigen:
- Rami corticales: verzweigte Endäste der Interlobulararterien
- Arteriolae glomerulares afferentes: entspringen aus den Aa. interlobulares und treten über den Gefäßpol in ein Nierenkörperchen ein und bilden dort den sogenannten Kapillarknäuel (Glomerulum)
- Arteriolae glomerulares efferentes: die Glomerulumkapillaren sammeln sich anschließend wieder und verlassen als Arteriolae glomerulares efferentes am Gefäßpol das Nierenkörperchen (Wundernetz) um sich dann im eigentlichen Kapillargebiet um die Tubuli zu ergießen
Venen
Die Venen verhalten sich grundsätzlich wie die in den Nieren verlaufenden Arterien und Arteriolen, weshalb sich von innen nach außen folgender Gefäßverlauf ergibt:
- Venae interlobulares renis: sammelt das Blut aus der Nierenrinde und gibt es an die Vv. arcuata weiter
- Venulae stellatae: sind unter der Nierenkapsel verlaufende Venolen, die strahlenförmig als Venenstern zusammenlaufen und sich in die Vv. interlobulares renis ergießen
- Venae capsulares: sind unter der Nierenkapsel der Katze radiär verzweigte Venen, die in Richtung Hilus verlaufen und direkt in die V. renalis einmünden
- Venae arcuatae renis: venöser Gefäßplexus an der Mark-Rinden-Grenze, die neben den Vv. interlobulares renis das Blut aus dem Nierenmark aufnehmen:
- Venulae rectae: gerade verlaufende Venolen aus dem Nierenmark, die in die Vv. arcuatae renis einmünden
- Venae interlobares renis: sammeln das zugeführte venöse Blut aus Nierenrinde und -mark und strömen in die Hauptabflussvene der Niere ein
Der weitere venöse Abfluss erfolgt über die gleichnamige Hauptvene, die im Anschluss in die Vena cava caudalis einmündet:
Lymphe
Die Niere weist ein je nach Abschnitt unterschiedliches Lymphgefäßsystem auf. Dabei besitzt die Nierenrinde reichlich Lymphkapillaren, das Nierenmark eher weniger. Die sammelnden Lymphgefäße nehmen ihren Beginn an der Rinden-Mark-Grenze und folgen im weiteren Verlauf den Aa. und Vv. arcuatae sowie den Interlobargefäßen. Im Anschluss fließt die Lymphe bei den Fleischfressern in die Lymphonodi lumbales aortici ab.
Innervation
Die Niere wird über das vegetative Nervensystem versorgt, wobei sympathische und parasympathische Fasern aus dem Plexus coeliacus entstammen.
Sympathikus
Die sympathischen Anteile entstammen dem Nervus splanchnicus minor und den lumbalen Grenzsstrangganglien.
Parasympathikus
Die parasympathische Versorgung erfolgt über den Nervus vagus.
Histologie
Die Niere weist im Detail einen komplexen histologischen Aufbau auf, sodass je nach Schicht und betrachteten Tubulusabschnitt unterschiedliche histologische Strukturen unterschieden werden.
Da Fleischfresser eine sogenannte einwarzige glatte Niere besitzen, kann diese mit der Niere der Ratte verglichen werden.
Topographie
Die Nieren sind paarig angelegt und liegen retroperitoneal über lockeres Bindegewebe verbunden der dorsalen Bauchhöhlenwand an. Sie sind somit nur an ihrer Ventralfläche von Bauchfell überzogen. Sie sind beiderseits der Wirbelsäule angeordnet und erstrecken sich von der vorderen Lendengegend bis in den intrathorakalen Teil der Bauchhöhle. Aufgrund ihrer Lage werden sie während der Bewegung des Zwerchfells bei jedem Atemzug um etwa eine halbe Wirbellänge verschoben.
Die rechte Niere liegt in der Regel etwas weiter kranial (beim Hund zwischen 12. Brustwirbel und 2.-3. Lendenwirbel) als die linke und nimmt dabei Kontakt mit dem Processus caudatus der Leber und dem rechten Leberlappen auf. Dabei drückt sie sich regelrecht in die Leber ein und hinterlässt eine Markierung, die als Impressio renalis bezeichnet wird. Aufgrund dieser engen Beziehung gewinnt sie gegenüber der linken Niere an Lagestabilität.
Die Nieren der Katzen liegen im Gegensatz zum Hund extrathorakal, befinden sich jedoch auf der selben Höhe.
Beide Nieren sind stets von einer perirenalen Fettkapsel (Capsula adiposa) umgeben, die sie vor schädigenden Druckeinwirkungen der umliegenden Organe schützt.
Physiologie
Die Niere filtert harnpflichtige Stoffe aus dem Blut und scheidet sie mit dem Harn aus. Um diesem Prozess gerecht zu werden, filtert sie große Flüssigkeitsmengen aus dem Blutplasma, wobei im ersten Schritt das Ultrafiltrat (Primär- bzw. Vorharn) gebildet wird. Dieses ist in der Regel isoosmotisch bzw. isoton und enthält im Wesentlichen gelöste Stoffe in gleicher Konzentration wie sie im Blutplasma auffindbar sind. Gleichzeitig ist der Primärharn aber weitgehend frei von großmolekularen Proteinen.
Durch die sogenannte selektive Reabsorption werden wiederverwertbare Substanzen wie z.B. Glukose, Wasser, Elektrolyte oder Aminosäuren teilweise dem Körper wieder zugeführt und dem Ultrafiltrat somit entzogen.
siehe Hauptartikel: Tubulärer Transport
Nach erfolgter Rückresorption wird das vorliegende Filtrat als Sekundär- bzw. Endharn bezeichnet. Dieser macht in den meisten Fällen nur mehr ca. 1-2 % des ursprünglich filtrierten Primärharns aus. Diese komplexen Filtermechanismen der Niere dienen dazu, die Zusammensetzung des Blutplasmas innerhalb enger physiologischer Normen zu halten, weshalb die Niere der Aufrechterhaltung des inneren Milieus ("milieu intérieur", homöostatische Funktion) dient.
Die Niere gleicht den Salz-Wasser-Haushalt des Körpers aus und hält die Wasserstoffionenkonzentration konstant. Dementsprechend fließen bei einem großen Hund täglich 1.000-2.000 Liter Blut durch die Nieren, woraus letztendlich 200-300 Liter Primärharn gefiltert werden. Nach erfolgter Rückresorption bleiben ca. 1-2 Liter ausscheidungspflichtiger Harn übrig, der über die harnableitenden Wege ausgeschieden wird.
Über endokrine Mechanismen beeinflussen die Nieren auch den Blutdruck (Renin-Angiotensin-Aldosteron-System oder die Blutbildung (Erythropoetin). Dabei produzieren sie Renin, das wiederum aus dem Plasmaprotein Angiotensin das Dekapeptid Angiotensin I bildet. Durch ein weiteres Enzym (Angiotensin-Converting-Enzyme, ACE) wird es in Angiotensin II umgewandelt, das zu einer Verengung der Arteriolen führt. Als Resultat erfolgt eine Steigerung des Blutdrucks. Außerdem fördert Erythropoetin die Blutbildung. Das Enzym Kallikrein induziert über weitere Wirkstoffe eine Gefäßerweiterung. Die Niere ist auch Produktionsstätte von Prostaglandinen.
Klinik
Die Niere ist zwar palpatorisch tastbar, die manuelle Untersuchung hat jedoch nur einen beschränkten diagnostischen Wert. Wesentlich aussagekräftiger ist die Darstellung mittels Ultraschall, da sich die Niere relativ gut abbilden lässt. Im Zuge dieser Untersuchung können neben der Unterscheidung von Nierenrinde und -mark auch Nierenbecken und weitere anatomische Strukturen beschrieben werden.
Da die Arterien der Nieren echte Endarterien darstellen und somit keine Anastomosen untereinander besitzen, besteht bei vorausgegangenem Gefäßverschluss die Gefahr eines Niereninfarktes.
Literatur
- Salomon, Franz-Viktor, Hans Geyer, and Uwe Gille, eds. Anatomie für die Tiermedizin. Enke, 2008.
- Künzel, Wolfgang. Topographische Anatomie, Hochschülerschaft Veterinärmedizinische Universität (Hersausgeber), 3. Auflage. WS 2011/12
- Nickel, Richard, August Schummer, and Eugen Seiferle. Band II: Eingeweide. Lehrbuch der Anatomie der Haustiere. Parey, 2004.
- Egerbacher, Monika, Gabner, Simone et al., Gewebelehre und mikroskopische Anatomie. Skriptum für Übungen und Konversatorien der Histologie. Veterinärmedizinische Universität Wien. Stand: 01.10.2015
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