Nierenkörperchen
Synonyme: Corpusculum renale, Malpighi-Körperchen
Englisch: renal corpuscle, malpighian corpuscle
Definition
Die Nierenkörperchen sind die markanteste histologische Struktureinheit der Niere. Sie bestehen aus einem kapillären Gefäßknäuel (Glomerulus) und einer umgebenden Kapsel (Bowman-Kapsel). In den Nierenkörperchen findet die Ultrafiltration des Blutes zum Primärharn statt.
Ein Nierenkörperchen bildet zusammen mit einem Nierenröhrchen (Tubulus renalis) die kleinste funktionelle Einheit der Niere, das Nephron.
Morphologie
Die Nierenkörperchen befinden sich in der Rindenzone der Niere und imponieren lichtmikroskopisch als kleine, rundliche Bläschen mit einem Durchmesser von ca. 0,2 - 0,3 Millimeter. Jede Niere enthält etwa 1,4 - 1,5 Millionen Nierenkörperchen. Man unterscheidet an ihnen rein deskriptiv einen Gefäß- und einen Harnpol.
Glomerulus
Am Gefäßpol tritt das zuführende arterielle Gefäß (Arteriola afferens) in das Nierenkörperchen ein. Dort verzweigt es sich in ein miteinander in Verbindung stehendes, girlandenförmiges Knäuel aus Kapillarschlingen, den Glomerulus. In die Wand der Arteriola afferens sind Bestandteile des juxtaglomerulären Apparates eingelassen. Die Kapillarschlingen vereinigen sich wieder zu einem wegführenden Gefäß (Arteriola efferens), das ebenfalls am Gefäßpol austritt.
Die Wand des Glomerulus besteht aus Kapillarendothel, der glomerulären Basalmembran (GBM) und den Podozyten der Bowmann-Kapsel ansetzen. Die Einheit dieser drei Bestandteile ist für die Filtration zuständig.
Mesangium
Die Kapillaren des Glomerulus werden von einem interstitiellen Gewebe gestützt, das man als Mesangium bezeichnet. Es besteht aus den Mesangiumzellen und einer extrazellulären Matrix. Bei den Mesangiumzellen handelt es sich um spezialisierte, kontraktile Fibroblasten, die eine Vielzahl von Hilfs- und Kontrollfunktionen ausüben. Dazu zählen:
- Phagozytose absterbender Zellbestandteile und sonstiger Ablagerungen
- Synthese einer extrazellulären Matrix
- Bildung von Prostaglandinen, Endothelinen und Zytokinen
- Kontrolle des glomerulären Blutflusses
Bowmann-Kapsel
Die den Glomerulus umgebende Bowmann-Kapsel besteht aus zwei Blättern, dem
- inneren oder viszeralen Blatt und dem
- äusseren oder parietalen Blatt
Das viszerale Blatt der Bowmann-Kapsel wird von den Podozyten gebildet. Das Epithel des parietalen Blattes der Bowmanschen Kapsel ist ein einschichtiges Plattenepithel.
Zwischen beiden Blättern befindet sich der so genannte Kapselraum (auch: Glomeruluskammer), in dem sich der Primärharn befindet. Dieser Kapselraum geht am Harnpol in den Nierentubulus über.
Ultrastruktur
Das Blut, das durch das afferente Gefäß in das Nierenkörperchen eintritt, wird dort durch ein komplexes System biologischer Membranen filtriert, das man als Blut-Harn-Schranke bezeichnet. Dadurch entsteht der Primärharn. Die Filtrationsbarriere besteht aus 3 Schichten:
Kapillarendothel
Das Kapillarendothel der Glomeruli ist gefenstert ("fenestriert"). Es weist Lücken mit einem Durchmesser zwischen 50 und 100 nm auf. Dadurch können kleinere Moleküle ungestört durch das Endothel treten, während Blutzellen und Makromoleküle mit einem Molekulargewicht von mehr als 68.000 Dalton aufgehalten werden. Sie verbleiben während der Filtration im Gefäßlumen.
Basalmembran
Die glomeruläre Basalmembran (GBM) wird zwischen Endothelzellen und Podozyten gebildet. Sie lässt sich weiter unterteilen in:
- Lamina rara interna
- Lamina densa
- Lamina rara externa
Filtrationsschlitze
Die Filtrationsschlitze werden von den Podozyten gebildet. Die Podozyten haben primäre und sekundäre Zellfortsätze, die man auch als Füße erster bzw. zweiter Ordnung bezeichnet. Die primären und sekundären Zellfortsätze verschiedener Podozyten verzahnen sich untereinander und bilden so ein dichtes Netz von feinen Filtrationsschlitzen ("filtration slits"). Sie sind von einem dünnen, nur 4 nm starken Schlitzdiaphragma überzogen, das als Proteinkomponenten u.a. Nephrin und Podocin enthält. Dieser abschließende Filter hält kleinere Proteine zurück.
Physiologie
Das filtrierte Volumen aller Nierenkörperchen pro Zeiteinheit bezeichnet man als glomeruläre Filtrationsrate. Es beträgt unter physiologischen Bedingungen rund 120 ml/Min. Nach der Filtration befindet sich der Primärharn im Kapselraum und gelangt von dort in den proximalen Tubulus. Pro Tag werden von den Nieren etwa 180 Liter filtriert und in die Tubuli transportiert, wo weitere Stoffwechselvorgänge stattfinden. Der Primärharn wird vom Tubulussystem zu 99 % rückresorbiert. Die tatsächliche Urinausscheidung beträgt nur 1,5 Liter pro Tag.
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